Drogenpolitik in China: Unterschied zwischen den Versionen

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==Umgang mit Drogensucht==
==Umgang mit Drogensucht==


Drogenmissbrauch sowie alle anderen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit Drogen aufkommen, wie Herstellung, Vertrieb oder Schmuggeln, werden in China als „social evils“ bezeichnet und nicht zuletzt aus diesem Grund strikt verboten und strafrechtlich hart bekämpft. Dabei umfasst das Ausmaß der Strafe eine sehr große Spannweite. So werden Straftäter, die 10g Heroin schmuggeln, zu einer Haftstrafe verurteilt, wobei auf den Schmuggel von 50g Heroin bereits die Todesstrafe steht (Qian et al. 2006).
Drogengebrauch sowie alle anderen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit Drogen aufkommen, wie Herstellung, Vertrieb oder Schmuggeln, werden in China als „social evils“ bezeichnet und nicht zuletzt aus diesem Grund strikt verboten und strafrechtlich hart bekämpft. Dabei umfasst das Ausmaß der Strafe eine sehr große Spannweite. So werden Straftäter, die 10g Heroin schmuggeln, zu einer Haftstrafe verurteilt, wobei auf den Schmuggel von 50g Heroin bereits die Todesstrafe steht (Qian et al. 2006).
Da nach dem Chinesischen Anti-Drogen-Gesetz auch der Konsum unter Strafe steht, müssen alle Delinquenten rehabilitiert werden. Hierfür wurde vom chinesischen Staatsrat eine Leitlinie für die zwanghafte Rehabilitation von Drogensucht vorgelegt. Diese Maßnahme folgt einem dreistufigen System mit zunehmender Dauer und Härte der Strafe (GOV 2000, Sullivan und Wu 2007).
Da nach dem Chinesischen Anti-Drogen-Gesetz auch der Konsum unter Strafe steht, müssen alle Delinquenten rehabilitiert werden. Hierfür wurde vom chinesischen Staatsrat eine Leitlinie für die zwanghafte Rehabilitation von Drogensucht vorgelegt. Diese Maßnahme folgt einem dreistufigen System mit zunehmender Dauer und Härte der Strafe (GOV 2000, Sullivan und Wu 2007).



Version vom 5. Juli 2009, 19:59 Uhr

Drogenkonsum in China

Drogengebrauch nahm seine Anfänge bereits während der Qing-Dynastie (1644-1911) als im Zuge der britischen Kolonialisierung Opium aus Indien mit starkem Nachdruck gegen andere kostbare Waren wie Seide eingetauscht werden musste. Dieser erzwungene Handel ging später als der „Opium-Krieg“ in die Geschichte ein (McCoy et al. 2001). 1906 galten rund 13,5 Millionen Chinesen als süchtig, diese gebrauchten etwa 39 000 Tonnen Opium. Als 1949 die Volksrepublik China ausgerufen wurde, konnte bei ca. 5% in der gesamten Bevölkerung eine Substanzabhängigkeit festgestellt werden, in einigen Teilen, wie der südlichen Yunnan-Provinz, sogar bis zu 25%. Die neue Regierung unternahm eine Reihe dramatischer Gegenmaßnahmen, um die Ausbreitung des Opiummissbrauchs einzudämmen. Die nationenweite Anti-Drogenkampagne beinhaltete u.a. harte Bestrafung derer, die Opium anbauen, verarbeiten oder verkaufen, mit Zwangsarbeit oder sogar Exekution, sowie das Einführen zwanghafter Entzugs- und Rehabilitationslagern für Drogenmissbraucher. (Bai 2001, Michels et al. 2007c). Mit dieser Kampagne gelang es der chinesischen Regierung zwischen 1950 und 1952 Drogenmissbrauch zu eliminieren (Tang et al. 2006). Drei Jahrzehnte lang galt die Volksrepublik als drogenfrei. Mit der zunehmenden Öffnung der Grenzen für internationalen Handel kann auch der Drogenmissbrauch Ende 1980 wieder zurück. Seither nimmt die Zahl der Drogenabhängigen stetig zu (Michels et al. 2007c). 2006 wurden 192 746 Drogenmissbrauchfällen registriert, wovon 185 783 den Konsum von Heroin angaben. Dies entspricht einem Anteil von 96,3% und indiziert, dass Heroin weiterhin die meist missbrauchte Substanz ist. Die gängigsten Methoden des Heroin-Konsums sind intravenöse Injektion (59,7%), intramuskuläre/subkutane Injektion (5,1%), Inhalieren der Dämpfe, das sog. „Chasing the Dragon“ (51,4%), Rauchen (2,3%) oder orale Einnahme (2,9%). (NSCDA 2006).

