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Die Führungsaufsicht nach deutschem Strafrecht ist eine (nichtfreiheitsentziehende) Maßregel der Besserung und Sicherung und in den §§ 68 – 68g StGB geregelt. Sie zielt auf gefährliche oder gefährdete Straftäter. Vorrangiges Ziel der Führungsaufsicht ist die Verhinderung von neuen Straftaten. Nach ihrer gesetzlichen Konzeption sucht sie dies mittels Kontroll- und Betreuungsmaßnahmen zu erreichen.

Voraussetzungen

Führungsaufsicht existiert in zwei Formen. Sie tritt zum einen kraft richterlicher Anordnung (§ 68 Abs. 1 StGB) zum anderen kraft Gesetz (§ 68 Abs. 2 StGB) ein.

  • Gemäß § 68 Abs. 1 StGB kann das Gericht neben einer Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn
- wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht (z.B. Verweis in §§ 129a, 181b, 245, 263 Abs. 6 StGB), zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verhängt wurde und
- die Gefahr besteht, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird.
  • Gemäß § 68 Abs. 2 StGB wird Führungsaufsicht nach dem Gesetz unmittelbar angewendet
- im Gefolge einer Maßregel nach § 63 StGB, der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
- im Gefolge einer Maßregel nach § 64 StGB, der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
- im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB der Sicherungsverwahrung
- nach vollständiger Verbüßung von Freiheitsstrafe gemäß § 68f Abs.1 StGB
  • Führungsaufsicht bei Jugendlichen ist in § 7 JGG i.V.m. § 61 Nr. 4 StGB geregelt.

Weisungen

Die Anordnung der Führungsaufsicht kann gemäß § 68 b StGB mit Weisungen verbunden werden. Zum einen kann der Richter eine der in § 68b Abs. 1 StGB im Einzelnen aufgezählten Weisungen anordnen, zum anderen kann gemäß § 68b Abs. 2 StGB eine sich auf die Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehende Weisung angeordnet werden. Gemäß § 68b Abs. 1 StGB bestehen u.a. die in folgenden Möglichkeiten der Weisungserteilung:

  • Sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können (§ 68b Abs. 1 Nr. 2)
  • Keinen Kontakt zu der verletzten Person aufzunehmen (§ 68b Abs. 1 Nr. 3 StGB)
  • Keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen (§ 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB)
  • Sich zu bestimmten Zeiten bei einem Arzt, einem Psychotherapeuten oder der forensischen Ambulanz vorzustellen (§ 68b Abs. 1 Nr. 11StGB)
  • Eine elektronische Fußfessel zu tragen (§ 68b Abs. 1 Nr. 12 StGB)

Verstöße gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB sind nach § 145a StGB strafbewehrt und können auf Antrag der Führungsaufsichtsstelle mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis drei Jahren bestraft werden.

Die Akteure

Gemäß § 68a StGB sind drei Akteure genannt:

  • Die Aufsichtsstelle (Führungsaufsichtsstelle), der der Verurteilte gem. § 68 Abs. 1 StGB untersteht übt eine Kontroll- und Betreuungsfunktion aus. Sie hat im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung des Bewährungshelfers das Verhalten des Verurteilten und die Erfüllung der Weisungen zu überwachen. Organisatorisch ist sie Teil der Landesjustizverwaltung und wird in der Regel von einem Richter geleitet, ihre Aufgaben werden auch von Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen wahrgenommen (§ 295 EGStGB).
  • Dem Verurteilten wird gleichzeitig ein Bewährungshelfer für die Dauer der Führungsaufsicht vom Gericht bestellt. Neben der Kontrolltätigkeit hat dieser die Aufgaben dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite zu stehen (§ 68a Abs. 2 StGB).
  • Als weitere Einrichtung ist die forensische Ambulanz vorgesehen, die bei Therapieweisung (§ 68b Abs. 2 S. 2 und 3 StGB) ebenfalls dem Probanden helfend und betreuend zur Seite stehen soll (§ 68a Abs. 7 StGB).

