Ebracher Knast-Camp: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Knast-Camp''' - in einigen Flugblättern auch als "Rote Knastwoche" angekündigt -  war eine Aktion von APO-Mitglieder und Sympathisanten, die vom 15. bis zum 21. Juli 1969 im oberfränkischen Ort [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spezial%3ASuche&profile=advanced&search=Ebrach&fulltext=Search&ns12=1&redirs=1 Ebrach] (Lkrs Bamberg), in angrenzenden Gemeinden und in Bamberg stattfand.
Das '''Knast-Camp''' - in einigen Flugblättern auch als "Rote Knastwoche" angekündigt -  war eine Aktion von APO-Mitglieder und Sympathisanten, die vom 15. bis zum 19. Juli 1969 im oberfränkischen Ort Ebrach (Lkrs Bamberg), in angrenzenden Gemeinden und in Bamberg stattfand.


== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==
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== Ablauf ==
== Ablauf ==
In Erwartung der neuerlichen APO-Aktivitäten in Ebrach, die durch diverse Aushänge und Flugblätter im Vorfeld der Veranstaltung auch den politisch Verantwortlichen bekannt waren, reagierte das zuständige Landratsamt Bamberg. Landrat Otto Neukum (CSU)  erließ eine Kreisverordnung, die "wildes Zelten" grundsätzlich untersagte. Die Organisatoren hatte im Vorfeld zwar von einem Landwirt in Obersteinach (Ldkr Bamberg) eine Wiese gepachtet, die Kreisverordnung forderte aber nun für die Errichtung eines Zeltlagers zum Beispiel das Vorhandensein von sanitären Einrichtungen. Aus diesem Grund - und  wegen der Androhung einer Geldstrafe von 2000,- DM - zog der Landwirt kurzfristig seine Genehmigung zurück<ref>Schwarzer, Alice: ''Jagdszenen aus Oberfranken.'' Pardon 9/1968, S.24</ref>.
In Erwartung der neuerlichen APO-Aktivitäten in Ebrach, die durch diverse Aushänge und Flugblätter im Vorfeld der Veranstaltung auch den politisch Verantwortlichen bekannt waren, reagierte das zuständige Landratsamt Bamberg. Landrat Otto Neukum (CSU)  erließ eine Kreisverordnung, die "wildes Zelten" grundsätzlich untersagte. Die Organisatoren hatte im Vorfeld zwar von einem Landwirt in Obersteinach (Ldkr Bamberg) eine Wiese gepachtet, die Kreisverordnung forderte aber nun für die Errichtung eines Zeltlagers zum Beispiel das Vorhandensein von sanitären Einrichtungen. Aus diesem Grund - und  wegen der Androhung einer Geldstrafe von 2000,- DM - zog der Landwirt kurzfristig seine Genehmigung zurück<ref>Schwarzer, Alice: ''Jagdszenen aus Oberfranken.'' Pardon 9/1968, S.24</ref>
 
===Dienstag, 15. Juli 1969===
===Dienstag, 15. Juli 1969===
Am 15. Juli wartete bereits die bayerische Bereitschaftspolizei vor der geplanten Zeltwiese auf die ersten Camp-Teilnehmer. Im Laufe des Tages irrten 35 Fahrzeuge mit etwa 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf Quartiersuche durch den südwestlichen Landkreis Bamberg und die angrenzenden Landkreise Scheinfeld und Gerolzhofen. Auch die Gruppe aus Berlin stieß im Laufe des Tages dazu, angeführt von Dieter Kunzelmann und Tommy Weisbecker in einem neuen Ford-Bus, den sie vom AStA der TU Berlin organisiert hatten. <ref>Enzensberger, Ulrich: ''Die Jahre der Kommune 1. Berlin 1967 - 1969.'' 2004, S. 336.</ref> Schließlich lagerte der größte Teil der Gruppe mit Genehmigung des Besitzers auf einer Wiese bei Füttersee (Ldkr  Scheinfeld). Am Abend zeigte man erstmals in Ebrach Präsenz; eine kleine Schar APO-Aktivisten zog mit roten Fahnen um die Justizvollzugsanstalt und diskutierte mit der Dorfbevölkerung.
Am 15. Juli wartete bereits die bayerische Bereitschaftspolizei vor der geplanten Zeltwiese auf die ersten Camp-Teilnehmer. Im Laufe des Tages irrten 35 Fahrzeuge mit etwa 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf Quartiersuche durch den südwestlichen Landkreis Bamberg und die angrenzenden Landkreise Scheinfeld und Gerolzhofen. Auch die Gruppe aus Berlin stieß im Laufe des Tages dazu, angeführt von Dieter Kunzelmann und Tommy Weisbecker in einem neuen Ford-Bus, den sie vom AStA der TU Berlin organisiert hatten. <ref>Enzensberger, Ulrich: ''Die Jahre der Kommune 1. Berlin 1967 - 1969.'' 2004, S. 336</ref> Schließlich lagerte der größte Teil der Gruppe mit Genehmigung des Besitzers auf einer Wiese bei Füttersee (Ldkr  Scheinfeld). Am Abend zeigte man erstmals in Ebrach Präsenz; eine kleine Schar APO-Aktivisten zog mit roten Fahnen um die Justizvollzugsanstalt und diskutierte mit der Dorfbevölkerung.


