Ebracher Knast-Camp: Unterschied zwischen den Versionen

293 Bytes hinzugefügt ,  16:50, 7. Mär. 2013
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 57: Zeile 57:
Die Forderung, den "Terror" zu brechen erneuerte auch der damalige Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß in seinem Telegram vom 18. Juli 1969 an den bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel:"Lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Bamberger Raum, wo die APO sich außerhalb der natürlichen Gepflogenheiten des primitivsten menschlichen Anstandes stellt.[...] Diese Personen nützen nicht nur alle Lücken der Paragraphen eines Rechtsstaates aus, sondern benehmen sich wie Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist, weil diese Gesetze auch bei Rechtsbrechern noch mit Reaktionen rechnen, die der menschlichen Kreatur eigentümlich sind.[...] Dieser Terror muß jetzt endlich gebrochen werden, damit die Bürger nicht das Vertrauen zum demokratischen Staat und zur Handlungsfähigkeit seiner Organe verlieren."
Die Forderung, den "Terror" zu brechen erneuerte auch der damalige Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß in seinem Telegram vom 18. Juli 1969 an den bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel:"Lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Bamberger Raum, wo die APO sich außerhalb der natürlichen Gepflogenheiten des primitivsten menschlichen Anstandes stellt.[...] Diese Personen nützen nicht nur alle Lücken der Paragraphen eines Rechtsstaates aus, sondern benehmen sich wie Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist, weil diese Gesetze auch bei Rechtsbrechern noch mit Reaktionen rechnen, die der menschlichen Kreatur eigentümlich sind.[...] Dieser Terror muß jetzt endlich gebrochen werden, damit die Bürger nicht das Vertrauen zum demokratischen Staat und zur Handlungsfähigkeit seiner Organe verlieren."


