Edwin Sutherland: Unterschied zwischen den Versionen

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Edwin Hardin Sutherland (* 13. August 1883 in Gibbon/Nebraska; † 11. Oktober 1950 in Bloomington/Indiana) war Soziologe und Kriminologe und zählt zu den bedeutesten Vertretern der amerikanischen Kriminologie
Edwin Hardin Sutherland (* 13. August 1883 in Gibbon/Nebraska; † 11. Oktober 1950 in Bloomington/Indiana) war Soziologe und Kriminologe und zählt zu den bedeutsamten Kriminologen des 20. Jahrhunderts.




== '''Leben''' ==
== '''Leben''' ==


Sutherland wuchs in Ottawa/Kansas und Grand Island/Nebraska auf. Seine akademische Laufbahn war als Sohn eines Hochschulpräsidentenbereit determiniert. 1904 erwarb er den B.A.-Grad am Grand Island College. Danach unterrichtete er zunächst für zwei Jahre Latain, Griechisch, Geschichte und Stenographie am Sioux Fall College/South Dakota.  
Als Sohn eines College Präsidenten wuchs Sutherland in Ottawa/Kansas und Grand Island/Nebraska auf. 1904 erwarb er den B.A.-Grad am Grand Island College. Danach unterrichtete er zunächst für zwei Jahre Latain, Griechisch, Geschichte und Stenographie am Sioux Fall College/South Dakota.  


1906 ging Sutherland an die University of Chicago und studierte Soziologie. Es folgte 1913 die Promotion zum Doktor der Philosphie (PhD). Auch er wurde vom ökologischen Ansatz der Chicagoer Schule geprägt.
1906 ging Sutherland an die University of Chicago und studierte Soziologie. Es folgte 1913 die Promotion zum Doktor der Philosphie (PhD). Auch er wurde vom ökologischen Ansatz der Chicagoer Schule geprägt.
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=== Theorie der differentiellen Kontakte ===
=== Theorie der differentiellen Kontakte ===


'''Inhalt'''


Sutherland geht davon aus, das kriminelles Verhalten in Interaktion mit anderen Personen in einem Kommunikationsprozess gelernt wird. Aus dieser Annahme erklärt sich der Name der Theorie: Unter Kontakte, die teilweise mit Assoziationen übersetzt werden sind Kontakte zu anderen Personen bzw. Verhaltensmustern gemeint. Das Erlernen krimineller Verhaltensweisen findet nach Sutherland hauptsächlich in kleinen persönlichen Gruppen statt. Den Medien misst er nur eine relativ unbedeutende Rolle bei der Entstehung kriminellen Verhaltens bei.  
Sutherland geht davon aus, das kriminelles Verhalten in Interaktion mit anderen Personen in einem Kommunikationsprozess gelernt wird. Aus dieser Annahme erklärt sich der Name der Theorie: Unter Kontakte, die teilweise mit Assoziationen übersetzt werden, sind Kontakte zu anderen Personen bzw. Verhaltensmustern gemeint. Das Erlernen krimineller Verhaltensweisen findet nach Sutherland hauptsächlich in kleinen persönlichen Gruppen statt. Den Medien misst er nur eine relativ unbedeutende Rolle bei der Entstehung kriminellen Verhaltens bei.  


Wichtig ist für Sutherland, was gelernt werden muss, damit es zu kriminellem Verhalten kommt. Für ihn schließt das Lernen kriminellen Verhaltens zweierlei ein: das Erlernen der Techniken zur Ausführung des Verbrechens und das Erlernen der spezifischen Richtung von Motiven, Trieben, Rationalisierungen (d. h. verstandesmäßigen Rechtfertigungen) und Attitüden (Einstellungen). Welche spezifische Richtung die Motive und Triebe nehmen, ob sie also mehr zu normkonformem oder zu normabweichendem Verhalten drängen, ist dabei von der Bedeutung abhängig, die die unmittelbare Umgebung des Betreffenden den Rechtsnormen beimisst. Aus diesen Vorüberlegungen leitet Sutherland seine zentrale These ab:
Wichtig ist für Sutherland, was gelernt werden muss, damit es zu kriminellem Verhalten kommt. Für ihn schließt das Lernen kriminellen Verhaltens zweierlei ein: das Erlernen der Techniken zur Ausführung des Verbrechens und das Erlernen der spezifischen Richtung von Motiven, Trieben, Rationalisierungen (d. h. verstandesmäßigen Rechtfertigungen) und Attitüden (Einstellungen). Welche spezifische Richtung die Motive und Triebe nehmen, ob sie also mehr zu normkonformem oder zu normabweichendem Verhalten drängen, ist dabei von der Bedeutung abhängig, die die unmittelbare Umgebung des Betreffenden den Rechtsnormen beimisst. Aus diesen Vorüberlegungen leitet Sutherland seine zentrale These ab:
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Er geht dabei davon aus, dass jeder Mensch sowohl kriminalitätsbegünstigende als auch konformes Verhalten begünstigende Kontakte habe (dies ist mit dem Begriff der „differentiellen“ Kontakte gemeint), und dass es für die Frage, ob ein Mensch selbst kriminell werde, auf das Überwiegen der kriminalitätsbegünstigenden Kontakte ankomme. Welche Art von Kontakten überwiege, sei von der Häufigkeit, Dauer, Priorität und Intensität der Kontakte abhängig.  
Er geht dabei davon aus, dass jeder Mensch sowohl kriminalitätsbegünstigende als auch konformes Verhalten begünstigende Kontakte habe (dies ist mit dem Begriff der „differentiellen“ Kontakte gemeint), und dass es für die Frage, ob ein Mensch selbst kriminell werde, auf das Überwiegen der kriminalitätsbegünstigenden Kontakte ankomme. Welche Art von Kontakten überwiege, sei von der Häufigkeit, Dauer, Priorität und Intensität der Kontakte abhängig.  
'''Kritik'''