Das Gericht kann der Aufsichtsstelle sowie dem Bewährungshelfer Anweisungen erteilen (§ 68a Abs. 5 StGB). Für den Fall, dass sich Aufsichtsstelle und Bewährungshelfer in Fragen der Hilfe und Betreuung uneinig sind, hat das Gericht die Entscheidungskompetenz(§ 68a Abs. 4 StGB). Seit der Reform von 2007 gelten die neu geregelten Offenbarungspflichten für die im Rahmen der Führungsaufsicht tätigen Bewährungshelfer sowie die Ärzte Psychologen und Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen der forensischen Ambulanz des § 68 a Abs. 8 StGB.

Die Polizei ist nicht im Gesetzestext des § 68a StGB aufgezählt, sie wird erst in den Verfahrensvorschriften des § 463a StPO erwähnt. Die polizeilichen Ermittlungsbefugnisse im Rahmen der Führungsaufsicht sind mehrfach erweitert worden, so dass die Polizei auch als Beteiligte zu nennen ist.

Dauer

Die Dauer der Führungsaufsicht ist in § 68 c StGB geregelt und beträgt mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht nach § 68 c Abs 2 S. 1 StGB eine unbefristete Führungsaufsicht anordnen. Wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, so hebt das Gericht die Führungsaufsicht auf - frühestens jedoch nach Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist.

Ausgestaltung der Führungsaufsicht in den einzelnen Bundesländern

In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Organisationsmodelle die keine einheitliche Entwicklung feststellen lässt. Es finden sich Unterschiede hinsichtlich einer zentralen oder dezentralen Struktur, hinsichtlich des Ausmaßes der Konzentrations- und Spezialisierungsgrade (vgl. Desseker).

Geschichte

Entfernte Vorläufer und erste Ansätze der Führungsaufsicht bis zum Reichstagsgesetzbuch 1871

Die erste bekannte und niedergeschriebene Sicherheitsmaßregel kannte die Constitutio Criminalis Carolinae (CCC) Karls V. von 1532. Konkret gesetzlich erwähnt wurde das Sicherungsmittel der Polizeiaufsicht im Strafgesetzbuch Joseph II. 1787 in Österreich. Dort hieß es „dass der Schuldige auch nach ausgestandener Strafe durch angemessene Zeit unter der Aufmerksamkeit der Polizei in Ansehung seiner Aufführung und ehrbaren Nahrungserwerbung gehalten werde“. Die weitere unterschiedliche Ausgestaltung der Führungsaufsicht und Handhabung in den Staaten resultierte schließlich mit dem Zusammenschluss mehrerer Staaten, dem sogenannten Norddeutschen Bund, der 1870 eine einheitliche Regelung der Polizeiaufsicht schuf. (vgl. Fernholz-Niemeier 1992, 3ff). Dabei wurde offiziell allein der Exekutiven (Polizei) die Betreuungs- und Kontrollfunktion zugeteilt (vgl. Jacobsen in Dertinger/Marx 1990, 12). Diese aus dem StGB des Norddeutschen Bundes übernommenen Paragraphen (§§ 38, 39 StGB a.F.) wurden 1871 in das Reichsstrafgesetzbuch übernommen und blieben bis 1975 nahezu unverändert (vgl. Fernholz-Niemeier 1992, 3ff).

