Feindstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Um diesem Dilemma zu entgehen, bedarf es seiner Meinung nach einer Trennung des "Täters als Rechtsgutfeind" und des "Täters als Bürger" und zwar in Form eines extra kodierten Feindstrafrechts abgetrennt vom Bürgerstrafrecht. Dieses dann "nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht" legitimierbare Recht findet dort seine Anwendung, wo Gefahr besteht, dass "Normen, die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der [[Repression]] wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt".<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 753 und 784</ref>
Um diesem Dilemma zu entgehen, bedarf es seiner Meinung nach einer Trennung des "Täters als Rechtsgutfeind" und des "Täters als Bürger" und zwar in Form eines extra kodierten Feindstrafrechts abgetrennt vom Bürgerstrafrecht. Dieses dann "nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht" legitimierbare Recht findet dort seine Anwendung, wo Gefahr besteht, dass "Normen, die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der [[Repression]] wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt".<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 753 und 784</ref>


Ist diese Sichtweise noch als rechtsdogmatische Kritik an der bestehenden Rechtsmaterie zu verstehen - wobei er eben kein Verfechter der Rechtsgutlehre<ref>Luis Greco ''Feindtrafrecht'' In: ''Studien zum Strafrecht.'' Band 47, Nomos Verlag, 2010, S.13</ref> ist, welche eben die Vorfeldkriminalisierung ermöglicht - folgt er später einer eher affirmativen Sichtweise auf die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten eines Feindstrafrechtes.
Ist diese Sichtweise noch als rechtsdogmatische Kritik an der bestehenden Rechtsmaterie zu verstehen - wobei er eben kein Verfechter der Rechtsgutlehre<ref>Luis Greco ''Feindstrafrecht'' In: ''Studien zum Strafrecht.'' Band 47, Nomos Verlag, 2010, S.13</ref><ref>Alejandro Aponte ''Krieg und Feindstrafrecht - Überlegungen zum "effizienten Feindstrafrecht anhand der Situation in Kolumbien" In: Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft Band 28, 3.Folge, Nomos Verlag, 2004, S.133</ref> ist, welche eben die Vorfeldkriminalisierung ermöglicht - folgt er später einer eher affirmativen Sichtweise auf die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten eines Feindstrafrechtes.


In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht''<ref name=Grundlage2/> leitet er [http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsphilosophie rechtsphilosopisch]unter Zurückgriff auf die Philosophen [http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hobbes T.Hobbes], [http://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant I.Kant] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrecht -abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler.<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97</ref>
In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht''<ref name=Grundlage2/> leitet er [http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsphilosophie rechtsphilosopisch]unter Zurückgriff auf die Philosophen [http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hobbes T.Hobbes], [http://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant I.Kant] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrecht -abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler.<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97</ref>
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Das Verbrechen folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung (dem Staat, der Gesellschaft) ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein generell personales Verhalten unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status und wird als Unperson angesehen und demnach als Feind behandelt.<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.98f.</ref> Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen ist somit nicht mehr notwendig um den Feind zustellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert. Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.106</ref>, wobei Jakobs den Kreis schließt: "Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg."<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.101</ref>
Das Verbrechen folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung (dem Staat, der Gesellschaft) ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein generell personales Verhalten unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status und wird als Unperson angesehen und demnach als Feind behandelt.<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.98f.</ref> Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen ist somit nicht mehr notwendig um den Feind zustellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert. Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.106</ref>, wobei Jakobs den Kreis schließt: "Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg."<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.101</ref>


In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus exkludierten wäre der Staat soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt (für den Sicherungsverwahrten)und in seinem Zwang so zurückhaltend aggiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (Ausschluss gezielter Vernichtung, Gesundheitssorge bei Verwahrung, usw.).<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97</ref>
In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus exkludierten wäre der Staat soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt (für den Sicherungsverwahrten)und in seinem Zwang so zurückhaltend agiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (Ausschluss gezielter Vernichtung, Gesundheitssorge bei Verwahrung, usw.).<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97</ref> Das bedeutet, dass die Einführung eines Feindstrafrechtes nicht heißen kann, "nunmehr sei ''alles'' erlaubt" und dass man "über das Erforderliche" hinausgehen dürfe.<ref>Günther Jakobs ''Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den Herausforderungen der Gegenwart'' In: ''Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende - Rückbesinnung und Ausblick.'' Hrsg. Eser/ Hassemer/ Burkhardt, C-H Beckverlag, 2000, S.137</ref>


Eine Kritik an seinem Konzept des extra kodierten Feindstrafrechtes zur Abwehr von Gefahren und Beschädigungen von Rechtsgütern und zu erwartenden Normbrüchen lässt er nur insoweit zu, dass er sich gegen eine Verteufelung dessen wehrt, da damit das Problem, "wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen", nicht zu lösen ist<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.103</ref>.
Eine Kritik an seinem Konzept des extra kodierten Feindstrafrechtes zur Abwehr von Gefahren und Beschädigungen von Rechtsgütern und zu erwartenden Normbrüchen lässt er nur insoweit zu, dass er sich gegen eine Verteufelung dessen wehrt, da damit das Problem, "wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen", nicht zu lösen ist<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.103</ref>.


==Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht==


Die Kritik am Konzept des Feindstrafrechts richtet sich zum Teil auch an die Doppeldeutigkeit der von Jakobs formulierten Ansichten<ref>Alejandro Aponte ''Krieg und Feindstrafrecht - Überlegungen zum "effizienten Feindstrafrecht anhand der Situation in Kolumbien" In: Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft Band 28, 3.Folge, Nomos Verlag, 2004, S.129ff.</ref>. So wird der Vorwurf erhoben, dass die Diminuierung von Feinden als Unpersonen in einen Unrechtsstaat führen<ref>Albin Eser ''Schlussbetrachtungen'' In: ''Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende - Rückbesinnung und Ausblick.'' Hrsg. Eser/ Hassemer/ Burkhardt, C-H Beckverlag, 2000, S.137</ref>, wie in der ehemaligen DDR oder im Nationalsozialismus gesehen.




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