Diskussion:Drogenpolitik in China: Unterschied zwischen den Versionen

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Die im Artikel erwähnten Strategien zur Schadensminimierung sind keine chinesische Erfindung, sondern in der westlichen Welt gängige Praxis zur vorrangigen Vorbeugung von HIV- und HCV-Infektionen. '''Nichtregierungsorganisationen''' (NGOs) nehmen nicht nur bei der Implementation sondern auch bei der Umsetzung der neuen Strategien eine bedeutende Stellung ein. Beratungsangebote beispielsweise, von staatlicher Hand organisiert, werden nur sehr zurückhaltend wahrgenommen aus Angst vor Stigmatisierung und Kriminalisierung. Chen und seine Kollegen (2007) konnten einen Erfolg der sog. ''outreach work'' durch NGOs verzeichnen. Die Autoren schlagen deshalb vor, die Durchführung von ''Harm Reduction'' Programmen NGOs zu übertragen, da sie anonym und flexibler agieren können.
Die im Artikel erwähnten Strategien zur Schadensminimierung sind keine chinesische Erfindung, sondern in der westlichen Welt gängige Praxis zur vorrangigen Vorbeugung von HIV- und HCV-Infektionen. '''Nichtregierungsorganisationen''' (NGOs) nehmen nicht nur bei der Implementation sondern auch bei der Umsetzung der neuen Strategien eine bedeutende Stellung ein. Beratungsangebote beispielsweise, von staatlicher Hand organisiert, werden nur sehr zurückhaltend wahrgenommen aus Angst vor Stigmatisierung und Kriminalisierung. Chen und seine Kollegen (2007) konnten einen Erfolg der sog. ''outreach work'' durch NGOs verzeichnen. Die Autoren schlagen deshalb vor, die Durchführung von ''Harm Reduction'' Programmen NGOs zu übertragen, da sie anonym und flexibler agieren können.
Unglücklicherweise sind immer noch nicht genügend NGOs vorhanden, um den größten Teil der unter erhöhtem Risiko Lebenden zu erreichen. Mangelnde finanzielle Ressourcen oder ungenügende Kooperation mit der Regierung können hierfür verantwortlich gemacht werden.
Unglücklicherweise sind immer noch nicht genügend NGOs vorhanden, um den größten Teil der unter erhöhtem Risiko Lebenden zu erreichen. Mangelnde finanzielle Ressourcen oder ungenügende Kooperation mit der Regierung können hierfür verantwortlich gemacht werden.
Entgegen der eigentlichen Definition, nach der „non governmental organizations“ - wie bereits der Titel verraten soll - unabhängig von staatlichen Einflüssen agieren, finden sich in China nur sog. „Semi-NGOs“. Mitarbeiter einer Semi-NGO sind formal in der Regierung beschäftigt und arbeiten ehrenamtlich in den Organisationen. Trotz dieser semantischen Unklarheit sollen Semi-NGOs im folgenden Text weiterhin als NGOs bezeichnet werden.
Entgegen der eigentlichen Definition, nach der „non governmental organizations“ - wie bereits der Titel verraten soll - unabhängig von staatlichen Einflüssen agieren, finden sich in China nur sog. '''Semi-NGOs'''. Mitarbeiter einer Semi-NGO sind formal in der Regierung beschäftigt und arbeiten ehrenamtlich in den Organisationen.
Durch die Verbindung zur Regierung und der damit zusammenhängenden finanziellen Unterstützung, hat sich die chinesische Regierung ein wertvolles Werkzeug gestaltet, mit dem auf einer Wissensbasis schnell reagiert und stigmatisierte Randgruppen besser erreicht werden können (Bluthenthal et al. 2000, Qian et al. 2006).
Durch die Verbindung zur Regierung und der damit zusammenhängenden finanziellen Unterstützung, hat sich die chinesische Regierung ein wertvolles Werkzeug gestaltet, mit dem auf einer Wissensbasis schnell reagiert und stigmatisierte Randgruppen besser erreicht werden können (Bluthenthal et al. 2000, Qian et al. 2006).
Um offiziell als NGO in China legal registriert zu sein, müssen sich die Organisationen bei entsprechenden Abteilungen der Regierung um eine Förderung bemühen bzw. die Mitglieder um Positionen in der Abteilung bewerben. Falls die Förderung nicht gestattet wird und die Bewerbungen abgelehnt werden, ist es diesen Organisationen nicht erlaubt als NGO tätig zu sein oder aufzutreten (Sullivan und Wu 2007). Alle abgelehnten Bewerber haben noch die Möglichkeit als kommerzielle Organisation zu arbeiten, erhalten allerdings keine staatlichen Zuschüsse, was sowohl die Arbeit per se erschwert oder gar unmöglich macht, aber auch die Qualität beeinträchtigt. Somit kann die chinesische Regierung sehr selektiv vorgehen und nur den Organisationen den Titel einer NGO zusprechen, die bereit sind im Sinne des Staates zu agieren und keine revolutionären Gedanken an den Tag legen.
Um offiziell als NGO in China legal registriert zu sein, müssen sich die Organisationen bei entsprechenden Abteilungen der Regierung um eine Förderung bemühen bzw. die Mitglieder um Positionen in der Abteilung bewerben. Falls die Förderung nicht gestattet wird und die Bewerbungen abgelehnt werden, ist es diesen Organisationen nicht erlaubt als NGO tätig zu sein oder aufzutreten (Sullivan und Wu 2007). Alle abgelehnten Bewerber haben noch die Möglichkeit als kommerzielle Organisation zu arbeiten, erhalten allerdings keine staatlichen Zuschüsse, was sowohl die Arbeit per se erschwert oder gar unmöglich macht, aber auch die Qualität beeinträchtigt. Somit kann die chinesische Regierung sehr selektiv vorgehen und nur den Organisationen den Titel einer NGO zusprechen, die bereit sind im Sinne des Staates zu agieren und keine revolutionären Gedanken an den Tag legen.


