Drogenkonsumraum: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Thema '''Drogenkonsumraum''' ist auch nach langjähriger Praxis noch Thema politischer Diskussion, insbesondere bezüglich der bewusst und gewollten Nichtverfolgung bestehender Straftaten. Bei einem Drogenkonsumräumen handelt es sich  um ''"Einrichtungen, in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird"'' (Legaldefinition in § 10 a BtMG). Gewährleistet werden soll neben einer sofortigen medizinischen Notfallversorgung auch die medizinische Beratung und Hilfe zur Risikominderung beim Verbrauch der Betäubungsmittel. Weiterhin werden Angebote zum Konsumausstieg, zur Therapie und zur Hilfe vermittelt. Das bedeutet, dass neben der Bereitstellung von sterilem Spritzbesteck, Verbandsmaterial, Einweghandschuhen und -filtern auch Fachpersonal zur Notfallversorgung vor Ort ist. Der Drogenkonsumraum bietet zur Vermeidung von Infektionen und schweren Folgeerkrankungen den Konsumenten die Möglichkeit, einen hygienischen Konsum in geschützten Räumlichkeiten ohne Verfolgungsstress zu absolvieren (akzept.eV. S. 8). Drogenkonsumräume werden umgangssprachlich auch Druckräume, Fixerstuben, Gifträume, Gesundheitsräume, Injektionszellen, Drogenhilfestellen, Fixpunkte und Freiräume genannt (vgl. Weber 2013, 10a, Rdn. 3, Katholnigg NJW 2000, S. 1217; 1218).
Das Thema '''Drogenkonsumraum''' ist auch nach langjähriger Praxis noch Thema politischer Diskussion, insbesondere bezüglich der bewusst und gewollten Nichtverfolgung bestehender Straftaten. Bei einem Drogenkonsumraum handelt es sich  um eine ''"Einrichtung, in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird"'' (Legaldefinition in § 10 a BtMG). Gewährleistet werden soll neben einer sofortigen medizinischen Notfallversorgung auch die medizinische Beratung und Hilfe zur Risikominderung beim Verbrauch der Betäubungsmittel. Weiterhin werden Angebote zum Konsumausstieg, zur Therapie und zur Hilfe vermittelt. Das bedeutet, dass neben der Bereitstellung von sterilem Spritzbesteck, Verbandsmaterial, Einweghandschuhen und -filtern auch Fachpersonal zur Notfallversorgung vor Ort ist. Der Drogenkonsumraum bietet zur Vermeidung von Infektionen und schweren Folgeerkrankungen den Konsumenten die Möglichkeit, einen hygienischen Konsum in geschützten Räumlichkeiten ohne Verfolgungsstress zu absolvieren (akzept.eV. S. 8). Drogenkonsumräume werden umgangssprachlich auch Druckräume, Fixerstuben, Gifträume, Gesundheitsräume, Injektionszellen, Drogenhilfestellen, Fixpunkte und Freiräume genannt (vgl. Weber 2013, 10a, Rdn. 3, Katholnigg NJW 2000, S. 1217; 1218).


== Entstehungsgeschichte Deutschland ==
== Entstehungsgeschichte Deutschland ==
Während zunächst der Drogenkonsum in Krisenzentren und Drogenkaffees nicht gestattet war, konsumierten die zumeist wohnsitzlosen, therapieresistenten Opiatkonsumenten ihre Drogen unweit vom Ort des Erwerbs in Bahnhofs- oder Kneipentoiletten, in Abbruchhäusern,  im Gebüsch von Parkanlagen oder auf Kinderspielplätzen. Dies erfolgte unter Stress, Verfolgungsangst, Hektik, Unvorsichtigkeit und unhygienischen Bedingungen. Da der Staat den Konsum von Betäubungsmitteln zwar nicht billigt, aber die Gesundheitsgefährdung für den Konsumentenkreis anerkannte, erfolgte durch die Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität (ZfB) die Auftragsvergabe zu zwei Rechtsgutachten. Diese sollten die Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität aufgrund der bestehenden Gesetzeslage von Drogenkonsumräumen betrachten. Die sogenannten ''Körner-Gutachten'' (nach dem Ersteller Harald Hans Körner) sorgten weltweit für Aufsehen, denn sie orientierten sich an dem durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geschützte Rechtsgut der Volksgesundheit und boten durch teleologische restriktive Auslegung des Gesetzes die Möglichkeit, helfenden und strafenden Kräften verfassungskonform gerecht zu werden (Patzak 2016, § 10 a BtMG, Rdn. 1 f.).  
Während zunächst der Drogenkonsum in Krisenzentren und Drogenkaffees nicht gestattet war, konsumierten die zumeist wohnsitzlosen, therapieresistenten Opiatkonsumenten ihre Drogen unweit vom Ort des Erwerbs in Bahnhofs- oder Kneipentoiletten, in Abbruchhäusern,  im Gebüsch von Parkanlagen oder auf Kinderspielplätzen. Dies erfolgte unter Verfolgungsangst, Hektik und unhygienischen Bedingungen. Da der Staat den Konsum von Betäubungsmitteln zwar nicht billigt, aber die Gesundheitsgefährdung für den Konsumentenkreis anerkannte, erfolgte durch die Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität (ZfB) die Auftragsvergabe zu zwei Rechtsgutachten. Diese sollten die Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität aufgrund der bestehenden Gesetzeslage von Drogenkonsumräumen betrachten. Die sogenannten ''Körner-Gutachten'' (nach dem Ersteller Harald Hans Körner) sorgten weltweit für Aufsehen, denn sie orientierten sich an dem durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geschützte Rechtsgut der Volksgesundheit und boten durch teleologische restriktive Auslegung des Gesetzes die Möglichkeit, helfenden und strafenden Kräften verfassungskonform gerecht zu werden (Patzak 2016, § 10 a BtMG, Rdn. 1 f.). Der erste deutsche Konsumraum wurde Anfang 1994 vom Verein ''Freiraum'' in Hamburg als "Drugmobil" eingerichtet (Patzak 2016, § 10a BtMG, Rdn. 4). In den folgenden Jahren folgten viele weitere offizielle Konsumräume in Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Saarbrücken und zahlreiche inoffizielle in ganz Deutschland. Die rechtliche Meinung von Körner gewann in den Folgejahren an Akzeptanz, blieb aber eine respektable Minderheitsmeinung (Patzak 2016, § 10 a BtMG, Rdn. 5 f.). Mit dem 3. BtMGÄndG vom 28.03.2000 schuf der Gesetzgeber mit § 10 a BtMG eine Rechtsgrundlage und legalisierte so das Betreiben von Konsumräumen in Deutschland.
Der erste deutsche Konsumraum wurde Anfang 1994 vom Verein ''Freiraum'' in Hamburg als "Drugmobil" eingerichtet (Patzak 2016, § 10a BtMG, Rdn. 4). In den folgenden Jahren folgten viele weitere offizielle Konsumräume in Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Saarbrücken und zahlreiche inoffizielle in ganz Deutschland. Die rechtliche Meinung von Körner gewann in den Folgejahren an Akzeptanz, blieb aber eine respektable Minderheitsmeinung (Patzak 2016, § 10 a BtMG, Rdn. 5 f.). Mit dem 3. BtMGÄndG vom 28.03.2000 schuf der Gesetzgeber mit § 10 a BtMG eine Rechtsgrundlage und legalisierte so das Betreiben von Konsumräumen in Deutschland.


