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Das Knast-Camp - in einigen Flugblättern auch als "Rote Knastwoche" angekündigt - war eine Aktion von APO-Mitglieder und Sympathisanten, die vom 15. bis zum 19. Juli 1969 im oberfränkischen Ort Ebrach (Lkrs Bamberg), in angrenzenden Gemeinden und Bamberg stattfand.

Vorgeschichte

Anlass für das Knast-Camp war die Inhaftierung des 22-jährigen Münchner Studenten und SDS-Mitglieds Reinhard Wetter, der wegen Aufruhrs und Landfriedensbruchs zu 9 Monaten Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Nach einem Monat Haft in der JVA Stadelheim/München wurde er in die Jugendstrafanstalt in Ebrach verlegt, wo er noch sechs Monate seiner Strafe verbüßte.

Bereits am 15. Mai 1969 kamen etwa 80 Menschen nach Ebrach, um Reinhard Wetter mit Holzbohlen und Rammböcken aus der Justizvollzugsanstalt symbolisch zu befreien.[1] Nach den unbefriedigenden Ergebnissen dieses Aktionstages plante man für die Woche vom 15. bis 21. Juli 1968 eine zweite, größere Veranstaltung in Ebrach.

Organisatoren

Die Initiative für das Knast-Camp ging von Fritz Teufel aus, dessen Mitbewohner Reinhard Wetter war. Nach der missglückten Solidaritätsaktion vom 15. Mai 1969 organisierte seine Münchner Kommune "Wacker Einstein" zusammen mit der Münchner Rechtshilfe der APO das Ebracher Knast-Camp. Als lokale Mitveranstalter trat der Bamberger Politladen "Smash" auf. Um diesmal mehr Aktivisten nach Ebrach zu locken, nahm Teufel zu den Mitgliedern seiner ehemaligen Berliner Kommune 1 Kontakt auf.[2] "Der Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen", wie sich die Gruppe um die ehemaligen Kommune 1-Mitglieder Dieter Kunzelmann,Thomas Weisbecker oder Ingrid "Ina" Siepmann in der Zwischenzeit nannte, mobilisierte weitere APO-Aktivisten aus Berlin.

Beteiligte

Im Lauf der Woche kamen zwischen 120 und 150 Menschen aus dem APO-Umfeld zu der Veranstaltung zusammen, vor allem aus München, Berlin, Frankfurt und Bamberg. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren auch viele, die dem militanten Flügel der linken Szene zuzurechnen waren: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, die künftigen Anführer der Roten Armee Fraktion (RAF), Brigitte Mohnhaupt, Irmgard Möller, Juliane Plambeck , Rolf Heißler und Astrid Proll. Dazu die verbliebenen Mitglieder der Berliner Kommune 1, der aus Bamberg stammende Dieter Kunzelmann, Georg von Rauch, Thomas Weisbecker und Ina Siepmann. Aus Rom waren außerdem einige italienische Gesinnungsgenossen von den "Ucelli" angereist.

Ablauf

In Erwartung der neuerlichen APO-Aktivitäten in Ebrach, die durch diverse Aushänge und Flugblätter im Vorfeld der Veranstaltung auch den politisch Verantwortlichen bekannt waren, reagierte das zuständige Landratsamt Bamberg. Landrat Otto Neukum (CSU) erließ eine Kreisverordnung, die "wildes Zelten" grundsätzlich untersagte. Die Organisatoren hatten im Vorfeld zwar von einem Landwirt in Obersteinach (Ldkr Bamberg) eine Wiese gepachtet, die Kreisverordnung forderte aber nun für die Errichtung eines Zeltlagers das Vorhandensein von sanitären Einrichtungen. Aus diesem Grund - und wegen der Androhung einer Geldstrafe von 2000,- DM - zog der Landwirt kurzfristig seine Genehmigung zurück[3]

Dienstag, 15. Juli 1969

Am 15. Juli wartete bereits die bayerische Bereitschaftspolizei vor der geplanten Zeltwiese auf die ersten Camp-Teilnehmer. Im Laufe des Tages irrten 35 Fahrzeuge mit etwa 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf Quartiersuche durch den südwestlichen Landkreis Bamberg und die angrenzenden Landkreise Scheinfeld und Gerolzhofen. Auch die Gruppe aus Berlin stieß im Laufe des Tages dazu, angeführt von Dieter Kunzelmann und Tommy Weisbecker in einem neuen Ford-Bus, den sie vom AStA der TU Berlin organisiert hatten. [4] Schließlich lagerte der größte Teil der Gruppe mit Genehmigung des Besitzers auf einer Wiese bei Füttersee (Ldkr Scheinfeld). Am Abend zeigte man erstmals in Ebrach Präsenz; eine kleine Schar APO-Aktivisten zog mit roten Fahnen um die Justizvollzugsanstalt und diskutierte mit der Dorfbevölkerung.