Auch andere '''internationale Organisationen''', wie beispielsweise die World
Auch andere '''internationale Organisationen''', wie beispielsweise die ''World
Health Organization (WHO), United Nations Office of Drugs and Crime (UNODC) oder der
Health Organization'' (WHO), ''United Nations Office of Drugs and Crime'' (UNODC) oder der
United Nations Working Group on AIDS (UNAIDS) sind im Kampf gegen Drogenkriminalität
''United Nations Working Group on AIDS'' (UNAIDS) sind im Kampf gegen Drogenkriminalität
und Verbreitung von HIV-Infektionen tätig. Diese letztgenannte Gruppe richtet ihre Arbeit
und Verbreitung von HIV-Infektionen tätig. Diese letztgenannte Gruppe richtet ihre Arbeit
allerdings darauf, Informationen über die Ursachen, Verhaltensmuster und Trends des
allerdings darauf, Informationen über die Ursachen, Verhaltensmuster und Trends des
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Gegensatz werden nicht einmal von der WHO aufgeführt.
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Darüber hinaus sollten auch deren Arbeit und Einfluss hinterfragt werden. Sind die von der
Darüber hinaus sollten auch deren Arbeit und Einfluss hinterfragt werden. Sind die von der
WHO, UNODC oder UNAIDS eingeführten Programme auch nachhaltig wirksam? Denn auch internationale Organisationen verfolgen womöglich eigene Interessen, die nicht nur die
WHO, UNODC oder UNAIDS eingeführten Programme auch nachhaltig wirksam? Denn auch internationale Organisationen verfolgen eigene Interessen, die nicht nur die
Gesundheit betreffen, und sind nicht frei von politischen Einflüssen. So dürfen beispielsweise
Gesundheit betreffen, und sind nicht frei von politischen Einflüssen. So dürfen beispielsweise
US-amerikanische Fördergelder nicht für den Aufbau von Spritzen- und
US-amerikanische Fördergelder nicht für den Aufbau von Spritzen- und
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Prävention von HCV-Infektionen durch, stößt man unweigerlich darauf hin, dass die erste
Prävention von HCV-Infektionen durch, stößt man unweigerlich darauf hin, dass die erste
Maßnahme zum Eindämmen der Übertragung die abstinenzorientierte Behandlung von
Maßnahme zum Eindämmen der Übertragung die abstinenzorientierte Behandlung von
Drogenabhängigkeit sein müsse (CDC 1998).
Drogenabhängigkeit sein müsse. Dies steht im Widerspruch zur eigentlichen Idee von ''Harm Reduction'', denn dort ist als oberstes Ziel die Stabilisierung des Gesundheitszustandes und das Verhindern von Neuinfektionen angegeben (CDC 1998, Weber und Fischer 1996).
Auf einer anderen Ebene kann man sich auch die Frage stellen, ob es menschenrechtlich
Auf einer anderen Ebene kann man sich auch die Frage stellen, ob es menschenrechtlich
überhaupt zu vertreten ist, eine Drogenpolitik, wie sie in China herrscht, zu unterstützen.
überhaupt zu vertreten ist, eine Drogenpolitik, wie sie in China herrscht, zu unterstützen.
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==Herausforderungen an die Regierung==
==Herausforderungen an die Regierung==


