Diskussion:Drogenpolitik in China

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Internationaler Einfluss

Die im Artikel erwähnten Strategien zur Schadensminimierung sind keine chinesische Erfindung, sondern in der westlichen Welt gängige Praxis zur vorrangigen Vorbeugung von HIV- und HCV-Infektionen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nehmen nicht nur bei der Implementation und sondern auch bei der Umsetzung der neuen Strategien eine bedeutende Stellung ein. Beratungsangebote beispielsweise, von staatlicher Hand organisiert, werden nur sehr zurückhaltend wahrgenommen aus Angst vor Stigmatisierung und Kriminalisierung. Chen und seine Kollegen (2007) konnten einen Erfolg der sog. outreach work durch NGOs verzeichnen. Die Autoren schlagen deshalb vor, die Durchführung von Harm Reduction Programmen NGOs zu übertragen, da sie anonym und flexibler agieren können. Unglücklicherweise sind immer noch nicht genügend NGOs vorhanden, um den größten Teil der unter erhöhtem Risiko Lebenden zu erreichen. Mangelnde finanzielle Ressourcen oder ungenügende Kooperation mit der Regierung können hierfür verantwortlich gemacht werden. Entgegen der eigentlichen Definition, nach der „non governmental organizations“ - wie bereits der Titel verraten soll - unabhängig von staatlichen Einflüssen agieren, finden sich in China nur sog. „Semi-NGOs“. Mitarbeiter einer Semi-NGO sind formal in der Regierung beschäftigt und arbeiten ehrenamtlich in den Organisationen. Trotz dieser semantischen Unklarheit sollen Semi-NGOs im folgenden Text weiterhin als NGOs bezeichnet werden. Durch die Verbindung zur Regierung und der damit zusammenhängenden finanziellen Unterstützung, hat sich die chinesische Regierung ein wertvolles Werkzeug gestaltet, mit dem auf einer Wissensbasis schnell reagiert und stigmatisierte Randgruppen besser erreicht werden können (Bluthenthal et al. 2000, Qian et al. 2006). Um offiziell als NGO in China legal registriert zu sein, müssen sich die Organisationen bei entsprechenden Abteilungen der Regierung um eine Förderung bemühen bzw. die Mitglieder um Positionen in der Abteilung bewerben. Falls die Förderung nicht gestattet wird und die Bewerbungen abgelehnt werden, ist es diesen Organisationen nicht erlaubt als NGO tätig zu sein oder aufzutreten (Sullivan und Wu 2007). Alle abgelehnten Bewerber haben noch die Möglichkeit als kommerzielle Organisation zu arbeiten, erhalten allerdings keine staatlichen Zuschüsse, was sowohl die Arbeit per se erschwert oder gar unmöglich macht, aber auch die Qualität beeinträchtigt. Somit kann die chinesische Regierung sehr selektiv vorgehen und nur den Organisationen den Titel einer NGO zusprechen, die bereit sind im Sinne des Staates zu agieren und keine revolutionären Gedanken an den Tag legen.

Mit Hilfe internationaler Kooperation wurde sicherlich bereits ein Schritt zur Verhinderung der befürchteten AIDS-Epidemie gemacht. Auch wenn diese Katastrophe nicht in dem genannten Ausmaß auftritt, so ist es den Organisationen gelungen, das Bewusstsein der Regierung über die Problematik zu schärfen und Teile der Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Leider wurde in diesem Zug verpasst oder vernachlässigt, auf die nicht geringere Gefahr einer HCV Infektion aufmerksam zu machen. Daten über HIV Infektionen lassen sich inzwischen schon sehr gut und differenziert finden, Statistiken über HCV im Gegensatz werden nicht einmal von der WHO aufgeführt. Darüber hinaus sollten auch deren Arbeit und Einfluss hinterfragt werden. Sind die von der WHO, UNODC oder UNAIDS eingeführten Programme auch nachhaltig wirksam? Denn auch internationale Organisationen verfolgen womöglich eigene Interessen, die nicht nur die Gesundheit betreffen, und sind nicht frei von politischen Einflüssen. So dürfen beispielsweise US-amerikanische Fördergelder nicht für den Aufbau von Spritzen- und Nadelaustauschprogrammen verwendet werden (Qian et al. 2006). Liest man sich des Weiteren die Empfehlung des US Department of Health and Human Services für die Prävention von HCV-Infektionen durch, stößt man unweigerlich darauf hin, dass die erste Maßnahme zum Eindämmen der Übertragung die abstinenzorientierte Behandlung von Drogenabhängigkeit sein müsse (CDC 1998). Auf einer anderen Ebene kann man sich auch die Frage stellen, ob es menschenrechtlich überhaupt zu vertreten ist, eine Drogenpolitik, wie sie in China herrscht, zu unterstützen? Warum werden Menschen, die offiziell an Sucht, (laut Definition der WHO oder der American Psychiatric Association) einer chronisch reversiven Krankheit (Koob und Le Moal 2001), leiden, eingesperrt und teilweise trotzdem nicht behandelt? Zwar entwerfen und bieten UNODC Alternativen zur Inhaftierung, wie die Legalisierung bzw. Nicht-Sanktionieren des Konsums, um Gefängnisse zahlenmäßig nicht zu überlasten (Smit 2007), diese werden jedoch von Seiten der Regierung offensichtlich noch nicht wahrgenommen. Oder: warum kann und darf eine Suchttherapie so unterschiedlich aussehen? Wenn man diese mit Möglichkeiten zur Behandlung der Abhängigkeit von legalen Substanzen wie Alkohol und Tabak vergleicht, wird der Unterschied besonders deutlich. Alkoholabhängige werden stationär substituiert entgiftet und erhalten therapeutische Betreuung und Therapie. Darüber hinaus ist es gesetzlich verboten, einem Alkoholabhängigen aufgrund seiner Sucht zu kündigen. Bei illegalem Substanzmissbrauch handelt es sich jedoch um eine kriminelle Straftat und wird folglich nicht im Arbeitsschutz integriert.