Mittwoch, 16. Juli 1969

Die Überlegungen des Landrats, die Camp-Teilnehmer würden durch die Maßnahmen des Landratsamts demoralisiert wieder abreisen, erfüllten sich nicht. Der ganze Aktion begann nur, sich zu verlagern. Am Morgen des 16. Juli 1969 brach eine Gruppe von sieben oder acht Autos in das 25 km entfernte Bamberg auf, um das Gespräch mit dem Landrat Neukum zu suchen. Von der Polizei verfolgt und unter Umgehung der Strassensperren auf den Zufahrtsstraßen - dank der Ortskenntnisse von Dieter Kunzelmann - erreichte man Bamberg zur Mittagszeit. Gegen 12.20 Uhr, während der Mittagspause, strömten etwa 40 Camper ins Landratsamt. Man gelangte bis in das Vorzimmer des Landrats, verlangte mit dem Landrat zu sprechen, der sich aber nicht vor Ort befand. Schließlich drang ein Teil der Gruppe in das Büro des Landrats ein, öffnete Aktenschränke und warf Schriftstücke aus dem Fenster. In den Lichthof des Landratsamts wurden "Freiheit für Wetter"-Flugblätter geworfen.

Die vom Pförtner verständigte Polizei begann um 12.30 Uhr, das Landratsamt von den APO-Leuten zu räumen. 39 "Besetzer" wurden festgenommen. Die Festgenommenen wurden auf Lastwagen der Bereitschaftspolizei verladen und dann in das Polizeipräsidium transportiert. Bei einer Versammlung von Camp-Teilnehmern vor dem Polizeipräsidium am Nachmittag - man wollte Kontakt zu den Inhaftierten aufnehmen und Lebensmittel vorbeibringen - kam es zu einer weiteren Festnahme: Dieter Kunzelmann - der von Zeugen als Anführer des "Sturms auf das Landratsamt" erkannt worden war - wurde in Gewahrsam genommen.

Die APO war aber an diesem Tag nicht nur im Landratsamt aktiv. Am Vormittag hatten 15 "Knast-Camper" eine Berufungsverhandlung gegen drei Studenten besucht, die nach der Teilnahme an einem Sit-in gegen den Vietnam-Krieg zu je vier Monaten Gefängnis verurteilt worden waren. Das Gericht ließ den Saal räumen. Zwei Demonstranten wurden dabei wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vorläufig festgenommen[5].

Donnerstag, 17. Juli 1969

Am Vormittag zogen kleinere Gruppen durch die Stadt und verteilten ein Solidaritätsflugblatt mit dem Aufruf "Schüler, Lehrlinge, Jungarbeiter, zerschlagt den Terror", dass die Schülergruppe des Bamberger Franz-Ludwig-Gymnasiums verfasst hatte.[6] Im Bamberger Gefängnis in der Sandstraße waren unterdessen drei Richter, zwei Staatsanwälte und zwei Kriminalbeamte mit der Vernehmung der Festgenommenen beschäftig. Als ab 14.00 Uhr die Haftprüfungstermine begannen, waren bereits über 100 APO-Sympathisanten vor dem Gefängnis versammelt. Jeder, der aus dem Gefängnistor in die Freiheit kam, wurde mit lautem Beifall empfangen. Am frühen Abend zogen sich die Camp-Teilnehmer zum großen Teil wieder aus Bamberg zurück. In einem Konvoi von 20 Fahrzeugen, die mit Plakate bestückt waren, die zu einer Demonstration in Ebrach am 19. Juli aufriefen, fuhr man wieder nach Füttersee auf die Wiese. Dort verbrachte man - im Freien kampierend und von "Bereitschaftspolizei umzingelt"[7] - die Nacht.

Freitag, 18. Juli 1969

Der vierte Tag des Knast-Camps war bestimmt von der zunehmend ablehnenden Haltung der Bevölkerung, sowohl auf dem Land in Ebrach und Umgebung, als auch in der Stadt Bamberg. Die Stimmung in der Bevölkerung war aufgeheizt, zum Teil durch Aussagen verschiedener Politiker, zum Teil auch durch die Berichterstattung in der lokalen Presse. Es gab keine gemeinsamen Aktionen der Camp-Teilnehmer, ein Teil hielt sich weiterhin in Ebrach und Füttersee auf, ein anderer Teil war in Bamberg unterwegs. Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt kam es immer wieder zu Übergriffen gegen die APO.

