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=== Kultureller Kontext === | === Kultureller Kontext === | ||
Seine kulturelle Blüte erlebte Czernowitz als Vielvölkerstadt mit Ukrainern, Polen, Rumänen, Ruthenen, Juden, Roma und Deutschen während seiner Zugehörigkeit zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie und Hauptstadt des "Kronlandes" Bukowina. Bekannt war es vor allem für seine Architektur (ehem. erzbischöfliche Residenz; seit sowjetischer Zeit Sitz der Universität; griechisch-orthodoxe Kathedrale; Opernhaus; Stadttheater von 1905), seine Malerei und Literatur. Aus Czernowitz stammten u.a. die Kunsthistorikerin (und Ehefrau von Hermann Hesse) Ninon Ausländer (1895–1966), die Lyrikerin Rose Ausländer (1901–1988), die deutschsprachige jüdische und chinesische Schriftstellerin Klara Blum (1904-1971) und der Dichter Paul Celan (1920-1970). Der letzte lebende polnische jiddischsprachige Dichter aus und in Czernowitz ist Josef Burg (* 1912). | Seine kulturelle Blüte erlebte Czernowitz als Vielvölkerstadt mit Ukrainern, Polen, Rumänen, Ruthenen, Juden, Roma und Deutschen während seiner Zugehörigkeit zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie und Hauptstadt des "Kronlandes" Bukowina. Bekannt war es vor allem für seine Architektur (ehem. erzbischöfliche Residenz; seit sowjetischer Zeit Sitz der Universität; griechisch-orthodoxe Kathedrale; Opernhaus; Stadttheater von 1905), seine Malerei und Literatur. Aus Czernowitz stammten u.a. Eugen Ehrlich, Erwin Chargaff, die Kunsthistorikerin (und Ehefrau von Hermann Hesse) Ninon Ausländer (1895–1966), die Lyrikerin Rose Ausländer (1901–1988), die deutschsprachige jüdische und chinesische Schriftstellerin Klara Blum (1904-1971) und der Dichter Paul Celan (1920-1970). Der letzte lebende polnische jiddischsprachige Dichter aus und in Czernowitz ist Josef Burg (* 1912). Wilhelm Reich und Wilhelm Stekel gingen in Czernowitz aufs Gymnasium. In der Stadt wirkten zudem der Biochemiker Erwin Chargaff (1905–2002), der Rechtssoziologe Eugen Ehrlich (1862–1922), der Architekt und Visionär Friedrich Kiesler (1890–1965) und der Schriftsteller Gregor von Rezzori (1914–1998). | ||
Durch die Ermordung der Juden und die Umsiedlung und Vertreibung ganzer Volksgruppen, vor allem der Deutschen und der Rumänen, ging diese Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren. Die jüdische Gemeinde von Czernowitz in der Diaspora hält heute noch durch die Zeitung «Die Stimme» weltweit Kontakt untereinander. | Durch die Ermordung der Juden und die Umsiedlung und Vertreibung ganzer Volksgruppen, vor allem der Deutschen und der Rumänen, ging diese Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren. Die jüdische Gemeinde von Czernowitz in der Diaspora hält heute noch durch die Zeitung «Die Stimme» weltweit Kontakt untereinander. | ||
=== Universität === | === Universität === | ||
Die Franz-Josephs-Universität Czernowitz war 1875 anlässlich der 100jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gegründet worden. Sie befand sich teilweise im Pädagogium in der Bischofsgasse, teilweise (Naturwissenschaften) im Priesterhaus bei der Residenz (nebst verschiedenen Sammlungen). Bis zum Ende der deutschen Universität im Jahre 1918 lehrten dort u.a. Joseph Schumpeter, Eugen Ehrlich und Franz Exner. Als die Monarchie zerfiel, hörte auch "Cisleithanien", der Teil der Monarchie, zu dem die Bukowina gehört hatte, zu bestehen auf. Czernowitz gehörte kurz zu Polen (Oktober/November 1918) und dann als Cernăuţi - unterbrochen durch eine kurze erste sowjetische Besatzung (1940) zu Rumänien (November 1918-1944), gefolgt von einer erneuten sowjetischen Herrschaft (1944-1991). Seit 1991 ist Tscherniwzi Teil der Ukraine und die Universität firmiert nunmehr als Yuri Fedkovych National University Tscherniwzi. | Die Franz-Josephs-Universität Czernowitz war 1875 anlässlich der 100jährigen Zugehörigkeit zu Österreich von Constantin Tomaszczuk gegründet worden. Sie befand sich teilweise im Pädagogium in der Bischofsgasse, teilweise (Naturwissenschaften) im Priesterhaus bei der Residenz (nebst verschiedenen Sammlungen). Bis zum Ende der deutschen Universität im Jahre 1918 lehrten dort u.a. Joseph Schumpeter (1909-1911), Friedrich von Kleinwächter, Eugen Ehrlich und Franz Exner. Als die Monarchie zerfiel, hörte auch "Cisleithanien", der Teil der Monarchie, zu dem die Bukowina gehört hatte, zu bestehen auf. Czernowitz gehörte kurz zu Polen (Oktober/November 1918) und dann als Cernăuţi - unterbrochen durch eine kurze erste sowjetische Besatzung (1940) zu Rumänien (November 1918-1944), gefolgt von einer erneuten sowjetischen Herrschaft (1944-1991). Seit 1991 ist Tscherniwzi Teil der Ukraine und die Universität firmiert nunmehr als Yuri Fedkovych National University Tscherniwzi. | ||
=== Franz Exner === | === Franz Exner === | ||
Der Strafrechtler und Kriminologe [[Franz Exner]] lehrte von 1912-1916 an der Universität Czernowitz. Er verfaßte während dieser Zeit seine [[Kriminalpolitik|kriminalpolitische]] Schrift "Die Theorie der Sicherungsmittel" (1914), in der er sich für ein zweispuriges, aus [[Strafen]] und [[Maßnahmen]] bestehendes [[Strafrecht]] stark machte. | Der Strafrechtler und Kriminologe [[Franz Exner]] lehrte von 1912-1916 an der Universität Czernowitz. Er verfaßte während dieser Zeit seine [[Kriminalpolitik|kriminalpolitische]] Schrift "Die Theorie der Sicherungsmittel" (1914), in der er sich für ein zweispuriges, aus [[Strafen]] und [[Maßnahmen]] bestehendes [[Strafrecht]] stark machte. | ||
== Literatur == | == Literatur == |