===Mittwoch, 16. Juli 1969===
===Mittwoch, 16. Juli 1969===
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* Vor dem Justizgebäude in Bamberg wurden aus einer Menge Schaulustiger heraus vier junge APO-Angehörige attackiert. Die Polizei musste sie in Schutz nehmen und in einem Einsatzwagen in Sicherheit bringen.
* Vor dem Justizgebäude in Bamberg wurden aus einer Menge Schaulustiger heraus vier junge APO-Angehörige attackiert. Die Polizei musste sie in Schutz nehmen und in einem Einsatzwagen in Sicherheit bringen.
* Der Polit-Buchladen "Smash" in Bamberg, der zum Hauptquartier der Ebracher Demonstranten in Bamberg geworden war, wurde von Bamberger Bürger gestürmt, das Mobiliar zertrümmert, mehrere Besucher wurden krankenhausreif geschlagen, aus der Menge der Schaulustigen kam keine Hilfe für die Bedrängten.<ref>Kohn, Werner (''In Bamberg war der Teufel los: k(l)eine 68er Apologie : ein Collage aus mehre oder weniger zufälligen Makulatur-, Flug- und Volksblättern, Gesprächsfetzen und Momentaufnahmen.''Bamberg. 1993. S.78 ff</ref>
* Der Polit-Buchladen "Smash" in Bamberg, der zum Hauptquartier der Ebracher Demonstranten in Bamberg geworden war, wurde von Bamberger Bürger gestürmt, das Mobiliar zertrümmert, mehrere Besucher wurden krankenhausreif geschlagen, aus der Menge der Schaulustigen kam keine Hilfe für die Bedrängten.<ref>Kohn, Werner (''In Bamberg war der Teufel los: k(l)eine 68er Apologie : ein Collage aus mehre oder weniger zufälligen Makulatur-, Flug- und Volksblättern, Gesprächsfetzen und Momentaufnahmen.''Bamberg. 1993. S.78 ff</ref>
===Samstag, 19. Juli 1969===


== Reaktionen ==
== Reaktionen ==
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Das in seiner ursprünglich geplanten Form gescheiterte Ebracher Knast-Camp hatte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des Links-Terrorismus in Deutschland. Auch wenn es den Anwesenden zu dieser Zeit noch nicht bewusst war, trennten sich in Ebrach die Wege von vielen der Teilnehmer - auch was die Art ihrer weiteren politischen Vorgehensweise anging.  
Das in seiner ursprünglich geplanten Form gescheiterte Ebracher Knast-Camp hatte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des Links-Terrorismus in Deutschland. Auch wenn es den Anwesenden zu dieser Zeit noch nicht bewusst war, trennten sich in Ebrach die Wege von vielen der Teilnehmer - auch was die Art ihrer weiteren politischen Vorgehensweise anging.  
15 Campbesucher, darunter Kunzelmann, Siepmann, Teufel, Weisbecker, Vogler und Rauch reisten auf Einladung der "Uccelli" direkt von Ebrach über München weiter nach Italien. Nachdem sie sich in Rom bei dem linken Verleger Feltrinelli Geld besorgt hatten, fuhr ein Teil der Gruppe mit dem "geliehene" Bus des AStA Berlin weiter nach Jordanien, wo sie sich in einem Lager der Al Fatah militärisch ausbilden lassen wollten. "Nach ihre Rückkehr im Oktober 1969 stand ihr Entschluss fest, die erste Stadtguerilla-Organisation in der BRD aufzubauen." Die Geburtsstunde der Tupamaros West-Berlin. (Reimann,  Andreas: RAF und Brigade Rosse…
15 Campbesucher, darunter Kunzelmann, Siepmann, Teufel, Weisbecker, Vogler und Rauch reisten auf Einladung der "Uccelli" direkt von Ebrach über München weiter nach Italien. Nachdem sie sich in Rom bei dem linken Verleger Feltrinelli Geld besorgt hatten, fuhr ein Teil der Gruppe mit dem "geliehene" Bus des AStA Berlin weiter nach Jordanien, wo sie sich in einem Lager der Al Fatah militärisch ausbilden lassen wollten. "Nach ihre Rückkehr im Oktober 1969 stand ihr Entschluss fest, die erste Stadtguerilla-Organisation in der BRD aufzubauen." Die Geburtsstunde der Tupamaros West-Berlin. (Reimann,  Andreas: RAF und Brigade Rosse…
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Auch auf die Enstehung des Roten Hilfe hatte das Knast-Camp Einfluss. Von der Münchner Rechtshilfe der APO als Solidaritätsaktion für Wetter organisiert, sollte es ursprünglich auch Aufklärung über die Zustände in bayerischen Gefängnissen bringen und einen Anstoss für eine "politische Knastarbeit" geben.
Ebrach ist als Beginn der sogenannten "Knastkämpfe" in der BRD zu sehen. Für viele der Teilnehmer war das Knast-Camp ein Schlüsselerlebnis. Die Gründung des Vereins Rote Hilfe 1970 war eine "Folge dieses Kampfes".(Schult, 1979, S.2)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
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== Literatur ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
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