Diese Aussagen fanden aber nicht nur Zustimmung, sondern sorgten bundesweit auch für Proteste. So veröffentlichte der Deutsche Richterbund zwei Tage später eine Presseerklärung, in der man Strauß ein Vokabular aus "Nazizeiten" vorwarf.http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45789096.html
Diese Aussagen fanden aber nicht nur Zustimmung, sondern sorgten bundesweit auch für Proteste. So veröffentlichte der Deutsche Richterbund zwei Tage später eine Presseerklärung, in der man Strauß ein Vokabular aus "Nazizeiten" vorwarf.<ref> [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45789096.html]Abgerufen am 5.März 2013</ref>
Wegen des Verdachts der Volksverhetzung erstatteten eine Reihe von Bürgern und Organisationen Strafanzeigen gegen Franz Josef Strauß.
Wegen des Verdachts der Volksverhetzung erstatteten eine Reihe von Bürgern und Organisationen Strafanzeigen gegen Franz Josef Strauß.<ref>Kohn, Werner ''In Bamberg war der Teufel los: k(l)eine 68er Apologie : ein Collage aus mehre oder weniger zufälligen Makulatur-, Flug- und Volksblättern, Gesprächsfetzen und Momentaufnahmen.''Bamberg. 1993. S.90</ref>
=== Reaktionen aus der Szene ===
=== Reaktionen aus der Szene ===
Nach dem Vorzeitigen Abbruch des Camps und dem Nicht-Erreichen der politischen Ziele machte sich bei einem Teil der Szene Resignation breit. Das Berliner Polit-Magazin AGIT 883 brachte es in dem Artikel "Ebrach: Eine Sauerei" auf einen Nenner: "Die Fahrt nach Ebrach war organisatorisch und politisch eine Pleite.[…] Genossen waren frustriert und Leute, die man oft Genossen nennt, kifften und sonnten sich, ohne an politische Konzeptionen zu denken." <ref>''AGIT 883'', Nr. 24 vom 24.7.1969, S. 4</ref>
Nach dem Vorzeitigen Abbruch des Camps und dem Nicht-Erreichen der politischen Ziele machte sich bei einem Teil der Szene Resignation breit. Das Berliner Polit-Magazin AGIT 883 brachte es in dem Artikel "Ebrach: Eine Sauerei" auf einen Nenner: "Die Fahrt nach Ebrach war organisatorisch und politisch eine Pleite.[…] Genossen waren frustriert und Leute, die man oft Genossen nennt, kifften und sonnten sich, ohne an politische Konzeptionen zu denken." <ref>''AGIT 883'', Nr. 24 vom 24.7.1969, S. 4</ref>
Zeile 66: Zeile 66:
== Nachwirkungen ==
== Nachwirkungen ==
Das in seiner ursprünglich geplanten Form gescheiterte Ebracher Knast-Camp hatte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des Links-Terrorismus in Deutschland.<ref>Korndörfer, Lutz: ''Terroristische Alternative in der BRD: Die Bewegung 2. Juni.'' In: Straßen, Alexander (Hrsg.): ''Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien.'' VS Verlag 2008, S. 241 ff </ref> Auch wenn es den Anwesenden zu dieser Zeit noch nicht bewusst war, trennten sich in Ebrach die Wege von vielen der Teilnehmer - auch was die Art ihrer weiteren politischen Vorgehensweise anging.  
Das in seiner ursprünglich geplanten Form gescheiterte Ebracher Knast-Camp hatte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des Links-Terrorismus in Deutschland.<ref>Korndörfer, Lutz: ''Terroristische Alternative in der BRD: Die Bewegung 2. Juni.'' In: Straßen, Alexander (Hrsg.): ''Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien.'' VS Verlag 2008, S. 241 ff </ref> Auch wenn es den Anwesenden zu dieser Zeit noch nicht bewusst war, trennten sich in Ebrach die Wege von vielen der Teilnehmer - auch was die Art ihrer weiteren politischen Vorgehensweise anging.  
15 Campbesucher, darunter Kunzelmann, Siepmann, Teufel, Weisbecker, Vogler und Rauch reisten auf Einladung der "Uccelli" direkt von Ebrach über München weiter nach Italien. Nachdem sie sich in Rom bei dem linken Verleger Feltrinelli Geld besorgt hatten, fuhr ein Teil der Gruppe mit dem "geliehenen" Bus des AStA Berlin weiter nach Jordanien, wo sie sich in einem Lager der Al Fatah militärisch ausbilden lassen wollten. Nach ihrer Rückkehr im Oktober 1969 stand ihr Entschluss fest, die erste Stadtguerilla-Organisation in der BRD aufzubauen. Dies war die Geburtsstunde der "Tupamaros West-Berlin".
15 Campbesucher, darunter Kunzelmann, Siepmann, Teufel, Weisbecker, Vogler und Rauch reisten auf Einladung der "Uccelli" direkt von Ebrach über München weiter nach Italien. Nachdem sie sich in Rom bei dem linken Verleger Feltrinelli Geld besorgt hatten, fuhr ein Teil der Gruppe mit dem "geliehenen" Bus des AStA Berlin weiter nach Jordanien, wo sie sich in einem Lager der Al Fatah militärisch ausbilden lassen wollten. Nach ihrer Rückkehr im Oktober 1969 stand ihr Entschluss fest, die erste Stadtguerilla-Organisation in der BRD aufzubauen. Dies war die Geburtsstunde der "Tupamaros West-Berlin" und der "Tupamaros München".


Auch auf die Enstehung der "Roten Hilfen" hatte das Knast-Camp Einfluss. Von der Münchner Rechtshilfe der APO als Solidaritätsaktion für Wetter organisiert, sollte es ursprünglich auch Aufklärung über die Zustände in bayerischen Gefängnissen bringen und einen Anstoss für eine "politische Knastarbeit" geben.
Auch auf die Enstehung der "Roten Hilfen" hatte das Knast-Camp Einfluss. Von der Münchner Rechtshilfe der APO als Solidaritätsaktion für Wetter organisiert, sollte es ursprünglich auch Aufklärung über die Zustände in bayerischen Gefängnissen bringen und einen Anstoss für eine "politische Knastarbeit" geben.
92

Bearbeitungen