Für Schadensminimierung oder Risikominimierung stehen einige Methoden zur Verfügung. Viele, wie z.B. ein Drogenkonsumraum, sind momentan undenkbar und noch weit davon entfernt, in China auf Zustoß zu treffen. Expertengruppen informieren sich zwar durchaus im Ausland über die dortigen Möglichkeiten und Strategien, dies können sie jedoch nur sehr langsam in ihrer Arbeit aufnehmen können.
Für Schadensminimierung oder Risikominimierung stehen einige Methoden zur Verfügung. Viele, wie z.B. ein Drogenkonsumraum, sind momentan undenkbar und noch weit davon entfernt, in China Anklang zu finden. Expertengruppen informieren sich zwar im Ausland über die dortigen Möglichkeiten und Strategien, können dies jedoch nur sehr langsam in ihrer Arbeit aufnehmen.
Leider stellen sich auch der weiteren Einführung bereits bekannter Programme einige Schwierigkeiten in den Weg, die es gilt, zu beseitigen bzw. zu umgehen. In diesem Rahmen soll auf die zahlenmäßig und regional äußerst unterschiedliche Verteilung der verschiedenen Maßnahmen und den Konflikt zwischen Politik und juristischer Landschaft aufmerksam gemacht werden.
Leider stellen sich auch der weiteren Einführung bereits bekannter Programme einige Schwierigkeiten in den Weg, die es gilt, zu beseitigen bzw. zu umgehen. In diesem Rahmen soll auf die zahlenmäßig und regional äußerst unterschiedliche Verteilung der verschiedenen Maßnahmen und den Konflikt zwischen Politik und juristischer Landschaft aufmerksam gemacht werden.


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HIV-Infektionen und Drogenabhängigen konzentriert, allen voran in den Provinzen Yunnan,
HIV-Infektionen und Drogenabhängigen konzentriert, allen voran in den Provinzen Yunnan,
Guangxi oder Xinjiang, in denen auch die meisten Versuchsreihen neuer Strategien
Guangxi oder Xinjiang, in denen auch die meisten Versuchsreihen neuer Strategien
durchgeführt wuden und werden (Hammett et al. 2005).
durchgeführt werden (Hammett et al. 2005).
Gerade diese flächenmäßig und inhaltlich ungleiche Einführung von Harm Reduction wird
Gerade diese flächenmäßig und inhaltlich ungleiche Einführung von Harm Reduction wird
dafür verantwortlich gemacht, dass die Präventionsprogramme ineffektiver ausfallen, als sie
dafür verantwortlich gemacht, dass die Präventionsprogramme ineffektiver ausfallen, als sie

