Corporate Compliance: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 16: Zeile 16:
==Verpflichtung / Non-Compliance==
==Verpflichtung / Non-Compliance==


Für einzelne Branchen gibt es hierzu konkrete gesetzliche Vorgaben (bspw. § 25a I KWG, § 33 I Nr. 3 WpHG; SEC-gelistete Unternehmen unterliegen den Compliance-Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Actes). Im Übrigen wird allgemeinhin aus den Haftungs- und Pflichtenregeln für Unternehmensverantwortliche (insbes. § 130 OWiG, §§ 76, 91 II, 116 AktG, § 43 GmbHG) eine Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Maßnahmen gefolgert, die den Anforderungen eines CMS entsprechen.
Für einzelne Branchen gibt es konkrete gesetzliche Vorgaben zur Einrichtung eines Compliance-Programms (bspw. § 25a I KWG, § 33 I Nr. 3 WpHG für Kreditinstitute; an der US-Börse gelistete Unternehmen unterliegen den Compliance-Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Actes). Abgesehen von diesen Bestimmungen gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ob eine Verplichtung zur Einrichtung eines Compliance Management Systems besteht. Zumindest die herrschende Meinung bejaht diese für größere Unternehmen und sieht in den Haftungs- und Pflichtenregeln für Unternehmensverantwortliche (insbes. § 130 OWiG, §§ 76, 91 II, 116 AktG, § 43 GmbHG) eine Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Maßnahmen, die den Anforderungen eines Compliance Management Systems entsprechen.  
 
Abgesehen von den Bestimmungen des WpHG gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ob eine Verplichtung zur Einrichtung eines Compliance Management Systems besteht. Zumindest die herrschende Meinung bejaht diese für größere Unternehmen.
 
Die Folgen von Non-Compliance ergeben sich somit aus jeder sanktionierenden Norm eine Rechtsgrundlage für die praktische Gebotenheit eines CMS im Unternehmen darstellt. Diese lassen sich unterteilen in Sanktionen gegen das Unternehmen (sog. Business Risks) und wirtschaftliche als auch straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den einzelnen Unternehmensangehörigen, neben den Mitarbeitern auch handelnde Organe (sog. Personal Risks)(Bock 2009).


Die nachteiligen Folgen von Non-Compliance führen dazu, dass im Grunde jede sanktionierenden Norm eine Rechtsgrundlage für die praktische Gebotenheit eines Compliance Management Systems im Unternehmen darstellt. Folgen von Non-Compliance lassen sich dabei unterteilen in Sanktionen gegen das Unternehmen (sog. Business Risks) und wirtschaftliche als auch straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den einzelnen Mitarbeitern oder handelndes Organ (sog. Personal Risks)(Bock 2009).


Business Risks*:
Business Risks*:

Version vom 9. März 2010, 17:51 Uhr

Infolge veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen und gestiegenen Stakeholder-Anforderungen sehen sich Unternehmen zunehmend mit wachsenden Risiken aus Vertößen gegen Gesetze und sonstigen Regularien konfrontiert. Dieser Entwicklung wird seitens der Unternehmen durch die Einführung von Maßnahmen im Bereich Compliance begegnet. Nach einer Studie zur Wirtschaftskriminalität 2009 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers verfügen derzeit 44% deutscher Großunternehmen über derartige Compliance-Programme.


