Feindstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Sein 2000 erschienener Kommentar zu einer Tagung in Berlin an der Akademie der Wissenschaft konkretisiert dann diesen Ansatz drastisch, bis dahin, dass ''es zu einem Feindstrafrecht keine heute ersichtliche Alternative'' mehr geben könnte (Jakobs 2000: 53).<br>
Sein 2000 erschienener Kommentar zu einer Tagung in Berlin an der Akademie der Wissenschaft konkretisiert dann diesen Ansatz drastisch, bis dahin, dass ''es zu einem Feindstrafrecht keine heute ersichtliche Alternative'' mehr geben könnte (Jakobs 2000: 53).<br>


In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' leitet er rechtsphilosopisch unter Zurückgriff auf die Philosophen [[Menschenrechte|T.Hobbes]] und [[Menschenrechte|I.Kant]] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrecht - abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler (Jakobs 2004: 97).<br>
In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' leitet er rechtsphilosopisch unter Zurückgriff auf die Philosophen [[Menschenrechte|T. Hobbes]] und [[Menschenrechte|I. Kant]] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrechtes - abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler (Jakobs 2004: 97).<br>
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Das [[Verbrechen]] folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung (dem Staat, der Gesellschaft) ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein ''generell personales Verhalten'' unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status, wird als Feind behandelt (Jakobs 2004: 98f.) und zur Unperson (Jakobs 2000: 53) erklärt. Die Reaktion auf die Tat (Normbruch) transformiert oder verkürzt sich somit zu einer Reaktion gegen einen Feind, ohne ein kommunikatives Element der Strafe (Jakobs 2000: 50).<br>
Das [[Verbrechen]] folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung, dem Staat, der Gesellschaft, ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein ''generell personales Verhalten'' unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status, wird als Feind behandelt (Jakobs 2004: 98f.) und zur Unperson (Jakobs 2000: 53) erklärt. Die Reaktion auf die Tat (Normbruch) transformiert oder verkürzt sich somit zu einer Reaktion gegen einen Feind, ohne ein kommunikatives Element der Strafe (Jakobs 2000: 50).<br>
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Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen (Bürgerstrafrecht) ist dann nicht notwendig um einen Feind zu stellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert (Feindstrafrecht). Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut (Jakobs 2004: 106), wobei Jakobs den argumentativen Kreis schließt: ''Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen [[Terrorismus|Terroristen]] tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg'' (Jakobs 2004: 101).<br>
Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen (Bürgerstrafrecht) ist dann nicht notwendig um einen Feind zu stellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert (Feindstrafrecht). Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut (Jakobs 2004: 106), wobei Jakobs den argumentativen Kreis schließt: ''Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen [[Terrorismus|Terroristen]] tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg'' (Jakobs 2004: 101).<br>
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===Belege zu einem Feindstrafrecht im Sinne Jakobs===
===Belege zu einem Feindstrafrecht im Sinne Jakobs===


<p align="justify">Grundsätzlich verortet Jakobs zahlreiche problematische Vorschriften im StGB (Jakobs 1985: 773). Die Bedeutensten sind die pönalisierten Vorbereitungshandlungen im Privatbereich, wie § 30 StGB und die §§ 129, 129a, 267 Fall 1 StGB (Vormbaum 2009: VIX) und Teile der Betäubungsmittelgesetzgebung, wie die §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs.1 Nr.1 BtMG (Jakobs 1985: 753) sowie die Untersuchungshaft (Jakobs 2004: 102) nach der Strafprozessordnung (StPO).
<p align="justify">Grundsätzlich verortet Jakobs zahlreiche problematische Vorschriften im StGB (Jakobs 1985: 773). Die Bedeutensten sind die pönalisierten Vorbereitungshandlungen im Privatbereich, wie § 30 StGB und die §§ 129, 129a, 267 Fall 1 StGB (Vormbaum 2009: VIX) und Teile der Betäubungsmittelgesetzgebung (BtMG), wie die §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs.1 Nr.1 BtMG (Jakobs 1985: 753) sowie die Untersuchungshaft (Jakobs 2004: 102) nach der Strafprozessordnung (StPO).
Weiter die Tendenz dazu ab dem [http://pdok.bundestag.de/extrakt/ba/WP13/673/67368.html Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts] in welchem die Anhebung der Straftatbestände bei sexuellem Missbrauch festgehalten sind sowie die Ausdehnung der [[Sicherungsverwahrung]], auch auf Heranwachsende und Jugendliche (Hörnle 2009: 92, 94f.) sowie der von ihm gesehene Übergang von der Strafrechtsgesetzgebung zu einer [[Bekämpfungsgesetzgebung]], wobei etwa [[Wirtschaftskriminalität]], Terrorismus oder die [[Organisierte Kriminalität|Organisierte Kriminalität]] eingeschlossen sind (Aponte 2004: 131).</p>
Weiter, die Tendenz dazu ab dem [http://pdok.bundestag.de/extrakt/ba/WP13/673/67368.html Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts], in welchem die Anhebung der Straftatbestände bei sexuellem Missbrauch festgehalten sind sowie die Ausdehnung der [[Sicherungsverwahrung]], auch auf Heranwachsende und Jugendliche (Hörnle 2009: 92, 94f.) sowie des von ihm gesehenen Übergangs von der Strafrechtsgesetzgebung zu einer [[Bekämpfungsgesetzgebung]], wobei etwa [[Wirtschaftskriminalität]], Terrorismus oder die [[Organisierte Kriminalität|Organisierte Kriminalität]] eingeschlossen sind (Aponte 2004: 131).</p>


===Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht nach Jakobs===
===Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht nach Jakobs===
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<p align="justify">Eine Kritik an seiner Lehre des extra kodierten Feindstrafrechtes zur Abwehr von Gefahren und Beschädigungen von Rechtsgütern und zu erwartenden Normbrüchen lässt Jakobs nur insoweit zu, dass er sich gegen eine angenommene ''Verteufelung'' dessen verwahrt: Denn damit sei das Problem, ''wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen'', nicht zu lösen (Jakobs 2004: 103; Vormbaum 2009: VII).</p>
<p align="justify">Eine Kritik an seiner Lehre des extra kodierten Feindstrafrechtes zur Abwehr von Gefahren und Beschädigungen von Rechtsgütern und zu erwartenden Normbrüchen lässt Jakobs nur insoweit zu, dass er sich gegen eine angenommene ''Verteufelung'' dessen verwahrt: Denn damit sei das Problem, ''wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen'', nicht zu lösen (Jakobs 2004: 103; Vormbaum 2009: VII).</p>


<p align="justify">Die Kritik des wissenschaftlichen Diskurses erstreckt sich dabei von seiner Haltung, welche aus einer Doppeldeutigkeit der von Jakobs formulierten Ansichten (Aponte 2004: 129ff.) resultiert, über den Vorwurf, dass ein Tabubruch wie die Diminuierung von Bürgern zu Feinden und Unpersonen in der wissenschaftlichen Arbeit auch Steigvorlage für einen aufkommenden Unrechtsstaat (Eser 2000: 137) sei, bis hin, dass es sich nicht um ein Recht im eigentlichen Sinn handeln kann, sondern um eine Demonstration von Macht (Albrecht 2006: 117).</p>
<p align="justify">Die Kritik des wissenschaftlichen Diskurses erstreckt sich dabei von seiner Haltung, welche aus einer Doppeldeutigkeit der von Jakobs formulierten Ansichten (Aponte 2004: 129ff.) resultiert, über den Vorwurf, dass ein Tabubruch wie die Diminuierung von Bürgern zu Feinden und Unpersonen in der wissenschaftlichen Arbeit auch Steilvorlage für einen aufkommenden Unrechtsstaat (Eser 2000: 137) sei, bis hin, dass es sich nicht um ein Recht im eigentlichen Sinn handeln kann, sondern um eine Demonstration von Macht (Albrecht 2006: 117).</p>


<p align="justify">Zusammenfassend wird die Lehre des Feindstrafrechts nach Jakobs von einem Großteil des nationalen wie internationalen wissenschaftlich-rechtsphilosophischen Diskurses aus den folgenden Gründen kritisiert oder abgelehnt:</p>
<p align="justify">Zusammenfassend wird die Lehre des Feindstrafrechts nach Jakobs von einem Großteil des nationalen wie internationalen wissenschaftlich-rechtsphilosophischen Diskurses aus den folgenden Gründen kritisiert oder abgelehnt:</p>
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* die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und unantastbarer Werte (Vormbaum 2009: XXVIII)
* die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und unantastbarer Werte (Vormbaum 2009: XXVIII)


<p align="justify">Fürsprecher eines Feindstrafrechtes sind dennoch auch im aktuellen Diskurs zu finden. So gibt es die Positionen, dass dem Sinn nach feindstrafrechtliche Regelungen sogar noch verstärkt im Deutschen Strafrecht Einzug finden müssten, wie der Einsatz von Brechmitteln oder der weitere Abbau von prozessualen Garantien in der StPO (Lesch 2001: 189ff. zitiert nach Morquet 2009: 74f.) um den Rechtsgüterschutz sicherzustellen. Oder die Feststellung erhoben wird, dass ''gegenüber Bürgern muss Folter verboten bleiben'', wobei unklar bleibt, was dann für Feinde gelten soll (Pawlik FAZ 2003 Nr. 51 zitiert nach Morquet 2009: 76f.).</p>
<p align="justify">Fürsprecher eines Feindstrafrechtes sind dennoch auch im aktuellen Diskurs zu finden. So gibt es die Positionen, dass dem Sinn nach feindstrafrechtliche Regelungen sogar noch verstärkt im Deutschen Strafrecht Einzug finden müssten, wie der Einsatz von Brechmitteln oder der weitere Abbau von prozessualen Garantien in der StPO (Lesch 2001: 189ff. zitiert nach Morquet 2009: 74f.), um den Rechtsgüterschutz sicherzustellen oder die Feststellung erhoben wird, dass ''gegenüber Bürgern muss Folter verboten bleiben'', wobei unklar bleibt, was dann für Feinde gelten soll (Pawlik FAZ 2003 Nr. 51 zitiert nach Morquet 2009: 76f.).</p>


==Der erweiterte Begriff des "Feindstrafrechtes"==
==Der erweiterte Begriff des "Feindstrafrechtes"==
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