== Rechtliche Voraussetzungen ==
== Rechtliche Voraussetzungen ==
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== Bestand Drogenkonsumräume ==
== Bestand Drogenkonsumräume ==
Heute existieren in Deutschland insgesamt 25 Drogenkonsumräume. Diese verteilen sich auf die Städte Hamburg (5), Berlin (2), Frankfurt (4), Köln (2), Hannover, Bielefeld, Münster, Dortmund, Bochum, Essen, Wuppertal, Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Saarbrücken mit jeweils einem Drogenkonsumraum.  Die Einrichtung von Drogenkonsumräumen wurde vielfach wissenschaftlich begleitet, so dass grundsätzlich Aussagen über die Auswirkungen getroffen werden können. Jedoch hängen die Auswirkungen von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Drogenkonsumraums (z. B. Einbindung in die anderen Strukturen der Drogenarbeit und Sozialarbeit, Lage, Situation der lokalen Drogenszene etc.) ab und sind daher kaum zu vergleichen oder zu verallgemeinern (vgl. Schu/  Tossmann 2005). Drogenkonsumräume in den verschiedensten Ausprägungen finden sich in Europa, in den Niederlanden (30), der Schweiz(13) , Spanien (13), Dänemark (5), Luxemburg (1), Norwegen (1) und Griechenland (1). Weltweit werden ca. 90 Drogenkonsumräume betrieben, so auch in Kanada (Vancou¬ver) und Australien (Sydney). In einigen Ländern wird kontrovers über die Einführung diskutiert, z.B. in Portugal, Frankreich, England und Österreich (Schäffer/ Stöver/ Weichert 2014, S. 4).
Heute existieren in Deutschland insgesamt 25 Drogenkonsumräume. Diese verteilen sich auf die Städte Hamburg (5), Berlin (2), Frankfurt (4), Köln (2), Hannover, Bielefeld, Münster, Dortmund, Bochum, Essen, Wuppertal, Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Saarbrücken mit jeweils einem Drogenkonsumraum.  Die Einrichtung von Drogenkonsumräumen wurde vielfach wissenschaftlich begleitet, so dass grundsätzlich Aussagen über die Auswirkungen getroffen werden können. Jedoch hängen die Auswirkungen von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Drogenkonsumraums (z. B. Einbindung in die anderen Strukturen der Drogenarbeit und Sozialarbeit, Lage, Situation der lokalen Drogenszene etc.) ab und sind daher kaum zu vergleichen oder zu verallgemeinern (vgl. Schu/  Tossmann 2005). Drogenkonsumräume in den verschiedensten Ausprägungen finden sich in Europa, in den Niederlanden (30), der Schweiz(13) , Spanien (13), Dänemark (5), Luxemburg (1), Norwegen (1) und Griechenland (1). Weltweit werden ca. 90 Drogenkonsumräume betrieben, so auch in Kanada (Vancou¬ver) und Australien (Sydney). In einigen Ländern wird kontrovers über die Einführung diskutiert, z.B. in Portugal, Frankreich, England und Österreich (Schäffer/ Stöver/ Weichert 2014, S. 4).
== Drogenkonsumräume weltweit ==
Drogenkonsumräume in den verschiedensten Ausprägungen finden sich in Europa, in den Niederlanden (30), der Schweiz(13) , Spanien (13), Dänemark (5), Luxemburg (1), Norwegen (1) und Griechenland (1). Weltweit werden ca. 90 Drogenkonsumräume betrieben, so auch in Kanada (Vancouver) und Australien (Sydney). In einigen Ländern wird kontrovers über die Einführung diskutiert, z.B. in Portugal, Frankreich, England und Österreich (Schäffer/ Stöver/ Weichert 2014, S. 4).


== Kriminologische Relevanz und Kritik ==
== Kriminologische Relevanz und Kritik ==
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