Feindstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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siehe auch: [[Feindstrafrecht und souveräne Polizei in Lateinamerika]]
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Der Begriff des Feindstrafrechtes bezeichnet eine Rechtsmaterie, in welcher dem Abweichler der Personenstatus abgesprochen wird. Der Täter kann damit zum Feind diminuiert werden, mit dem Ziel die von ihm ausgehende Gefahr zu bekämpfen - insbesondere mit physischen Zwang bis hin zum Krieg.<ref name=Grundlage2>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.93 bis 107</ref>
Der Begriff des '''Feindstrafrechtes''' bezeichnet eine Rechtsmaterie, in welcher dem Abweichler der Personenstatus abgesprochen wird. Der Täter kann damit zum Feind diminuiert werden, mit dem Ziel die von ihm ausgehende Gefahr zu bekämpfen - insbesondere mit physischen Zwang bis hin zum Krieg.<ref name=Grundlage2>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.93 bis 107</ref>


Der von Dr. [[Günther Jakobs]] 1985 in einem Aufsatz mit dem Titel  ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen''<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 751 bis 785</ref> eingeführte Begriff des Feindstrafrechts ist demnach ein Mittel der [http://de.wikipedia.org/wiki/Gefahrenabwehr Gefahrenabwehr] sowie [[Strafe|Abschreckung]] und setzt bei dessen konsequenter Anwendung die Exkludierung von bestimmten Individuen oder Gruppen aus dem als Gegenpol zu verstehenden Bürgerstrafrecht voraus.<ref name=Grundlage2/>
Der von Dr. [[Günther Jakobs]] 1985 in einem Aufsatz mit dem Titel  ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen''<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 751 bis 785</ref> eingeführte Begriff des Feindstrafrechts ist demnach ein Mittel der [http://de.wikipedia.org/wiki/Gefahrenabwehr Gefahrenabwehr] sowie [[Strafe|Abschreckung]] und setzt bei dessen konsequenter Anwendung die Exkludierung von bestimmten Individuen oder Gruppen aus dem als Gegenpol zu verstehenden Bürgerstrafrecht voraus.<ref name=Grundlage2/>
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Jakob`s Lehre und Kritik
Jakob`s Lehre und Kritik


In seinem 1985 erschienen Aufsatz setzt sich Jakobs [http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtstheorie rechtsdogmatisch] mit dem Phänomen des Feindstrafrechts auseinander, indem er die Illegitimität der [[Kriminalisierung]] von Vorfeldverhalten im deutschen Strafgesetzbuches bestimmt.<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 752</ref> Und feststellt, dass dort Bestimmungen feindstrafrechtlicher Natur zu finden sind, welche eine Rechtsmaterie eigener Art bezeichnen und den Rechtsgüterschutz optimieren - im Gegenzug zum Bürgerstrafrecht, welches die Freiheitsphären der Bürger des Staates zur Grundlage hat.<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 756</ref>
In seinem 1985 erschienen Aufsatz setzt sich Jakobs [http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtstheorie rechtsdogmatisch] mit dem Phänomen des Feindstrafrechts auseinander, indem er die Illegitimität der [[Kriminalisierung]] von Vorfeldverhalten im deutschen Strafgesetzbuches bestimmt.<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 752</ref> Und feststellt, dass dort Bestimmungen feindstrafrechtlicher Natur zu finden sind, welche eine Rechtsmaterie eigener Art bezeichnen und den [http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsgut Rechtsgüterschutz] optimieren - im Gegenzug zum Bürgerstrafrecht, welches die Freiheitsphären der Bürger des Staates zur Grundlage hat.<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 756</ref>
Diese Tendenzen sind dort verortet, wo materielle Vorbereitungen für eine Straftat kriminalisiert werden noch während "das Vorbereitungsverhalten im Privatbereich vollzogen"<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 756f.</ref> wird.
Diese Tendenzen sind dort verortet, wo materielle Vorbereitungen für eine Straftat kriminalisiert werden noch während "das Vorbereitungsverhalten im Privatbereich vollzogen"<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 756f.</ref> wird.
Dies ist in einem freiheitlichen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit seinem [http://gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html Grundgesetz] dem Sinn nach nicht legitimierbar, exisitiert aber in der Praxis und "verschleiert" den Übertritt über die Grenzen eines freiheitlichen Staates<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 784</ref> und birgt ebenso die Gefahren, dass wenn der Rechtsgüterschutz weitere Optimierung im StGB erfährt, der Täter zunehmend als Feind mit abnehmenden Internbereich bzw. Privatheit definiert wird <ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 751 und 784</ref> und "auf diesem Weg [...] alles Strafrecht zum Feindstrafrecht" wird, bis hin, dass vor einer Kriminalisierung von Gedanken kein Halt gemacht werden müsste<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 757 und 778</ref>.
Dies ist in einem freiheitlichen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit seinem [http://gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html Grundgesetz] dem Sinn nach nicht legitimierbar, exisitiert aber in der Praxis und "verschleiert" den Übertritt über die Grenzen eines freiheitlichen Staates<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 784</ref> und birgt ebenso die Gefahren, dass wenn der Rechtsgüterschutz weitere Optimierung im StGB erfährt, der Täter zunehmend als Feind mit abnehmenden Internbereich bzw. Privatheit definiert wird <ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 751 und 784</ref> und "auf diesem Weg [...] alles Strafrecht zum Feindstrafrecht" wird, bis hin, dass vor einer Kriminalisierung von Gedanken kein Halt gemacht werden müsste<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 757 und 778</ref>.


