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De Huizen vzw strebt eine kleine und restaurative Haftstrafe an, die die Wiedereingliederung fördert und das Risiko eines Rückfalls reduziert. Zu diesem Zweck arbeitet die Organisation mit Organisationen wie der Liga für Menschenrechte und ohne Mauern zusammen.
De Huizen (die Häuser) ist ein belgischer gemeinnütziger Verein, der 2012 von Lieven Nollet, Hans Claus (Direktor des [http://www.smbg-famd.be/fr/prison-audenaerde.html Gefängnisses Oudenaarde in Belgien]), Marjan Gryson, Ronald Demeyere, Eleni De Roeck und Sara De Hantsetters gegründet wurde und die Ersetzung der Gefängnisse durch eine kleine und restaurative Haftstrafe in normalen Wohnhäusern anstrebt, um die Wiedereingliederung von Straftätern zu fördern und ihr Rückfall-Risiko zu vermindern. Der Verein kooperiert mit Organisationen wie Without Walls, Touché vzw, Moderator (Forum für restaurative Justice & Mediation) und De Kiem (der Keim).


Hauptziel ist die Schaffung kleiner Haftanstalten, in denen die Probleme beherrschbar bleiben und die Häftlinge zur Verantwortung gezogen werden. Diese Form der Inhaftierung ist ein konstruktiver Vorschlag für eine letztlich sicherere Gesellschaft. Die Vision ist, dass sozial eingebettete Haftanstalten die Gefangenen in ihrer Würde stärken, was sie ermutigt, auch nach ihrer Freilassung Verantwortung zu übernehmen[2][3].
Im Jahr 2013 veröffentlichte die Liga voor Mensenrechten (Liga für Menschenrechte) das Buch ''Huizen - Naar een duurzame penitentiaire aanpak (Houses - Towards a sustainable penitentiary approach)'' mit infrastrukturellen Antworten, Gesetzesvorschlägen, Personal- und Kostenplänen, Modellen und Diskussionsbeiträgen z.B. zum Problem ablehnender Reaktionen der Anwohner (sog. Nimby-Syndrom; "not in my back-yard"). Für die Ziele der Organisation werben in der Öffentlichkeit u.a. die Schauspieler Marijn Devalck und Matthias Schoenaerts.


De Huizen strebt "kleine, differenzierte Formen maßgeschneiderter Haft an, die besser verankert und in das soziale Gefüge integriert sind"[4]. Statt einheitlicher Regeln und einer Fokussierung auf Sicherheit und Einzelhaft wird eine sinnvollere Haftzeit vorgeschlagen, in der die Gefangenen nach der Vollstreckung der Strafe auf lebenslange Haft vorbereitet werden. Zu diesem Zweck wird ein individueller Lösungsplan erstellt, in dem die Häftlinge von Plan- und Hausberatern angeregt werden, ein soziales Netzwerk und eine positive soziale Rolle als Rückfallhemmnis zu schaffen.
== Konzept ==
Hauptziel ist die Realisierung eines ethisch verantwortlichen und sozial erfolgreichen Vollzugs von Freiheitsstrafen im 21. Jahrhundert mittels der Ersetzung großer Gefängnisse durch kleine und in normale Wohngegenden integrierte Hafthäuser, in denen die Probleme beherrschbar bleiben und die Häftlinge in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt und an die Übernahme von Verantwortung während und auch nach ihrer Haftzeit gewöhnt werden.


Nicht nur die Idee einer Freiheitsstrafe sollte geändert werden, sondern auch die Organisationsform der Haft sollte sich mit ihr weiterentwickeln. Die vorgeschlagene neue Infrastrukturform sind die Haftanstalten. Sie bringen Gefangene mit maximal drei Gruppen von zehn Personen zusammen. Die Differenzierung ist für diese Häuser von zentraler Bedeutung. Die Auslegung der Strafe, die Sicherheit und die Überwachung der Häftlinge werden in kleinerem Umfang organisiert, um sie stärker an der Reintegration auszurichten. Dies entspricht voll und ganz dem, was das Institut für soziale Verteidigung der Vereinten Nationen bereits 1975 empfohlen hat.
De Huizen strebt kleine, differenzierte Formen maßgeschneiderter Haft an, die besser verankert und in das soziale Gefüge integriert sind. Statt einheitlicher Regeln und einer Fokussierung auf Sicherheit und Vereinzelung wird eine sinnvollere Haftzeit vorgeschlagen, in der die Gefangenen auf das Leben in Freiheit vorbereitet werden. Zu diesem Zweck wird ein individueller Lösungsplan erstellt, in dem die Häftlinge angeregt werden, ein soziales Netzwerk und eine positive soziale Rolle als Rückfallhemmnis aufzubauen.