Aktuelle Version vom 6. Juli 2009, 11:07 Uhr

Internationaler Kooprationen als Chance und Risiko

Die im Artikel erwähnten Strategien zur Schadensminimierung sind keine chinesische Erfindung, sondern in der westlichen Welt gängige Praxis zur vorrangigen Vorbeugung von HIV- und HCV-Infektionen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nehmen nicht nur bei der Implementation sondern auch bei der Umsetzung der neuen Strategien eine bedeutende Stellung ein. Beratungsangebote beispielsweise, von staatlicher Hand organisiert, werden nur sehr zurückhaltend wahrgenommen aus Angst vor Stigmatisierung und Kriminalisierung. Chen und seine Kollegen (2007) konnten einen Erfolg der sog. outreach work durch NGOs verzeichnen. Die Autoren schlagen deshalb vor, die Durchführung von Harm Reduction Programmen NGOs zu übertragen, da sie anonym und flexibler agieren können. Unglücklicherweise sind immer noch nicht genügend NGOs vorhanden, um den größten Teil der unter erhöhtem Risiko Lebenden zu erreichen. Mangelnde finanzielle Ressourcen oder ungenügende Kooperation mit der Regierung können hierfür verantwortlich gemacht werden. Entgegen der eigentlichen Definition, nach der „non governmental organizations“ - wie bereits der Titel verraten soll - unabhängig von staatlichen Einflüssen agieren, finden sich in China nur sog. Semi-NGOs. Mitarbeiter einer Semi-NGO sind formal in der Regierung beschäftigt und arbeiten ehrenamtlich in den Organisationen. Durch die Verbindung zur Regierung und der damit zusammenhängenden finanziellen Unterstützung, hat sich die chinesische Regierung ein wertvolles Werkzeug gestaltet, mit dem auf einer Wissensbasis schnell reagiert und stigmatisierte Randgruppen besser erreicht werden können (Bluthenthal et al. 2000, Qian et al. 2006). Um offiziell als NGO in China legal registriert zu sein, müssen sich die Organisationen bei entsprechenden Abteilungen der Regierung um eine Förderung bemühen bzw. die Mitglieder um Positionen in der Abteilung bewerben. Falls die Förderung nicht gestattet wird und die Bewerbungen abgelehnt werden, ist es diesen Organisationen nicht erlaubt als NGO tätig zu sein oder aufzutreten (Sullivan und Wu 2007). Alle abgelehnten Bewerber haben noch die Möglichkeit als kommerzielle Organisation zu arbeiten, erhalten allerdings keine staatlichen Zuschüsse, was sowohl die Arbeit per se erschwert oder gar unmöglich macht, aber auch die Qualität beeinträchtigt. Somit kann die chinesische Regierung sehr selektiv vorgehen und nur den Organisationen den Titel einer NGO zusprechen, die bereit sind im Sinne des Staates zu agieren und keine revolutionären Gedanken an den Tag legen.

Auch andere internationale Organisationen, wie beispielsweise die World Health Organization (WHO), United Nations Office of Drugs and Crime (UNODC) oder der United Nations Working Group on AIDS (UNAIDS) sind im Kampf gegen Drogenkriminalität und Verbreitung von HIV-Infektionen tätig. Diese letztgenannte Gruppe richtet ihre Arbeit allerdings darauf, Informationen über die Ursachen, Verhaltensmuster und Trends des Drogenkonsums auf staatlicher Ebene zu verbreiten, um diese dann für die Gestaltung einer angemessenen Drogenpolitik zu verwenden. Die globalen Programme der WHO gegen AIDS, sowie UNAIDS oder UNODC übernehmen wichtige Aufgaben hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der chinesischen Regierung, indem sie sektorenübergreifende Diskussionen mit Experten organisieren und überhaupt ermöglichen und Projekte überregional und international, v.a. in den Grenzbereichen im asiatisch-pazifischen Raum, koordinieren (UNODC 2007, Wu et al. 2007). Ein Beispiel für überregionale und internationale Zusammenarbeit wäre die Entwicklung einer Alternative zur Kultivierung des Schlafmohns mit regionalem Schwerpunkt auf dem „Goldenen Dreieck“, Myanmar, Laos und Vietnam (Chinnanon 2002).