Empirisch ist die Theorie nur schwer zu überprüfen, da Sutherland keine genauen Angaben dazu macht, wie die kriminalitätsbegünstigenden Kontakte beschaffen sein müssen, damit sie die gegenläufigen, konformes Verhalten begünstigenden Kontakte überwiegen. Der vage Hinweis auf „Häufigkeit, Dauer, Priorität und Intensität“ lasst offen, wie sich diese Kategorien zueinander verhalten. Auch in theoretischer Hinsicht ist die Theorie Einwänden ausgesetzt, denn sie lässt offen, wie die kriminalitätsbegünstigenden Kontakte zustande kommen. Sozialstrukturelle Aspekte, wie sie insbersondere von der Anomietheorie thematisiert worden sind, werden von Sutherland vernachlässigt. Zudem fällt es schwer, mit Sutherlands Theorie die Kriminalität von solchen Tätern zu erklären, die allenfalls über geringe Kontakte zum kriminalitätsbegünstigenden Milieu verfügen; angesprochen ist insbesondere der Bereich der Wirtschaftskriminalität, der wesentlich durch rein ökonomische Überlegungen und Gewinnerwartungen geprägt ist. Der gewichtigste Einwand, der sich aus heutiger Sicht gegen Sutherlands Theorie erheben lässt, geht indessen dahin, dass ihr jeder Bezug zu den Prinzipien fehlt, die die allgemeine Lernpsychologie  zur Erklärung von Lernvorgängen entwickelt hat. Diesem Einwand trägt erst die erst später entwickelte Theorie des sozialen Lernens von Akers Rechnung.  
Empirisch ist die Theorie nur schwer zu überprüfen, da Sutherland keine genauen Angaben dazu macht, wie die kriminalitätsbegünstigenden Kontakte beschaffen sein müssen, damit sie die gegenläufigen, konformes Verhalten begünstigenden Kontakte überwiegen. Der vage Hinweis auf „Häufigkeit, Dauer, Priorität und Intensität“ lasst offen, wie sich diese Kategorien zueinander verhalten. Auch in theoretischer Hinsicht ist die Theorie Einwänden ausgesetzt, denn sie lässt offen, wie die kriminalitätsbegünstigenden Kontakte zustande kommen. Sozialstrukturelle Aspekte, wie sie insbersondere von der Anomietheorie thematisiert worden sind, werden von Sutherland vernachlässigt. Zudem fällt es schwer, mit Sutherlands Theorie die Kriminalität von solchen Tätern zu erklären, die allenfalls über geringe Kontakte zum kriminalitätsbegünstigenden Milieu verfügen; angesprochen ist insbesondere der Bereich der Wirtschaftskriminalität, der wesentlich durch rein ökonomische Überlegungen und Gewinnerwartungen geprägt ist. Der gewichtigste Einwand, der sich aus heutiger Sicht gegen Sutherlands Theorie erheben lässt, geht indessen dahin, dass ihr jeder Bezug zu den Prinzipien fehlt, die die allgemeine Lernpsychologie  zur Erklärung von Lernvorgängen entwickelt hat. Diesem Einwand trägt erst die erst später entwickelte Theorie des sozialen Lernens von Akers Rechnung.  


'''Fortentwicklung'''


Suhterlands Theorie wurde vielfach fortentwickelt. Hinzuweisen ist dabei auf die Therorie der Neutralisationstechniken von Gresham Sykes und David Matza sowie auf die Therorie des sozialen Lernens von Roland Akers.


=== White Collar Crime (WCC)===
=== White Collar Crime (WCC)===


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