Die heutige Nachfrage von Heroin wird von benachbarten Ländern, die zudem als Hauptproduzenten des weltweiten Opiumanbaus gelten, gedeckt. China grenzt im Süden an das „Goldene Dreieck“, das Myanmar, Laos und Thailand umspannt, und im Westen an den „Goldenen Halbmond“ von Afghanistan über den Iran nach Pakistan. Die größten Mengen an Heroin gelangen über Myanmar in die benachbarte chinesische Yunnan- Provinz und von Vietnam in die Guangxi-Provinz (Qian et al. 2006). Über Kunming, der Hauptstadt von Yunnan, gelangt das Heroin über Chengdu, Sichuan-Provinz, in nördliche Gebiete wie der Xinjiang-Provinz (Beyrer et al. 2000). Insgesamt sind die ländlichen Regionen im südwestlichen und nord-westlichen Teil der Volksrepublik wesentlich stärker von Drogenmissbrauch betroffen als der übrige Teil des Landes (Humeniuk und Ali 2005).

Umgang mit Drogensucht

Drogengebrauch sowie alle anderen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit Drogen aufkommen, wie Herstellung, Vertrieb oder Schmuggeln, werden in China als „social evils“ bezeichnet und nicht zuletzt aus diesem Grund strikt verboten und strafrechtlich hart bekämpft. Dabei umfasst das Ausmaß der Strafe eine sehr große Spannweite. So werden Straftäter, die 10g Heroin schmuggeln, zu einer Haftstrafe verurteilt, wobei auf den Schmuggel von 50g Heroin bereits die Todesstrafe steht (Qian et al. 2006). Da nach dem Chinesischen Anti-Drogen-Gesetz auch der Konsum unter Strafe steht, müssen alle Delinquenten rehabilitiert werden. Hierfür wurde vom chinesischen Staatsrat eine Leitlinie für die zwanghafte Rehabilitation von Drogensucht vorgelegt. Diese Maßnahme folgt einem dreistufigen System mit zunehmender Dauer und Härte der Strafe (GOV 2000, Sullivan und Wu 2007).

Correctional Camps

Polizeilich aufgegriffene Drogenkonsumenten werden zwischen 10 und 15 Tagen in Untersuchungshaft gehalten. Wenn regelmäßige Einnahme einer illegalen Substanz festgestellt oder Sucht diagnostiziert wird, werden die Straftäter in ein Zwangsrehabilitationslager (Compulsory Rehabilitation Centre) überführt, in dem sie 6-12 Monate therapiert werden sollen. Bei einem oder mehreren Rückfällen werden die Drogenmissbraucher bis zu drei Jahre in einem Arbeitslager (Re-Education through Labour Camp) inhaftiert (Chen und Huang 2007, Lu et al. 2007). Bis Ende des Jahres 1999, wurden in China 746 Zwangsrehabilitationslager, sowie 168 Arbeitslager, aufgebaut in welchen mehr als 224 000 bzw. 120 000 Drogenabhängige im gleichen Jahr rehabilitiert wurden (Tang und Hao 2007, Tang et al. 2006).

Hinsichtlich der hohen Rückfallquoten nach einer Zwangsrehabilitation (60-95% nach einem Jahr) ist die Regierung bemüht, einen pragmatischeren Ansatz und eine angemessene Therapie einzuführen. (Michels et al. 2007c, Qian et al. 2006). Auch in den sog. Arbeitslagern werden therapeutische Programme eingeführt, um das Resultat einer Rehabilitation zu verbessern. Jedoch auch mit der Einführung neuer Trainingseinheiten verbleibt eine sehr hohe Rückfallsrate bei ca. 85% (Michels et al. 2007c, Tang et al. 2006).

