In seiner gesellschaftsbezogenen Verwendung bedeutet der Begriff Exklusion (lat.: exclusio: Ausschluss; Gegenbegriff lat.: inclusion: Einschließung) soviel wie "sozialer Ausschluss" oder "soziale Ausschließung/Ausgrenzung". Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Janusköpfigkeit der [[soziale]n [Schließung]] (Zugehörigkeit der einen bedeutet Nicht-Zugehörigkeit der anderen; Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Einheiten bedeutet Nicht-Zugehörigkeit zu anderen) - also auf die Tatsache, dass jede soziale Schließung für die Nicht-Dazugehörigen einen Entzug, bzw. eine Verweigerung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Teilhabechancen bedeutet.

Sowohl Exklusion als auch der Konflikt darüber sind integraler Bestandteil menschlicher Gesellschaften. Völlig exklusionsfreie menschliche Gesellschaften sind nicht bekannt. Der zeitgenössische Exklusionsdiskurs in den Wissenschaften betrifft nicht zuletzt die Frage, ob (und ggf. wie) sich die Globalisierung auf Phänomene des sozialen Ausschlusses bzw. der Ausschließung auswirken. Während überwiegend eine dramatische Verschärfung von Exklusionsprozessen konstatiert wird, resultieren der heutige Ausschließungsdikurs und sein "diakonischer" Charakter nach einer anderen Ansicht aber eben nicht aus der Zunahme von Exklusionsprozessen, sondern im Gegenteil "aus der Tatsache, dass eine durchgehende historische Tendenz in Richtung Inklusionsgleichheit die Sensibilität für Exklusionen erhöht hat" (vgl. Hess 2009).

Typologie

In ihren Ursprüngen, Funktionen, Legitimationen und Folgen sind die Phänomene der Exklusion so vielfältig, dass eine Unterscheidung von Grundformen sowohl für die Beschreibung und Analyse als auch für die Bewertung von Exklusionen nützlich sein kann.

Verweigerung vs. Entzug der Zugehörigkeit

Eine defensive Form der Exklusion besteht in der Weigerung, eine soziale Einheit für Außenstehende, die dazu gehören wollen, zu öffnen (= soziale Ausschließung). Eine offensive Form der Exklusion besteht in der aktiven Beendigung der Zugehörigkeit durch z.B. Rausschmiss, Kündigung, Aberkennung, Exkommunikation, Elimination (= sozialer Ausschluss).

Soziale Ausschließung: Exklusion durch Verweigerung

Exklusion kann bedeuten: die Zugehörigkeit zu einer sozialen Einheit wird verweigert. Personen(gruppen) werden "draußen gehalten", sie "bleiben außen vor". Als Kehrseite der sozialen Schließung kann man die Exklusion durch Verweigerung der Zugehörigkeit als soziale Ausschließung bezeichnen. Die soziale Ausschließung verteidigt gewissermaßen einen Status Quo gegen diejenigen Interessen und Personen, die ebenfalls "dazugehören" wollen. Einen Aspekt der Veränderung enthält die soziale Ausschließung, wenn sie Zugehörigkeitskriterien für die Zukunft verändert, also z.B. die Zulassungsbedingungen für eine bestimmte Laufbahn "verschärft" (Abitur statt Mittlere Reife).

Sozialer Ausschluss: Exklusion durch Entzug

Exklusion kann bedeuten: die Zugehörigkeit zu einer sozialen Einheit wird entzogen. Diese Art der Exklusion kann man auch als sozialen Ausschluss bezeichnen. Ein solcher sozialer Ausschluss greift in den Status Quo bestehender Positionen, Rechte und "Selbstverständlichkeiten" ein und provoziert regelmäßig Gegenwehr und/oder Fragen nach der Legitimation der entsprechenden Prozesse und Maßnahmen.

Formelle Exklusion

Ausschließung (= Ausgrenzung)

Formell ist eine Exklusion im Sinne sozialer Ausschließung, wenn rechtliche Regelungen den Kreis der Berechtigten eingrenzen - etwa nach Maßgabe formaler Bildung, ethnischer Abstammung, familiärer Stellung oder finanzieller Leistungsfähigkeit.

Ausschluss (= Ausstoßung)

Formell im Sinne sozialen Ausschlusses ist eine Exklusion, wenn eine Person(engruppe) aufgrund von Satzungsbestimmungen, Gesetzen oder anderen rechtlichen Regeln bei (vorgeblichem) Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Zugehörigkeit zu einer sozialen Einheit - einem Staat, einer Religionsgemeinschaft, einem Verein oder einem Wirtschaftsunternehmen etc. - entzogen wird (Entlassung, Rausschmiss, Exkommunikation, Ausbürgerung...).