Die Entwicklung bis zum Inkrafttreten der Führungsaufsicht am 01.01.1975

Nach Erklärung des StGB für das Norddeutsche Reich zum Reichsgesetz wurden erste Forderungen nach Abschaffung bzw. Reformen erhoben, hauptsächlich weil Kritiker die Polizeiaufsicht als resozialisierungsfeindlich ansahen. Bereits 1911 wurde das Instrument einer Schutzaufsicht mit Resozialisierungsgedanken erstmals diskutiert und in der Folgezeit kam es zu Reformbewegungen aber auch zu rückläufigen Entwicklungen. Während des Nationalsozialismus gab es die sogenannte Schutzhaft, insbesondere für den politisch motivierten Gegner. In der Nachkriegszeit wurde der alte Reformgedanke des Resozialisierens wieder aufgegriffen (vgl. Kwaschnik 2008, 66ff). Die Große Strafrechtskommission arbeitete an dem Konzept einer „Sicherungsaufsicht“, die in den Entwurf eines Strafgesetzbuchs 1962 einging. Kritik an diesem nach wie vor repressiven Entwurf resultierte dann in das Konzept der „Führungsaufsicht“, deren Schwerpunkt auf die stärkere Betonung eines Betreuungsangebotes lag. Die Führungsaufsicht fand dann im 2. Strafreformgesetztes 1969 ihren Niederschlag, wurde 1974 vom Bundestag verabschiedet und am 01.01.1975 gesetzlich eingeführt. (vgl. Floerecke 1989,12ff)

Die Entwicklung der Führungsaufsicht seit ihrem Inkrafttreten am 01.01.1975

Zunächst führte die Führungsaufsicht ein Schattendasein, wurde sie doch im Rahmen der grundlegenden Reformen von 1975 erheblich beschränkt. Spektakuläre Verfahren, in denen es auch um sexuellen Missbrauch an Kindern ging, ließen Mitte bzw. Ende der 1990er Jahre ein hochsensibles kriminalpolitisches Klima entstehen und es kam zu einer Neubelebung der Diskussion um die Führungsaufsicht. 1998 wurde das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten verkündet. Der Anwendungsbereich der Führungsaufsicht wurde erweitert, die Vollverbüßerregelung des § 68 f I StGB für Sexualstraftäter verschärft und eine Sanktion bei Verweigerung einer therapeutischen Heilbehandlung eingeführt, wobei nun das Instrument der zeitlich unbefristeten Führungsaufsicht besteht. (vgl. Kwaschnik 2008, 95ff)

Die Neuerungen der Strafrechtsreform 2007

Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht ist nach langen Vorarbeiten am 18.04.2007 in Kraft getreten. Es galt eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Regelungen des Instruments der Führungsaufsicht zu schaffen, darüber hinaus ist die Schaffung eines neuen Instrumentariums der Krisenintervention (§ 67h StGB) hervorzuheben (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung) Als weitere Neuerungen wurden im (strafbewehrten) Weisungskatalog ein Kontakt- sowie Suchtmittelverbot mit Kontrollen aufgenommen sowie die Vorstellungsweisung. Im Zuge dessen wurde die forensische Ambulanz als neue Akteurin geschaffen. Der Strafrahmen für Weisungsverstöße wurde auf drei Jahre erhöht, die Möglichkeit einer unbefristeten Führungsaufsicht als Sanktion bei Verstoß gegen Therapieweisung geschaffen (Desseker in Bewährungshilfe 2011, 267ff)

Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010

Am 01.01.2011 ist o.g. Gesetz in Kraft getreten, welches neben grundlegender Neuordung der Sicherungsverwahrung auch Regelungen zur Führungsaufsicht beinhaltet. Es wurde eine weitere, neuartige Weisung eingeführt, die die elektronische Aufenthaltsüberwachung des Betroffenen vorsieht (§68 Abs.1 Nr. 12 StGB). Die Zuständigkeit liegt bei den Ländern. Zudem gibt es nun die unbefristete Führungsaufsicht nach §68 c Abs. 3 S. 2 StGB auch für Gewaltstraftäter.

Statistik

Da in der Strafverfolgungsstatistik die Führungsaufsicht nur erfasst wird, wenn sie vom erkennenden Gericht angeordnet wird, ist die Datenlage unbefriedigend. In einer Länderbefragung hat der DBH-Fachverband die Zahlen zur Führungsaufsicht (ab 2008 bundesweit erfasst) zusammengestellt. 2010 konnten 29.495 Fälle gezählt werden. Gegenüber dem Vorjahr (27.093 Fälle) ist eine Steigerung von ca.9 %, gegenüber 2008 (24.818 Fälle) eine Steigerung von ca. 19% festzustellen. Der größte Anteil der Führungsaufsichtsfälle stellt die Gruppe der Vollverbüßer dar (vgl. Böhm 2008, 51)