Substitutionsprogramm

Zusätzlich zu der Behandlung bzw. Rehabilitation in Straflagern bieten auch einige lokale medizinische Einrichtungen eine Entgiftung für Drogenabhängige, die freiwillig Behandlung suchen, an. Zwar können sich Süchtige, die bislang noch nicht polizeilich aufgegriffen wurden, einer freiwilligen Entgiftung unterziehen, sobald sie jedoch in einem Programm aufgenommen wurden, ist eine Behandlung unumgänglich und ein Rücktritt unmöglich (Tang et al. 2006). 1993 wurde in China ein stationäres Substitutionsprogramm, in dem die Patienten 10-20 Tage Methadon zur Opiat-Entgiftung erhalten, eingeführt. Jedoch war die Substitution mit Methadon sehr limitiert und nur in äußerst gut ausgestatteten Einrichtungen erhältlich. Da sich die orale Vergabe von Methadon als eine sehr sichere und effektive Methode zur Suchttherapie herausstellte, wurden vor wenigen Jahren weitere ambulante Stationen eingerichtet (GOV 2000, Tang et al. 2006). Neben der Substituierung mit Methadon wurden weitere Medikamente wie Buprenorphine, Naltrexon oder Clonidin getestet und für die Übernahme in den Behandlungskatalog diskutiert. Besonders die Substituierung mit Buprenorphin wurde in mehr als 10 klinischen Versuchen in freiwilligen und erzwungenen Behandlungseinrichtungen als sehr erfolgreiche Methode beschrieben. Einige Institutionen bevorzugen Buprenorphin, da dieses Medikament leichter als Methadon abzusetzen ist (Tang und Hao 2007, Tang et al. 2006). Drogensubstitution sowohl mit Methadon als auch Buprenorphine sind zurzeit wohl die meist untersuchten und evaluierten Strategien, die sich als effektive Methoden zur Entgiftung erwiesen. Da Entzugsmaßnahmen jedoch nach wie vor hauptsächlich in den gesetzlichen Zwangsrehabilitationslagern durchgeführt werden, wurde eine substituierte Kurzzeit-Therapie als neue Behandlungsform für Drogenabhängigkeit auch in den gesetzlichen Straflagern übernommen. Jedoch verbleibt die Rückfallquote auch nach einer Kurzzeit-Substitution auf einem hohen Niveau (Kerr et al. 2004, Lu et al. 2007).

Chinesische Traditionelle Medizin

Eine andere Therapieform, die schon im 19. Jhd. bei Entgiftung eingesetzt wurde und auch heute noch Verwendung findet, ist die Chinesische Traditionelle Medizin (CTM). Da es besonders zu Zeiten des Opium-Krieges weder Methadon noch Buprenorphine oder andere Substitutionsmittel gab, wurden chinesische Kräuter und Akupunktur eingesetzt, um die auftretenden Entzugserscheinungen zu lindern (Lu et al. 2004). Obwohl die Wirksamkeit einer CTM-Therapie bislang nicht durch Studien belegt werden konnte, wird die Anwendung von CTM dennoch in den meisten Fällen unterstützend zu anderen Behandlungen empfohlen, da diese Medizin nicht teuer ist, aus natürlichen Produkten, ohne oder nur mit sehr geringen Nebenwirkungen, besteht und zudem der größte Teil der chinesischen Bevölkerung, besonders in den ländlichen Regionen, an die traditionelle Behandlung glaubt (Lu et al. 2007, Shi et al. 2006, Tang et al. 2006).