In diesen Haftanstalten sind die Gefangenen eher eingeladen, Teil der Gesellschaft zu sein, was in krassem Gegensatz dazu steht, wie die derzeitigen Gefängnisse für Schließung und Isolation sorgen. So müssen die Häftlinge beispielsweise voneinander lernen, um Vereinbarungen unter anderem über Reinigung und Kochen zu treffen. Die Häuser sind auch für Familienangehörige, Sozialarbeiter und Opfer und deren Familien zugänglich.
Eine neue Vorstellung von den Zielen der Freiheitsstrafe erfordert auch eine neue Organisationsform und Infrastruktur. In den vorgeschlagenen Hafthäusern leben maximal drei Gruppen à zehn Personen. Dabei ist die richtige Differenzierung von zentraler Bedeutung. Die Ausgestaltung der Haft erfolgt entsprechend den Empfehlungen des UNO-Instituts für soziale Verteidigung (UNSDRI) aus dem Jahre 1975 - auch in einem solchen überschaubaren Rahmen, um eine stärkere Ausrichtung der Haft an der Reintegration zu ermöglichen.


Eine dritte Säule ist neben dem Kleinen und der Differenzierung die "Verankerung des Strafvollzugs in der Gesellschaft". Mit De Huizen versuchen sie auch, einen sozialen und wirtschaftlichen Beitrag zu den konkreten Quartieren zu leisten, in denen sie sich befinden. So können Häftlinge beispielsweise ihr Küchendiplom und Hilfe in einem Sozialrestaurant erwerben oder das Obst und Gemüse aus ihrem Gemüsegarten sozial verkaufen. Auf diese Weise bereitet sie eine sinnvolle Inhaftierung auch auf das Leben nach der Bestrafung vor. Dieser Rahmen bietet dauerhafte Lösungen für Häftlinge und professionelle Helfer, bietet aber auch eine andere Sicht auf die "Abweichungen" der Gesellschaft.
UNSDRI 1975: "Große Strafanstalten können nicht auf Managementprozesse und Standardisierung verzichten. Alles, vom Essen bis zur Entspannung, muss in den Zeitplan aufgenommen werden. Die individuelle Wahl muss der Planung weichen. Die anonyme Atmosphäre in diesen großen Strafanstalten weckt Gefühle von Ohnmacht und Sinnlosigkeit, von Bitterkeit und Isolation. Die Institutionen betonen die Ablehnung derjenigen, denen sie zur Reintegration dienen, durch die Außenwelt. Sie tun also das Gegenteil von dem, was sie versuchen zu tun."


De Huizen erstellt seit einiger Zeit in Zusammenarbeit mit Politikern, Wissenschaftlern und Praktikern Geschäfts-, Personal- und Architekturpläne und berät Regierungen und andere Organisationen. Einige ihrer Ideen wurden bereits von der belgischen Regierung aufgegriffen, die beschlossen hat, Pilotprojekte in Form eines Übergangshauses durchzuführen. Hier können einige Gefangene, die am Ende ihrer Haft stehen, ihre letzten Monate absitzen. Es handelt sich um kleine Projekte, bei denen Unabhängigkeit, der Aufbau eines Netzwerks, die Suche nach einem Arbeitsplatz und das Erlernen der Funktionsfähigkeit außerhalb der Gefängnismauern im Mittelpunkt stehen.
Im Gegensatz zu den derzeitigen Gefängnissen mit ihren Prinzipien der Schließung und Isolation sind die Hafthäuser als Einladung an die Inhaftierten konzipiert, sich als Teil der Gesellschaft zu begreifen und zu entwickeln. Das fängt mit dem Treffen von Vereinbarungen über die Modalitäten des Zusammenwohnens an (Reinigung, Kochen etc.), hört damit aber nicht auf, zumal die Häuser auch für Familienangehörige, Sozialarbeiter sowie die von Taten Betroffenen und deren Familien zugänglich sind.


Im Jahr 2012 wurde der Verein in Gent von Lieven Nollet, Hans Claus (Direktor des Gefängnisses Oudenaarde), Marjan Gryson, Ronald Demeyere, Eleni De Roeck und Sara De Hantsetters gegründet. Im Jahr 2013 veröffentlichte die Liga voor Mensenrechten (Liga für Menschenrechte) das Buch Huizen - Naar een duurzame penitentiaire aanpak (Houses - Towards a sustainable penitentiary approach) mit infrastrukturellen Antworten, einem Personalplan, Gesetzesvorschlägen, Plänen und Modellen, aber auch mit Widerstand wie den angenommenen Mehrkosten oder dem NIMBY-Syndrom[5] Darüber hinaus kooperiert die gemeinnützige Organisation auch mit Without Walls, Touché vzw, Moderator (Forum für restaurative Gerechtigkeit & Mediation), De Kiem
Eine dritte Säule neben der ''Übersichtlichkeit'' (dem "Kleinen") und der ''Differenzierung'' ist die Verankerung des Strafvollzugs in der Gesellschaft. Die Hafthäuser versuchen auch, einen sozialen und wirtschaftlichen Beitrag zu den Wohnquartieren zu leisten, in denen sie sich befinden. So können Häftlinge beispielsweise ihr Küchendiplom in einem Sozialrestaurant erwerben oder das Obst und Gemüse aus ihrem Gemüsegarten sozial verkaufen. Auf diese Weise bereitet eine sinnvolle Inhaftierung auch auf das Leben danach vor. Dieser Rahmen bietet nicht nur dauerhafte Lösungen für Häftlinge und professionelle Helfer an, sondern ermöglicht auch eine differenziertere Sicht auf "Abweichungen" überhaupt.