Mit Hilfe internationaler Kooperation wurde sicherlich bereits ein Schritt zur Verhinderung der befürchteten AIDS-Epidemie gemacht. Auch wenn diese Katastrophe nicht in dem genannten Ausmaß auftritt, so ist es den Organisationen gelungen, das Bewusstsein der Regierung über die Problematik zu schärfen und Teile der Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Leider wurde in diesem Zug verpasst oder vernachlässigt, auf die nicht geringere Gefahr einer HCV Infektion aufmerksam zu machen. Daten über HIV Infektionen lassen sich inzwischen schon sehr gut und differenziert finden, Statistiken über HCV im Gegensatz werden nicht einmal von der WHO aufgeführt. Darüber hinaus sollten auch deren Arbeit und Einfluss hinterfragt werden. Sind die von der WHO, UNODC oder UNAIDS eingeführten Programme auch nachhaltig wirksam? Denn auch internationale Organisationen verfolgen eigene Interessen, die nicht nur die Gesundheit betreffen, und sind nicht frei von politischen Einflüssen. So dürfen beispielsweise US-amerikanische Fördergelder nicht für den Aufbau von Spritzen- und Nadelaustauschprogrammen verwendet werden (Qian et al. 2006). Liest man sich des Weiteren die Empfehlung des US Department of Health and Human Services für die Prävention von HCV-Infektionen durch, stößt man unweigerlich darauf hin, dass die erste Maßnahme zum Eindämmen der Übertragung die abstinenzorientierte Behandlung von Drogenabhängigkeit sein müsse. Dies steht im Widerspruch zur eigentlichen Idee von Harm Reduction, denn dort ist als oberstes Ziel die Stabilisierung des Gesundheitszustandes und das Verhindern von Neuinfektionen angegeben (CDC 1998, Weber und Fischer 1996). Auf einer anderen Ebene kann man sich auch die Frage stellen, ob es menschenrechtlich überhaupt zu vertreten ist, eine Drogenpolitik, wie sie in China herrscht, zu unterstützen. Warum werden Menschen, die offiziell an Sucht, (laut Definition der WHO oder der American Psychiatric Association) einer chronisch reversiven Krankheit (Koob und Le Moal 2001), leiden, eingesperrt und teilweise trotzdem nicht behandelt? Zwar entwerfen und bieten UNODC Alternativen zur Inhaftierung, wie die Legalisierung bzw. Nicht-Sanktionieren des Konsums, um Gefängnisse zahlenmäßig nicht zu überlasten (Smit 2007), diese werden jedoch von Seiten der Regierung offensichtlich noch nicht wahrgenommen. Oder: warum kann und darf eine Suchttherapie so unterschiedlich aussehen? Wenn man diese mit Möglichkeiten zur Behandlung der Abhängigkeit von legalen Substanzen wie Alkohol und Tabak vergleicht, wird der Unterschied besonders deutlich. Alkoholabhängige werden stationär substituiert entgiftet und erhalten therapeutische Betreuung und Therapie. Darüber hinaus ist es gesetzlich verboten, einem Alkoholabhängigen aufgrund seiner Sucht zu kündigen. Bei illegalem Substanzmissbrauch handelt es sich jedoch um eine kriminelle Straftat und wird folglich nicht im Arbeitsschutz integriert.