Weiterführende Konzeptionen im Zusammenhang mit Führungsaufsicht

Im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht haben sich in den einzelnen Bundesländern Projekte entwickelt, die Rückfallgefährdete unter besondere Beobachtung stellen mit dem Ziel der Verringerung des Rückfallrisikos. HEADS (Bayern, Brandenburg, Bremen), ARGUS (Hessen), KURS (Baden Württemberg, Nordrhein-Westfalen) u.a. zielen dabei überwiegend auf Sexual- und Gewaltstraftäter die unter Führungsaufsicht stehen (vgl. Desseker 2011)

Kriminologische Relevanz

Seit ihrer Einführung war die Führungsaufsicht Kritik ausgesetzt, die sich im Spektrum zwischen der Forderung nach Abschaffung und dem Vorwurf der Zahnlosigkeit, begleitet vom Ruf nach Verschärfung, bewegte. In einem wechselvollen Gesetzgebungsverfahren wurde schließlich zuletzt mit den beiden Reformgesetzen von 2007 und 2011 die Führungsaufsicht gestärkt (Morgenstern 2006, 2) Für letzteres kann als Hintergrund das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren M. gegen Deutschland gesehen werden (vgl. Bejzak 2012, 2) Aufgrund dieses Urteils war damit zu rechnen, dass gefährliche, insbesondere Gewalt- und Sexualstraftäter alsbald aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen sein würden und die Betroffenen dann unter Führungsaufsicht stehen. Die Führungsaufsicht soll eine nachsorgende Betreuung von Verurteilten schaffen, deren gesellschaftliche Resozialisierung nach Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug aus unterschiedlichen Gründen gefährdet erscheint und im besonderen Maße der Kontrolle und Begleitung bedürfen. Der Führungsaufsicht kommt aufgrund der jüngsten Entwicklungen eine erhebliche kriminalpolitische als auch – im Hinblick auf die gestiegenen Anwendungszahlen – eine große praktische Bedeutung zu. (vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 16/1993). In Übereinstimmung der wesentlichen Akteure der Gesetzgebung wird das Institut der Führungsaufsicht als sozial- und kriminalpolitischer Fortschritt gesehen (vgl. Böhm ,55). Gleichzeitig erheben sich jedoch auch kritische Stimmen, die die Gefahr des Wandels der Führungsaufsicht wieder hin zur Polizeiaufsicht sehen. (vgl. Desseker 2011, Morgenstern 2006, Schneider 2007).

Literatur

  • Kwaschnik, Sebastian: Die Führungsaufsicht im Wandel. Dissertation Hamburg 2008.
  • Jacobsen, H.-Folke Dr.: „Forschungsergebnisse zum Themenkomplex Führungsaufsicht“. In: Christian Dertinger; Erich Marks (Hg.): Führungsaufsicht: Versuch einer Zwischenbilanz zu einem umstrittenen Rechtsinstitut. Bonn 1990.
  • Peter Floerecke: Die Entstehung der Gesetzesnormen zur Führungsaufsicht. Die Gesetzgebung von 1962 bis 1975 und die Anwendungspraxis der Führungsaufsicht. Bonn 1989.
  • Fernholz-Niemeyer, Doris: Die Pönalisierung von Weisungsverstößen im Rahmen der Führungsaufsicht. Dissertation Münster 1992.
  • Dessecker, Axel: „Die Wandlungen der Führungsaufsicht“. In: Bewährungshilfe –Soziales-Strafrecht-Kriminalpolitik Nr. 3, 2011, 267-279.
  • Morgenstern, Christine: „Neues zur Führungsaufsicht“. In: Neue Kriminalpolitik Nr. 18 2006, S. 152-154.
  • Schneider, Ursula: „Die Reform der Führungsaufsicht“. In: Neue Zeitschrift für Strafrecht Nr.8 2007, 441
  • Böhm, Bernhard: "Gesetzliche Umsetzung: Reform der Führungsaufsicht" in: DBH Materialien Nr.61 2008, 50-61

Weblinks