Um diesem Dilemma zu entgehen, bedarf es seiner Meinung nach einer Trennung des "Täters als Rechtsgutfeind" und des "Täters als Bürger" und zwar in Form eines extra kodierten Feindstrafrechts abgetrennt vom Bürgerstrafrecht. Dieses dann "nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht" legitimierbare Recht findet dort seine Anwendung, wo Gefahr besteht, dass "Normen, die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der Repression wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt".<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 753 und 784</ref>
Um diesem Dilemma zu entgehen, bedarf es seiner Meinung nach einer Trennung des "Täters als Rechtsgutfeind" und des "Täters als Bürger" und zwar in Form eines extra kodierten Feindstrafrechts abgetrennt vom Bürgerstrafrecht. Dieses dann "nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht" legitimierbare Recht findet dort seine Anwendung, wo Gefahr besteht, dass "Normen, die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der [[Repression]] wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt".<ref>Günther Jakobs ''Kriminalisierung im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen'' In: ''Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.'' Nummer 97, Heft 4, 1985, S. 753 und 784</ref>
 
Ist diese Sichtweise noch als rechtsdogmatische Kritik an der bestehenden Rechtsmaterie zu verstehen - wobei er eben kein Verfechter der Rechtsgutlehre<ref>Luis Greco ''Feindtrafrecht'' In: ''Studien zum Strafrecht.'' Band 47, Nomos Verlag, 2010, S.13</ref> ist, welche eben die Vorfeldkriminalisierung ermöglicht - folgt er später einer eher affirmativen Sichtweise auf die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten eines Feindstrafrechtes.
 
In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht''<ref name=Grundlage2/> leitet er [http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsphilosophie rechtsphilosopisch]unter Zurückgriff auf die Philosophen [http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hobbes T.Hobbes], [http://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant I.Kant] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrecht -abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler.<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97</ref>
 
Das Verbrechen folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung (dem Staat, der Gesellschaft) ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein generell personales Verhalten unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status und wird als Unperson angesehen und demnach als Feind behandelt.<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.98f.</ref> Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen ist somit nicht mehr notwendig um den Feind zustellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert. Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut, wobei Jakobs den Kreis schließt: "Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg.""<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.101</ref>
 
In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus exkludierten wäre der Staat soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt (für den Sicherungsverwahrten)und in seinem Zwang so zurückhaltend aggiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (Ausschluss körperlicher Strafe).<ref>Günther Jakobs ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' In: ''Ritsumeikan Law Review.'' Nummer 21, 2004, S.97</ref>
 
 




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