Ehrenmord: Unterschied zwischen den Versionen

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Als Ehrenmord bezeichnet man die zur Wiederherstellung der Reputation des Täters bzw. seines (Familien-) Verbandes erfolgende Tötung desjenigen Menschen, der für die Verletzung der Reputation verantwortlich gemacht wird. Das Phänomen des Ehrenmordes ist charakteristisch für traditionale agrarische Gesellschaften, wo insbesondere die Verletzung sexueller Verhaltensnormen durch weibliche Familienmitglieder als todeswürdige Verletzung der Familienehre sanktioniert werden kann. Die Tötung erfolgt häufig in der Öffentlichkeit und auf besonders grausame Art und Weise durch ein (von der Familie bestimmtes) Mitglied der vom Ehrverlust betroffenen Familie. Täter sind meist männlichen, Opfer meist weiblichen Geschlechts.   
Als '''Ehrenmord''' bezeichnet man die Tötung eines Menschen, der für eine Verletzung der Reputation verantwortlich gemacht wird. Das Phänomen des Ehrenmordes ist charakteristisch für traditionale agrarische Gesellschaften, wo insbesondere die Verletzung sexueller Verhaltensnormen durch weibliche Familienmitglieder als todeswürdige Verletzung der Familienehre sanktioniert werden kann. Die Tötung erfolgt häufig in der Öffentlichkeit und auf besonders grausame Art und Weise durch ein (von der Familie bestimmtes) Mitglied der vom Ehrverlust betroffenen Familie. Täter sind meist männlichen, Opfer meist weiblichen Geschlechts.
 
Weltweit fordern Ehrenmorde eine unbekannte Zahl von Opfern (Schätzungen rangieren zwischen 10.000 und 100.000 pro Jahr).   




== Begriff ==
== Begriff ==


In Sozialverbänden, für die die Ehre den höchsten Wert und das wichtigste "soziale Kapital" (Bourdieu) darstellt, werden Verletzungen der Ehre mit den jeweils schärfsten Sanktionen bestraft, häufig mit einer demonstrativ grausamen öffentlichen Tötung, die von den Tätern als legitim erachtet und deshalb nicht als "Mord" bezeichnet werden, sondern als Bestrafung zur Wiederherstellung der durch das Opfer "beschmutzten" Ehre. Der Begriff des Ehrenmordes ist deshalb eine Fremdbezeichnung, keine Bezeichnung, die von den Akteuren selbst benutzt wird.
In Sozialverbänden, für die die Ehre den höchsten Wert und das wichtigste "soziale Kapital" (Bourdieu) darstellt, werden Verletzungen der Ehre mit den jeweils schärfsten Sanktionen bestraft, häufig mit einer demonstrativ grausamen öffentlichen Tötung, die von den Tätern als legitim erachtet und deshalb nicht als "Mord" bezeichnet werden, sondern als Bestrafung zur Wiederherstellung der durch das Opfer "beschmutzten" Ehre.
 
Der Begriff des Ehrenmordes ist deshalb eine Fremdbezeichnung, keine Bezeichnung, die von den Akteuren selbst benutzt wird.
 
2005 wurde "Ehrenmord" zum "Unwort des Jahres" gewählt.
 
Das Bundeskriminalamt definiert Ehrenmorde als "Tötungsdelikte, die aus vermeintlich kultureller Verpflichtung heraus innerhalb des eigenen Familienverbandes verübt werden, um der Familienehre gerecht zu werden."


== Umfang und Erscheinungsformen ==
== Umfang und Erscheinungsformen ==
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=== Türkei ===
=== Türkei ===
In der Türkei werden Ehrenmorde zwar auch in den Großstädten begangen, doch gehören die Täter meistens bestimmten Milieus von innertürkischen Migranten - insbesondere demjenigen der Kurden aus armen ruralen Gebieten Ost- und Südanatoliens - an (Yazgan 2009).
== Alternativen ==
In der Praxis gibt es folgende Alternativen zum Ehrenmord:
* Geheimhaltung der Information, die zu Ehrverlust führen könnte (z.B. einer Vergewaltigung)
* Verheiratung (z.B. möglichst schnelle Verheiratung eines Mädchens, dessen Ehrhaftigkeit problematisiert wird)
* Räumliche Trennung (z.B. Verstoßen der gefährdeten Person; Umzug einer ganzen Familie; oder: Wegschicken der gefährdeten Person zu entfernten Verwandten, bis Gras über die Angelegenheit gewachsen ist)
* Warnung (z.B. verbal oder praktisch, etwa durch Abschneiden der Nase = Warnung vor Ehrenmord beim nächsten Mal)
* Suizid der gefährdeten Person
* Schadensersatz (z.B. Zahlung einer hohen Summe an die Familie einer entführten Braut)
* Akzeptanz der Ehrverletzung (z.B., wenn sich die Ehrverletzung so gut auszahlt, dass ein Ehrenmord zu hohe Kosten verursachen würde - wenn also z.B. ein reicher Geliebter einer Witwe, mit der er ein Verhältnis beginnt, ein Studium finanziert)


== Literatur ==
== Literatur ==
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*Warraich, S. (2005): Honour killings and the law in Pakistan, in: Welchman, L. / Hossein, S., ‘Honor’-Crimes, Paradigms and Violence Against Women. London: Zed Books, 78-110.
*Warraich, S. (2005): Honour killings and the law in Pakistan, in: Welchman, L. / Hossein, S., ‘Honor’-Crimes, Paradigms and Violence Against Women. London: Zed Books, 78-110.
*Yazgan, Ayfer (2009) Ehrenmorde in der Türkei. Eine Pilotstudie anhand der Berichterstattung im Jahre 2005. Unv. Diss. Hamburg (FB Sozialwissenschaften).


== Filme ==
== Filme ==


*Zur Ehe gezwungen. Ein Film von Renate Bernhard und Sigrid Dethloff. http://www.mdr.de/nah_dran/1835777.html
*Zur Ehe gezwungen. Ein Film von Renate Bernhard und Sigrid Dethloff. http://www.mdr.de/nah_dran/1835777.html
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