Feindstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Verbrechen folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung (dem Staat, der Gesellschaft) ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein generell personales Verhalten unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status und wird als Feind behandelt(vgl. Jakobs 2004, S.98f.). Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen ist somit nicht mehr notwendig um den Feind zustellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert. Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut (vgl. Jakobs 2004, S.106), wobei Jakobs den Kreis schließt: "Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg (Jakobs 2004, S.101).
Das Verbrechen folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung (dem Staat, der Gesellschaft) ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein generell personales Verhalten unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status und wird als Feind behandelt(vgl. Jakobs 2004, S.98f.). Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen ist somit nicht mehr notwendig um den Feind zustellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert. Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut (vgl. Jakobs 2004, S.106), wobei Jakobs den Kreis schließt: "Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg (Jakobs 2004, S.101).


In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus exkludierten wäre der Staat soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt (zB für den Sicherungsverwahrten)und in seinem Zwang so zurückhaltend agiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (wohl Ausschluss gezielter Vernichtung, Gesundheitssorge bei Verwahrung, usw.).<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97.</ref> Das bedeutet, dass die Einführung eines Feindstrafrechtes nicht heißen kann, "nunmehr sei ''alles'' erlaubt" und dass man "über das Erforderliche" hinausgehen dürfe.<ref>Günther Jakobs ''Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den Herausforderungen der Gegenwart'' In: ''Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende - Rückbesinnung und Ausblick.'' Hrsg. Eser/ Hassemer/ Burkhardt, C-H Beckverlag, 2000, S.137.</ref>
In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus exkludierten wäre der Staat soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt (zB für den Sicherungsverwahrten)und in seinem Zwang so zurückhaltend agiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (vgl. Jakobs 2004, S.97). Dies bedeutet, dass die Einführung eines Feindstrafrechtes nicht heißen kann, "nunmehr sei ''alles'' erlaubt" und dass man "über das Erforderliche" hinausgehen dürfe (vgl. Jakobs 2000, S.137).


Eine Kritik an seinem Konzept des extra kodierten Feindstrafrechtes zur Abwehr von Gefahren und Beschädigungen von Rechtsgütern und zu erwartenden Normbrüchen lässt er nur insoweit zu, dass er sich gegen eine ''Verteufelung'' dessen wehrt, da damit das Problem, "wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen", nicht zu lösen ist<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.103.</ref><ref>Thomas Vormbaum ''Einleitung: Das Feindstrafrecht und seine Kritik'' In: ''Kritik des Feindstrafrechts. Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen.'' Band 9, Hrsg. Vormbaum u.M.v. Asholt, LIT Verlag, 2009, S. VII.</ref>
Eine Kritik an seinem Konzept des extra kodierten Feindstrafrechtes zur Abwehr von Gefahren und Beschädigungen von Rechtsgütern und zu erwartenden Normbrüchen lässt er nur insoweit zu, dass er sich gegen eine ''Verteufelung'' dessen wehrt, da damit das Problem, "wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen", nicht zu lösen ist (Jakobs 2004, S.103 und vgl. Vormbaum 2009, S. VII).


==Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht nach Jakobs==


==Literatur==
Die Kritik am Konzept des Feindstrafrechts richtet sich zum Teil an die Doppeldeutigkeit der von Jakobs formulierten Ansichten (vgl. Aponte 2004, S.129ff.). So wird weiter der Vorwurf erhoben, dass schon die Diminuierung von Bürgern zu Feinden und Unpersonen in einen Unrechtsstaat führen (vgl. Eser 2000, S.137), wie in der ehemaligen DDR oder im Nationalsozialismus gesehen, und nicht erst Symptom dafür ist. Zusammenfassend wird die Lehre des Feindstrafrechts nach Jakobs von einem Großteil des wissenschaftlich-rechtsphilosophischen Diskurses aus den folgenden Gründen kritisiert oder abgelehnt:
* Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 751 bis 785.
*Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.93 bis 107 und In: ''Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht'' Heft 3, 2004, S.88 bis 95.
* Luis Greco ''Feindstrafrecht'' In: ''Studien zum Strafrecht.'' Band 47, Nomos Verlag, 2010.
* Alejandro Aponte ''Krieg und Feindstrafrecht - Überlegungen zum "effizienten" Feindstrafrecht anhand der Situation in Kolumbien'' In: ''Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft.'' Band 28, 3.Folge, Nomos Verlag, 2004.
* Thomas Vormbaum ''Einleitung: Das Feindstrafrecht und seine Kritik'' In: ''Kritik des Feindstrafrechts. Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen.'' Band 9, Hrsg. Vormbaum u.M.v. Asholt, LIT Verlag, 2009.
 
==Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht nach Jakobs==


Die Kritik am Konzept des Feindstrafrechts richtet sich zum Teil an die Doppeldeutigkeit der von Jakobs formulierten Ansichten<ref>Alejandro Aponte ''Krieg und Feindstrafrecht - Überlegungen zum "effizienten Feindstrafrecht anhand der Situation in Kolumbien" In: Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft Band 28, 3.Folge, Nomos Verlag, 2004, S.129ff.</ref>. So wird weiter der Vorwurf erhoben, dass schon die Diminuierung von Bürgern zu Feinden und Unpersonen in einen Unrechtsstaat führen<ref>Albin Eser ''Schlussbetrachtungen'' In: ''Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende - Rückbesinnung und Ausblick.'' Hrsg. Eser/ Hassemer/ Burkhardt, C-H Beckverlag, 2000, S.137</ref>, wie in der ehemaligen DDR oder im Nationalsozialismus gesehen, und nicht erst Symptom dafür ist. Die Lehre des Feindstrafrechts nach Jakobs wird von einem Großteil des wissenschaftlich-rechtsphilosophischen Diskurses aus folgenden Gründen eher abgelehnt:
* die martialische Terminologie
* die martialische Terminologie
* die Unschärfe des Feind-Begriffs
* die Unschärfe des Feind-Begriffs
* die deskriptive und präskriptive Ebene seiner Lehre
* die deskriptive und präskriptive Ebene seiner Lehre
* die ihm unterstellte affirmative Haltung ohne konkrete Distanzierung
* die ihm unterstellte affirmative Haltung ohne konkrete Distanzierung
* die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und anderer unantastbarer Werte<ref>Thomas Vormbaum ''Einleitung: Das Feindstrafrecht und seine Kritik'' In: ''Kritik des Feindstrafrechts. Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen.'' Band 9, Hrsg. Vormbaum u.M.v. Asholt, LIT Verlag, 2009, S. XXVIII.</ref>
* die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und unantastbarer Werte (vgl. Vormbaum 2009, S. XXVIII)




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Contra Bernd Schünemann, Eduard Demetrio Crespo, Karl Heinz Gössel, Urs Kindhäuser, Francisco Munoz Conde, Guiseppe Losappio,Ferrando Mantovani
Contra Bernd Schünemann, Eduard Demetrio Crespo, Karl Heinz Gössel, Urs Kindhäuser, Francisco Munoz Conde, Guiseppe Losappio,Ferrando Mantovani
==Literatur==
* Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 751 bis 785.
* Günther Jakobs ''Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den Herausforderungen der Gegenwart'' In: ''Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende - Rückbesinnung und Ausblick.'' Hrsg. Eser/ Hassemer/ Burkhardt, C-H Beckverlag, 2000.
* Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.93 bis 107 und In: ''Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht'' Heft 3, 2004, S.88 bis 95.
* Luis Greco ''Feindstrafrecht'' In: ''Studien zum Strafrecht.'' Band 47, Nomos Verlag, 2010.
* Alejandro Aponte ''Krieg und Feindstrafrecht - Überlegungen zum "effizienten" Feindstrafrecht anhand der Situation in Kolumbien'' In: ''Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft.'' Band 28, 3.Folge, Nomos Verlag, 2004.
* Thomas Vormbaum ''Einleitung: Das Feindstrafrecht und seine Kritik'' In: ''Kritik des Feindstrafrechts. Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen.'' Band 9, Hrsg. Vormbaum u.M.v. Asholt, LIT Verlag, 2009.
* Albin Eser ''Schlussbetrachtungen'' In: ''Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende - Rückbesinnung und Ausblick.'' Hrsg. Eser/ Hassemer/ Burkhardt, C-H Beckverlag, 2000.


==Beispiele zum Feindstrafrecht==
==Beispiele zum Feindstrafrecht==
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