Harm Reduction in China

Da intravenöse Drogengebraucher durch das bereits beschriebene Verhaltensmuster eine Gruppe mit sehr hohen Risiken für die Übertragung des „Human Immunodeficiency Virus“(HIV) darstellen, wurde Harm Reduction als eine besonders wichtige Angelegenheit bzw. Strategie erkannt, um die Infektionen und somit auch die hohe Prävalenz von blutübertragbaren Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis C zu reduzieren (Michels et al. 2007b). Die erste Maßnahme, die die chinesische Regierung ergriff, um die drohende Epidemie abzuwenden, war, die Gesetze gegen Drogenmissbrauch und Prostitution zu verstärken. Den für Drogenbehandlung zuständigen Behörden wurde es sogar gestattet, HIV-positive Patienten von HIV-negativen zu separieren und gesondert zu behandeln (Wu et al. 2007). Im 2001-2005 Action Plan of AIDS Prevention and Control wurden aggressive Maßnahmen eingeführt, um Drogenmissbrauch zu reduzieren und die Verbreitung von HIV-Infektionen unter Kontrolle zu bringen (Schumacher et al. 2007). Als Konsequenz der Prohibition und starken Strafvollzugsmaßnahmen, tauchte die Drogenszene in den Untergrund ab, wo Hilfsangebote und medizinische Behandlungsmöglichkeiten noch schwieriger erhältlich sind (Hilton et al. 2001, Schumacher et al. 2007). Aufgrund hoher Rückfallraten und steigenden HIV-Infektionen versucht die chinesische Regierung daraufhin das Problem auf zwei Wegen zu bekämpfen. Verstärkte Razzien und Zusammenarbeit mit den Behörden benachbarter Länder sollen zum einen den Schmuggel und Drogentransport in das Land verhindern. Somit soll die Droge v.a. Heroin per se unerhältlich gemacht werden, was die Problematik der Drogenabhängigkeit eingrenzen soll. Auf der anderen Seite sollen sowohl die Behandlungsmöglichkeiten von Drogenabhängigkeit als auch die Aufklärungsarbeit über Drogen, Sucht und Harm Reduction verbessert werden (Qian et al. 2006). Um mit einer pragmatischeren Haltung erfolgreicher gegen die HIV-Verbreitung anzugehen, wurde im März 2006 die erste HIV/AIDSSchutzgesetzgebung rechtskräftig, die verhaltensorientierte Interventionen für Risikogruppen, Peer-Education, Methadon-Langzeit-Programme, Verteilung von Kondomen und weitere Maßnahmen enthält (Hammett et al. 2008). In diesem Zusammenhang wurden auch landesweit Aufklärungseinrichtungen über illegale Drogen und HIV/AIDS errichtet. Darüber hinaus wurden auch spezifische Programme für verschiedene Risikogruppen - nicht nur Drogenmissbraucher sondern auch Homosexuelle oder SexarbeiterInnen - aufgenommen (Lu et al. 2007, Zhao et al. 2004).

Methadon-Langzeit-Vergabe

Ähnlich einer substituierten Detoxifikation wird auch in der Langzeit-Substituierung Abhängigen eine Behandlung geboten, in der illegale Substanzen von Medikamenten ersetzt werden. Methadon, das zurzeit wohl gängigste Medikament während einer Substitutionstherapie, wird einmal täglich oral eingenommen, um das Verlangen nach Opiaten zu stoppen bzw. zu reduzieren, da Methadon den euphorischen Effekt von Heroin zu blockieren vermag. Im Gegensatz zur Kurzzeit-Vergabe sollte das Medikament in dieser Therapieform an alle Patienten so lange wie notwendig vergeben werden, damit die Wiedereinnahme illegaler Drogen verhindert und der Gesundheitszustand der Klienten stabilisiert werden kann (Simoens et al. 2005, Ward et al. 1999). Viele Studien belegen positive Auswirkung einer langzeitigen Methadon-Substituierung auf das Risiko einer HIV-Infektion, Oppositionelle jedoch zeigen sich moralisch resigniert und argumentieren hauptsächlich damit, dass langzeitige Substituierung den Drogenmissbrauch nicht verhindert oder beendet, sondern die Sucht viel mehr verlängert, indem den Patienten eine andere Art von Droge verabreicht wird (Tang et al. 2006). Gegenwärtig wurden in nur 22 Provinzen Chinas Methadonstationen aufgebaut. Damit und mit der Anzahl der MMT-Stationen auf die Größe des Landes und der Bevölkerungsdichte bezogen können insgesamt nur 0,5-3% Menschen der angesprochenen Zielgruppe erreicht werden. Um einen signifikanten Unterschied in der Verbreitung von HIV zu erzielen, müssen nach Sullivan und Wu (2007) allerdings ca 60% der Menschen mit erhöhtem Risikoverhalten an diesem Programm teilnehmen (Sullivan und Wu 2007).