Herausforderungen an die Regierung

Für Schadensminimierung oder Risikominimierung stehen einige Methoden zur Verfügung. Viele, wie z.B. ein Drogenkonsumraum, sind momentan undenkbar und noch weit davon entfernt, in China Anklang zu finden. Expertengruppen informieren sich zwar im Ausland über die dortigen Möglichkeiten und Strategien, können dies jedoch nur sehr langsam in ihrer Arbeit aufnehmen. Leider stellen sich auch der weiteren Einführung bereits bekannter Programme einige Schwierigkeiten in den Weg, die es gilt, zu beseitigen bzw. zu umgehen. In diesem Rahmen soll auf die zahlenmäßig und regional äußerst unterschiedliche Verteilung der verschiedenen Maßnahmen und den Konflikt zwischen Politik und juristischer Landschaft aufmerksam gemacht werden.

Vor nicht all zu langer Zeit hat auch China die durchweg positiven Auswirkungen von Harm Reduction Programmen auf die Prävention von Neuinfektionen mit dem HI-Virus erkannt. Seither stocken die Gesundheitsbehörden die verschiedenen Einrichtungen für hilfesuchende Drogenabhängige oder andere Risikogruppen weiter auf. In allen Bezirken mit mehr als 500 registrierten Drogensüchtigen sind bereits staatlich finanzierte und unterstützte Methadon Maintenance Stationen und Spritzenaustausch Programme eingerichtet. In anderen Gebieten mit weniger Abhängigen bzw. Registrierten haben die zuständigen Behörden zwar die Erlaubnis erhalten, Hilfeeinrichtungen zu gestalten, diese werden allerdings nicht staatlich gefördert und damit oft nicht verwirklicht (Hammett et al. 2008, Sullivan und Wu 2007). Als Konsequenz dieser Bestimmung ergab sich eine äußerst ungleiche und uneinheitliche Durchsetzung der verschiedenen Programme je nach Einstellung und Willkür der Regierenden auf Provinz- und Bezirksebene. Dagegen lassen sich besagte Risikogruppen im ganzen Land verteilt finden (Qian et al. 2006, Sullivan und Wu 2007). So überrascht es nicht, dass sich die Mehrzahl der Hilfeeinrichtungen in Provinzen mit sehr hohen Raten an HIV-Infektionen und Drogenabhängigen konzentriert, allen voran in den Provinzen Yunnan, Guangxi oder Xinjiang, in denen auch die meisten Versuchsreihen neuer Strategien durchgeführt werden (Hammett et al. 2005). Gerade diese flächenmäßig und inhaltlich ungleiche Einführung von Harm Reduction wird dafür verantwortlich gemacht, dass die Präventionsprogramme ineffektiver ausfallen, als sie es eigentlich könnten (Sharma et al. 2007). Um ein besseres Ergebnis erzielen zu können müssen die Einrichtungen, v.a. Methadonstationen, zugänglicher gemacht werden, da das Substitutionsprogramm eine tägliche Einnahme des Medikaments erfordert. Insbesondere in ländlichen Gegenden, wo der Großteil aller intravenösen Drogenkonsumenten lebt, müssen die Programme umgesetzt und eingerichtet werden. Aufgrund der teilweise enormen Distanz zur nächsten Stadt hat besonders dieser Teil der Bevölkerung weder die Mittel noch die Mobilität dorthin zu gelangen. Folglich haben sie weder Zugang zu der täglich benötigten Methadondosis, noch zu sterilem Injektionsmaterial (Qian et al. 2006).

