Faisal bin Jaber gegen Bundesrepublik Deutschland

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Faisal bin Jaber u.a. gegen Bundesrepublik Deutschland ist ein Fall, der am 27.05.2015 vom Verwaltungsgericht Köln (Az. 3 K 5625/14) entschieden wurde. Bisher liegt nur eine Pressemitteilung des Gerichts[1] vor.

Ausgangspunkt

Die Kläger sind jemenitische Staatsangehöriger. Sie stammen aus der Region Hadramout im Osten des Jemen. Faisal bin Jaber hat bei einem Drohnenangriff am 29.August 2012 im Dorf Khashamir seinen Schwager Salim und seinen Neffen Walid verloren. Salim, ein Prediger, hatte sich zu diesem Zeitpunkt gerade mit Vertretern der Al-Quaida getroffen - "allerdings nicht aus Sympathie, sondern, weil die ihn sich nach einer kritischen Predigt vorknöpften. Vier Raketen schlugen ein. Augenzeugen, so steht es in der Klageschrift, bot sich "ein grausames Bild, da die Körper der Getöteten zerfetzt waren"[2]. Die Menschen in Faisals Gegend leben in "täglicher und fortdauernder Todesangst", weil sie fürchten selbst Opfer von Drohnenangriffen zu werden. "Männer im wehrfähigen Alter seien außerdem ständig in Gefahr Opfer von sogenannten "Signature Strikes" zu werden. Bei diesen Angriffen feuern die USA mit ihren Drohnen schon dann auf Menschen, wenn sie aufgrund ihres Alters, Geschlechts und wegen vermeintlich verdächtigen Verhaltens auffallen. Hunderte von Jemeniten sind durch Drohnenschläge ums Leben gekommen, wie viele genau, weiß niemand. Immer wieder sterben Zivilisten, die nichts mit a--Quaida zu tun haben."[3].

Klagevorbringen

Die Kläger beantragen, dass die Bundesregierung verpflichtet wird, den USA die Nutzung der Air Base Ramstein für Einsätze von Drohnen auf dem Gebiet der Republik Jemen zu untersagen. Die Kläger gehen davon aus, dass jedenfalls Daten für die Steuerung von Drohnen im Jemen in der Air Base Ramstein weitergeleitet und auch im Übrigen die Drogenangriffe von dieser Air Base aus unterstützt werden. Die Kläger halten die Drohnenangriffe im Jemen für völker- und menschenrechtswidrig und meinen, dass die Beklagte nach dem Grundgesetz sowie dem Völkerrecht verpflichtet sei, Gefährdungen für Leib und Leben, die vom deutschen Staatsgebiet ausgingen, zu unterbinden.

Gerichtsentscheidung

"Dem folgte das Gericht im Ergebnis nicht. In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Vorsitzende Richterin aus, die Kläger könnten sich zwar im Grundsatz auf eine Pflicht der Beklagten zum Schutz von Leib und Leben berufen. Eine solche Pflicht bestehe dann auch gegenüber ausländischen Staatsangehörigen, die im Ausland leben, wenn die Gefährdung vom deutschen Hoheitsgebiet ausgehe. Aus der Schutzpflicht folge aber nicht zwingend die von den Klägern begehrte Handlungspflicht. Vielmehr stehe der Beklagten bei der Erfüllung der Schutzpflicht – gerade wenn außenpolitische Angelegenheiten betroffen seien – ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Handlungsspielraum zu. Dieser Spielraum umfasse auch die völkerrechtliche Bewertung der Drohnenangriffe und dürfe aus Gründen der Gewaltenteilung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Die Bundesregierung habe auch in jüngerer Vergangenheit regelmäßig darauf gedrungen, dass bei der Nutzung der Air Base Ramstein das deutsche Recht und das Völkerrecht beachtet werden. Dies habe die amerikanische Regierung auch zugesagt. Das Gericht könne aufgrund seiner eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten keine weitergehende Verpflichtung aussprechen.

Zudem sähen die Verträge über die Stationierung befreundeter Streitkräfte im Bundesgebiet nur eine sehr eingeschränkte Einwirkungsmöglichkeit deutscher Behörden auf die Liegenschaftsnutzung durch fremde Truppen vor. Ein zielgerichtetes Einschreiten gegen die Satellitenrelaisstation auf der Air Base Ramstein sei deshalb ausgeschlossen. Ein Anspruch der Kläger auf Kündigung dieser Verträge bestehe offenkundig nicht, zumal durch eine Kündigung zahlreiche vitale und berechtigte außen- und verteidigungspolitische Interessen der Beklagten beeinträchtigt würden". Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats Berufung eingelegt werden.[4].

Hintergrundinformation

  • Der Vertreter des Verteidigungsministeriums sagte im Prozess, die USA hätten der Bundesregierung noch kürzlich erneut versichert, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland aus Drohnenangriffe weder geflogen noch gesteuert würden.
  • In der Vergangenheit gab es mehrfach Medienberichte, wonach US-Stützpunkte in Deutschland an Drohneneinsätzen im Kampf gegen Terror beteiligt seien. Dabei soll Ramstein eine wichtige Rolle spielen, weil das Funksignal über die dortige Satelliten-Relaisstation geleitet werden müsse, um die große Entfernung zwischen den USA und dem Zielort zu überbrücken. "Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich", sagte der ehemalige Drohnenpilot Brandon Bryant vor einem Jahr NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.[5].
  • Eine ausführliche Recherche zum gesamten Komplex hat Matthias Monroy am 22.Juni 2015 auf Netzpolitik.org veröffentlicht[6].
  • Die Kläger sowie das ECCHR aus Berlin und die Menschenrechtsorganisation Reprieve aus London, die die Klage unterstützen, bedauern die Entscheidung des Gerichts. Gemeinsam mit den Klägern werden die Organisationen Rechtsmittel gegen das Urteil prüfen.
  • „Das heutige Urteil erlaubt der Bundesregierung, weiter die Rolle der Ahnungslosen einzunehmen“, sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR, nach der Anhörung. „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – mit dieser Strategie wird die Bundesregierung auch künftig ihrer Verpflichtung nicht gerecht, Menschenrechtsverletzungen, die die USA von deutschem Boden aus begehen, zu unterbinden. Im Gegenteil: Mit dieser Haltung macht sich Deutschland mitschuldig am Tod von Zivilisten im US-Drohnenkrieg.“ Kat Craig, Legal Director von Reprieve sagte: „Ohne Ramstein könnten die USA ihren illegalen Drohnenkrieg im Jemen nicht führen. Nach dieser Entscheidung wird sich das leider nicht ändern.“ Und der Rechtsanwalt der Familie, Sönke Hilbrans, ergänzte: "Die Menschenrechte zu schützen ist auch die Pflicht derjenigen, die wie Deutschland keine aktive Rolle in einem Konflikt spielen wollen."[7].

Einzelnachweise