Informelle Exklusion

Ausschließung ( = Ausgrenzung)

Informelle Ausgrenzung kann durch nicht explizit formulierte Einstellungen erfolgen, etwa bei Vorliegen einer gemeinsamen Abneigung von Mitgliedern einer Clique gegenüber jemandem, der gerne dazu gehören würde. Sie kann aber auch Folge des Fehlens bestimmter Mittel oder Merkmale sein, die für die Teilnahme als erforderliche angesehen werden. In einer Zeit steigender Mietpreise bei gleichzeitig steigender Armut und Arbeitslosigkeit wird der Anteil der vom Wohnungsmarkt ausgegrenzten zunehmen.

Ausschluss ( = Ausstoßung)

Informelle Ausstoßung erfolgt dann, wenn bestimmte zugehörigkeitsermöglichende Mittel (wie z.B. Einkünfte, Jugendlichkeit, Schönheit) verloren gehen - man wird arbeitslos, alt, unattraktiv. Das führt dazu, dass man aus sozialen Zusammenhängen herausfällt, die auf dem Vorhandensein dieser Merkmale und Mittel aufbauen. Man verliert Kontakte und stößt bei Wiederanknüpfungsversuchen auf Widerstände. Wer aus einer sozialen Einheit herausfällt oder herausgestoßen wird, muss deswegen noch lange nicht aus anderen Kontexten herausfallen. Es ist aber möglich, dass eine Art Dominoeffekt eintritt und auf den ersten Ausschluss weitere folgen.

Manifestationen

Exklusion kann sich in räumlicher Absonderung der Betroffenen (z.B. Ghetto) niederschlagen.

Tendenzen

Die jüngere, stark von Frankreich ("exclusion") und den USA ("underclass") geprägte Diskussion behandelt nicht zuletzt die Frage, ob und aus wessen Sicht die Exkludierten noch eine ökonomisch oder sozial bedeutsame Funktion erfüllen, oder ob diese als gänzlich "Überflüssige" von kompletter Vernachlässigung bedroht sind. Auch wird vielfach angenommen, dass die jüngste Phase der Globalisierung zu einer Verschärfung der Exklusionsphänomene geführt habe. Gelegentlich wird die lebhafte Kritik an aktuellen Exklusionsprozessen jedoch auch ganz im Gegenteil als Ausdruck einer ungebrochenen Inklusionstendenz interpretiert: je stärker der Drang zur All-Inklusion, desto intensiver die Kritik an verbleibenden Ausschlussphänomenen (Hess 2009).

Verwandte Begriffe

Desaffiliation: Robert Castel kritisiert den inflationären Gebrauch des Begriffs der Exklusion. Während der Begriff der Exklusion traditionell einen klaren Schnitt und eine Totalisierung der Nicht-Zugehörigkeit bezeichnet, zieht Castel für die heute so genannten Prozesse den Begriff der desaffiliation, d.h. der Ausgliederung durch den Verlust von Bindungen, vor. Personen fallen z.B. aus dem Arbeitsmarkt aufgrund technologischer Veränderungen heraus, ohne dass die Ausgliederung eine soziale Schließung des Arbeitsmarkts voraussetzt.


Literatur

  • Bauman, Zygmunt (2005) Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne. Hamburg: Hamburger Edition ISBN 3-9360-9657-0
  • Bude, Heinz (2008) Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft. München.
  • Bude, Heinz, Andreas Willisch, Hrsg. (2006) „Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte, Entbehrliche, Überflüssige“. Hamburg: Hamburger Edition ISBN 978-3-936096-69-9
  • Castel, Robert (2000) Die Fallstricke des Exklusionsbegriffs. Mittelweg 36, 9.Jg., H3: 11-25.
  • Hess, Henner (2009) Seid umschlungen, Millionen. Das eherne Gesetz der zunehmenden Inklusion. Unv. Manuskript. Heidelberg.
  • Kronauer, Martin (2002) Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus, Frankfurt am Main/New York.
  • Leisering, Lutz (2004) Desillusionierung des modernen Fortschrittglaubens. „Soziale Exklusion“ als gesellschaftliche Selbstbeschreibung und soziologisches Konzept, in: Schwinn, Thomas (Hrsg.): Differenzierung und soziale Ungleichheit, Frankfurt am Main: 238-268.
  • Luhmann, Niklas (1995) Inklusion und Exklusion, in: ders.: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen: 237-264.

Weblinks

  • Exklusion in Wikipedia deutsch: [[1]]
  • Exclusion sociale in Wikipedia frz.: [[2]]