Spritzenaustauschprogramm

Als eine weitere sehr effektive Methode im Kampf gegen die HIV-Übertragung unter intravenösen Drogengebrauchern wurde das Austauschen von Nadeln und Spritzen identifiziert. Mit dem sog. ’’Needle Syringe Exchange Program’’ werden sterile Nadeln und Spritzen verteilt und ausgetauscht, um gleich am Ursprung der Übertragung den Kontakt mit Blut an altem oder bereits verwendetem Spritzenbesteck zu verhindern (Valente et al. 2001). In China sind Nadeln und Spritzen in Städten relativ einfach in Apotheken und Krankenhäusern zu erwerben. In den ländlichen Gegenden hingegen, wo die meisten intravenösen Drogengebraucher leben und stärkere Armut herrscht, können sich die meisten Mitglieder besagter Risikogruppe kein steriles Equipment wie Spritzen oder Nadeln leisten (Qian et al. 2006). Verschiedene Studien belegen, dass NSEP eine sehr effiziente und effektive Methode darstellt, um die weitere Verbreitung von HIV-Infektionen zu verhindern, da intravenöse Drogenkonsumenten, welchen Zugang zu sterilen Materialien erleichtert wird, seltener gebrauchtes Spritzbesteck teilen und somit dem ’’needle sharing’’ entgegengewirkt werden kann (Bedell 2007, Bluthenthal et al. 2000, Hammett et al. 2008, Hunt o.J.). Paradoxerweise wird der Austausch von Spritzen und Nadeln auf der einen Seite von einer Abteilung der Regierung, hauptsächlich dem Ministerium für Öffentliche Gesundheit, unterstützt, aber auf der anderen Seite durch das Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit polizeiliche Maßnahmen, wie die Festnahme von Drogenabhängigen in der Nähe dieser Austauschstationen, unterbunden. Diese widersprüchlichen Aktionen innerhalb der Regierung beeinträchtigen das Resultat des Nadel/Spritzen-Austauchprogramms, ebenso wie den Erfolg anderer Harm Reduction Programme und sind sogar nachweislich kontraproduktiv (Friedman et al. 2006, IHRD 2006, Wu et al. 2007).

Beratungsangebote

Im Hinblick auf die befürchtete Katastrophe von 10-15 Millionen Betroffenen bis 2010, wurden bereits 2004 Massenscreenings in der gesamten Bevölkerung durchgeführt. Schon sehr bald nach der Einführung entfachten diese Screenings sowohl ethische Diskussionen über Diskretion oder Beratung und Einwilligung, als auch Bedenken in der Praxis wie etwa die Ineffektivität, da die HIV-Prävalenz in der gesamten Bevölkerung relativ gering ist. Infolgedessen wurde das Screening eingeengt und auf freiwillige Beratung, Verteilen von Kondomen und das Testen auf HIV-Infektionen fokussiert (Parry 2006). Mögliche Barrieren für den Zugang zu Beratungsstellen können Angst vor einem positiven Ergebnis oder auch schlichtweg mangelnde Kenntnisse über die Anlaufstelle sein. Sicherlich spielen auch Kriminalisierung und Stigmatisierung im Umfeld von Drogenabhängigkeit und HIV/AIDS eine große Rolle. VCT wird immer noch mit riskablen Verhaltensmustern wie Drogenmissbrauch, Homosexualität oder Prostitution assoziiert, welche in der chinesischen Bevölkerung weitgehend verstoßen werden. Besonders in kleinen Gemeinden und Dörfern, in welchen die Umgebung nicht anonym ist, sind die Anwohner sehr zurückhaltend solche Angebote wahrzunehmen aus Angst mit diesen Stigmata belegt zu werden (Qian et al. 2006, Sullivan und Wu 2007).

Literatur