Um Drogenmissbrauch und damit zusammenhängende gesundheitsschädliche Konsequenzen, besonders unter intravenösen Drogenkonsumenten, einzuschränken, ist eine breitere Umsetzung der Präventionsprogramme unabdingbar. Ohne staatliche Unterstützung ist dies in einem Land wie China nicht denkbar. Sofern die Zuständigen der chinesischen Regierung überzeugt werden können, bietet das politische System durchaus auch Vorteile, die in diesem Kontext genützt werden müssen. So können mit der stark zentralisierten Steuerung gesundheitliche Angelegenheiten und Herausforderungen, wie die Verbreitung von HIV-Infektionen, relativ gut verbreitet werden (Hillier und Shen 1996, Michels et al. 2007a, Qian et al. 2006). Trotz des nachweislich positiven Einflusses der Harm Reduction Programme müssen chinesische Gesundheitsbeauftragte leider immer noch staken Widerspruch und Widerstand bei der weiteren Verbreitung der neuen Strategien für eine verbesserte Gesundheitsversorgung erfahren. Mit der Verankerung von Harm Reduction Strategien im chinesischen Gesetz hat die Regierung einen ersten großen Schritt unternommen, um gesundheitsschädliche Folgen des Drogenkonsums zu reduzieren. Mit akzeptanzorientierter Drogenarbeit auf der einen Seite und harten strafrechtlichen Verfolgungen von Drogendelikten auf der Anderen hat die chinesische Regierung aber gleichzeitig auch einen Konflikt zwischen Politik und juristischer Landschaft geschaffen (Fang et al. 2006, Lu et al. 2007). Während das Ministerium für Öffentlichen Gesundheit sehr an einer Verbesserung und Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten von Drogenabhängigkeit und Harm Reduction Programme interessiert sind, verfolgt das Ministerium für Öffentliche Sicherheit weiterhin den Ansatz der strafrechtlichen Sanktionen von Drogenbesitz und –missbrauch (Qian et al. 2006). Durch diese selbst geschaffene juristische Verwirrung wird die weitere Ausweitung von Harm Reduction behindert. Auch wenn der Einfluss polizeilicher Maßnahmen auf HIV-Infektionen noch weiterer Untersuchung bedarf, wird von einem kausalen Zusammenhang berichtet (Burris und Strathdee 2006). Drogenabhängige Konsumenten sind sehr zurückhaltend an einem Programm für Schadensbegrenzung teilzunehmen, aus Angst in der Nähe der Einrichtung polizeilich aufgegriffen zu werden (Friedman et al. 2006, Qian et al. 2006). Zwischen den einzelnen Sektoren finden weder Gespräche statt, noch wurden Abkommen getroffen, die diese widersprüchlichen Ansichten auf einen gemeinsamen Nennen bringen könnten. Im Gegenteil, die kontraproduktiven Vorgehensweisen werden sogar auf beiden Seiten staatlich finanziert. Dabei stehen die verschiedenen Sektoren in direkter Konkurrenz zueinander und wetteifern um einen möglichst großen Anteil der staatlichen Ressourcen, wobei eine gegenseitige Abstimmung finanziell entlasten könnte (Tang und Hao 2007). Deshalb müssen das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und ihre Exekutivorgane davon überzeugt werden, dass Harm Reduction Programme kosten-effektiv und wirksam sind (Sullivan und Wu 2007). Darüber hinaus wäre es äußerst vorteilhaft, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit in den Prozess der Ausweitung und Verbesserung von Harm Reduction Programmen mit einzubeziehen. Dies könnte ein erster Schritt sein, die Einstellung der Gegenseite zu verstehen und ihr Respekt entgegen zu bringen, um eine gemeinsame Lösungsstrategie zu entwickeln (Heinz 2002). Nach Hammett, Wu et al. (2008) kann und muss keine Entscheidung zwischen der Einstellung der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit getroffen werden, aber eine Balance zwischen den zwei Sektoren zu finden ist für ein besseres Resultat der Harm Reduction Programme ausschlaggebend (Hammett et al. 2008). Da im Prinzip jedoch das Verbot von Drogenkonsum das Problem verursacht, sollte dringlichst über die Legalisierung des Konsums verhandelt werden bzw. zumindest über eine Nicht- Sanktionierung bei Drogenkonsum. Somit wäre das Ministerium für Öffentliche Sicherheit von ihrer „Pflicht“ der Strafverfolgung befreit und wirklich „akzeptanzorientierte Drogenarbeit“ kann stattfinden.