  • In Füttersee wurden einige Camp-Teilnehmer aus einer Gaststätte geworfen und aus dem Ort "geprügelt".
  • Am Abend versammelten sich ca. 40 "Burschen" aus Füttersee und der Umgebung, um gegen das Lager auf der Wiese vorzugehen. Die aus Ebrach herbeigerufene Bereitschaftspolizei konnte Schlimmeres verhindern.
  • In Ebrach kam es im Laufe des Tages immer wieder zu Rangeleien und zu Übergriffen der Bevölkerung gegen die APO-Leute.
  • Vor dem Justizgebäude in Bamberg wurden aus einer Menge Schaulustiger heraus vier junge APO-Angehörige attackiert. Die Polizei musste sie in Schutz nehmen und in einem Einsatzwagen in Sicherheit bringen.
  • Der Polit-Buchladen "Smash" in Bamberg, der zum Hauptquartier der Ebracher Demonstranten in Bamberg geworden war, wurde von Bamberger Bürgern gestürmt, das Mobiliar zertrümmert, mehrere Besucher wurden krankenhausreif geschlagen, aus der Menge der Schaulustigen kam keine Hilfe für die Bedrängten.[8]

Samstag, 19. Juli 1969

Reaktionen

Politische Reaktionen

Reaktionen aus der Szene

Nachwirkungen

Das in seiner ursprünglich geplanten Form gescheiterte Ebracher Knast-Camp hatte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des Links-Terrorismus in Deutschland. Auch wenn es den Anwesenden zu dieser Zeit noch nicht bewusst war, trennten sich in Ebrach die Wege von vielen der Teilnehmer - auch was die Art ihrer weiteren politischen Vorgehensweise anging. 15 Campbesucher, darunter Kunzelmann, Siepmann, Teufel, Weisbecker, Vogler und Rauch reisten auf Einladung der "Uccelli" direkt von Ebrach über München weiter nach Italien. Nachdem sie sich in Rom bei dem linken Verleger Feltrinelli Geld besorgt hatten, fuhr ein Teil der Gruppe mit dem "geliehenen" Bus des AStA Berlin weiter nach Jordanien, wo sie sich in einem Lager der Al Fatah militärisch ausbilden lassen wollten. "Nach ihre Rückkehr im Oktober 1969 stand ihr Entschluss fest, die erste Stadtguerilla-Organisation in der BRD aufzubauen." Die Geburtsstunde der Tupamaros West-Berlin. (Reimann, Andreas: RAF und Brigade Rosse… )

Auch auf die Enstehung der Roten Hilfe hatte das Knast-Camp Einfluss. Von der Münchner Rechtshilfe der APO als Solidaritätsaktion für Wetter organisiert, sollte es ursprünglich auch Aufklärung über die Zustände in bayerischen Gefängnissen bringen und einen Anstoss für eine "politische Knastarbeit" geben. Ebrach ist als Beginn der sogenannten "Knastkämpfe" in der BRD zu sehen. Für viele der Teilnehmer war das Knast-Camp ein Schlüsselerlebnis. Die Gründung des Vereins Rote Hilfe 1970 war eine "Folge dieses Kampfes".(Schult, 1979, S.2)

Einzelnachweise

  1. Carini: Fritz Teufel: Wenn's der Wahrheitsfindung dient. 2003, S.138
  2. Kohn, Werner (In Bamberg war der Teufel los: k(l)eine 68er Apologie : ein Collage aus mehre oder weniger zufälligen Makulatur-, Flug- und Volksblättern, Gesprächsfetzen und Momentaufnahmen.Bamberg. 1993. S.112
  3. Schwarzer, Alice: Jagdszenen aus Oberfranken. Pardon 9/1968, S.24
  4. Enzensberger, Ulrich: Die Jahre der Kommune 1. Berlin 1967 - 1969. 2004, S. 336
  5. Der Spiegel. Nr.37/1969, S. 62
  6. Kohn, Werner (In Bamberg war der Teufel los: k(l)eine 68er Apologie : ein Collage aus mehre oder weniger zufälligen Makulatur-, Flug- und Volksblättern, Gesprächsfetzen und Momentaufnahmen.Bamberg. 1993. S.72
  7. Der Spiegel. Nr.37/1969, S. 62
  8. Kohn, Werner (In Bamberg war der Teufel los: k(l)eine 68er Apologie : ein Collage aus mehre oder weniger zufälligen Makulatur-, Flug- und Volksblättern, Gesprächsfetzen und Momentaufnahmen.Bamberg. 1993. S.78 ff

Literatur

Weblinks