Im Jahr 2014 etablierte sich der Schauspieler Marijn Devalck als Sprachrohr der Organisation[6].
== Aktivitäten==
De Huizen erstellt seit einiger Zeit in Zusammenarbeit mit Politikern, Wissenschaftlern und Praktikern Geschäfts-, Personal- und Architekturpläne. Einige Ideen wurden von der belgischen Regierung in recht bescheidenem Rahmen aufgegriffen.


Im Jahr 2016 erklärte Justizminister Koen Geens, dass er als Reaktion auf die Gefängnisstreiks kleinere Haftanstalten eröffnen werde[7] Im Juni 2018 plädierte Claus für die Ersetzung der derzeit 35 großen Haftanstalten durch 900 wesentlich kleinere Haftanstalten[8].
*2016 erklärte Justizminister Koen Geens, dass er als Reaktion auf die Gefängnisstreiks künftig auf kleinere Anstalten setzen werde.
Im August 2018 veröffentlichte der Föderale Öffentliche Dienst Justiz einen Aufruf zur Einrichtung eines Übergangshauses in Flandern und Wallonien. Durch dieses Pilotprojekt hätten ausgewählte Häftlinge die Möglichkeit, den letzten Teil ihrer Strafe auf alternative Weise zu verbringen[9].
*Im Juni 2018 plädierte Claus für die Ersetzung der derzeit 35 großen Haftanstalten durch 900 wesentlich kleinere Haftanstalten.
*Im August 2018 sprach sich das Justizministerium (Federale Overheidsdienst Justitie) für die Einrichtung von Übergangshäusern in Flandern und Wallonien für ausgewählte Gefangene aus. Dort sollen das Erlernen von Selbständigkeit, der Aufbau eines Netzwerks, die Suche nach einem Arbeitsplatz und allgemein das Erlernen sozialer Kompetenzen für das Leben nach der Haft im Mittelpunkt stehen.
 
== Siehe auch ==
*[[Hans Claus]] (in: Krimpedia)
*[[Rescaled]] (in: Krimpedia)
*[https://rondomprison.wordpress.com/2018/01/29/vrijheidsberoving-anno-2018/ Rondom Prison 29 Jan 2018  Vrijheidsberoving anno 2018]


== Weblinks und Literatur ==
== Weblinks und Literatur ==
*[https://www.dehuizen.be/nl/home Homepage]
*[https://www.dehuizen.be/nl/home Homepage]
*[https://nl.wikipedia.org/wiki/De_Huizen#cite_note-5 De Huizen in nl.wikipedia]
*Hans Claus, Kristel Beyens, Ronny De Meyer, Marjan Gryson & Liesbeth Naessens, Hrsg. (2013) Huizen - naar een duurzame penitentiaire aanpak. Brüssel: Academic & Scientific Publishers. (= Ergebnis eines Projekts der ''Liga voor Mensenrechten'' über "Differenzierte Vollstreckung von Strafen")
*[http://www.margotvanderstraeten.com/margot-vanderstraeten-interviewt-hans-claus/ Margot Vanderstraeten interviewt: gevangenisdirecteur Hans Claus (2015)]
*McSweeney, George (2018) Redefining the prison: Transitioning back to society. M.A. thesis Master of Architecture Professional, United Institute of Technology (PDF). Von de Huizen inspirierte Pläne für eine neue Hafthaus-Architektur.
*[https://www.knack.be/nieuws/belgie/moeten-we-alle-gevangenissen-sluiten-en-vervangen-door-kleine-detentiecentra/article-longread-1159907.html?cookie_check=1562763984 Jeroen de Preter & Simon Demeulemeester (2018) Moeten we alle gevangenissen sluiten en vervangen door kleine detentiecentra? Knack 13.06.2018]
*[https://listentosteve.wordpress.com Prisoners and ex-offenders: listening to Europe (about Hans Claus and de Huizen) 4 April 2014]
*[https://www.nytimes.com/2019/03/15/movies/matthias-schoenaerts-the-mustang.html Shattuck, Kathryn (2019) Matthias Schoenaerts Knows You’re Ogling Him. But He Has Grander Goals, Too. NYT 15 March 2019]
*Vander Beken, Tom (2016) The Role of Prison in Europe. Travelling in the Footsteps of John Howard. London.
[[Kategorie:Strafvollzug]]
[[Kategorie:Verein]]
[[Kategorie:Belgien]]