Definition und Abgrenzung

Als Compliance wird das Einhalten und Befolgen von Gesetzen und Richtlinien, vertraglicher Verpflichtungen und freiwilliger Selbstverpflichtungen durch Organmitglieder, Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens bezeichnet (Hauschka 2007). Compliance kann somit aus der allgemeinen Organisationsverantwortung (Sorgfaltspflicht) für Vorstände bzw. Geschäftsführer (vgl. §§ 92 AktG, 43 GmbHG) abgeleitet werden. Erstmals kodifiziert wurde der Begriff durch die Aufnhame in den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der eine freiwillige Selbstverpflichtung für deutsche börsennotierte Unternehmen darstellt (s. dazu auch unter Verpflichtung / Non-Compliance). Bereits vor seiner Kodifizierung hat der Begriff der Compliance Einzug in die Betriebswirtschaft gehalten und wurde dabei in Folge von Bilanz- und Finanzskandalen überwiegend im Zusammenhang mit den Begriffen des "Fraud and Error" (zum Begriff Fraud s. auch Fraud Tree) im US-amerikanischen Raum, in Deutschland mit den Begriffen der Wirtschaftskriminalität, bzw. (bewusste) Verstöße und unbewusster Unrichtigkeiten in Zusammenhang gebracht. Durch eine mangelnde Compliance können dem Unternehmen Schäden durch wirtschaftskriminelle oder rechtswidrige Handlungen entstehen. Durch seine Kontrollfunktion erfüllt ein Compliance Management System, eine im Unternehmen geschaffene Organisation, die durch verschiedene Maßnahmen bzw. Instrumente die Compliance sicherstellt, einen wesentlichen Beitrag zur Prävention wirtschaftskrimineller Handlungen.

Da der Begriff in seiner betriebswirtschaftlichen Bedeutung ausschließlich einen Bezug zu Unternehmen aufweist, wird häufig der Begriff der Corporate (~Unternehmens) Compliance verwendet, auch um einer möglichen Verwechselung mit der Begrifflichkeit aus anderen Disziplinen (bspw. der Medizin) vorzubeugen. Corporate Compliance ist dabei abzugrenzen von der Begrifflichkeit Corporate Governance, die als weiter gefasster Begriff alle gesetzlichen Regeln und anerkannte Standards einer guten und ordnungsgemäßen Unternehmnesführung beschreibt. Corporate Compliance kann als Teil der Corporate Governance beschrieben werden. Ebenfalls zu unterscheiden ist der Begriff von der Corporate Social Responsibility, die die sozialen und ethischen Pflichten der Geschäftsführung iens Unternehmens zusammenfasst und damit über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht.

Etymologie

Nach der Wortbedeutung entstammt das Nomen Compliance der englischen Sprache und wird übersetzt als das Einverständnis, das Einhalten (~with rules), die Willfährigkeit bzw. die Fügsamkeit. „In compliance with law / our wishes“ wird übersetzt als dem Gesetz / unseren Wünschen gemäß. Das Verb „to comply“ bedeutet einwilligen (einer Person), die Bedingungen erfüllen / den Bedingungen entsprechen (Objekt, System etc.) oder einer Sache entsprechen (to comply with s.th.) bzw. in Einklang mit etw. stehen. In anderen Sprachzusammenhängen wird es übersetzt mit eine Vertragsbedingung erfüllen (~with a clause), einer/m Bitte / Wunsch / Anordnung nachkommen oder entsprechen oder sich an die Regeln halten (~with rules).

Verpflichtung / Non-Compliance

Für einzelne Branchen gibt es konkrete gesetzliche Vorgaben zur Einrichtung eines Compliance-Programms (bspw. § 25a I KWG, § 33 I Nr. 3 WpHG für Kreditinstitute; an der US-Börse gelistete Unternehmen unterliegen den Compliance-Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Actes). Abgesehen von diesen Bestimmungen gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ob eine Verplichtung zur Einrichtung eines Compliance Management Systems besteht. Zumindest die herrschende Meinung bejaht diese für größere Unternehmen und sieht in den Haftungs- und Pflichtenregeln für Unternehmensverantwortliche (insbes. § 130 OWiG, §§ 76, 91 II, 116 AktG, § 43 GmbHG) eine Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Maßnahmen, die den Anforderungen eines Compliance Management Systems entsprechen.

Die nachteiligen Folgen von Non-Compliance führen dazu, dass im Grunde jede sanktionierenden Norm eine Rechtsgrundlage für die praktische Gebotenheit eines Compliance Management Systems im Unternehmen darstellt. Folgen von Non-Compliance lassen sich dabei unterteilen in Sanktionen gegen das Unternehmen (sog. Business Risks) und wirtschaftliche als auch straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den einzelnen Mitarbeitern oder handelndes Organ (sog. Personal Risks)(Bock 2009).

Business Risks*:

  • empfindliche Geldbußen (z.B. gemäß § 130 III OWiG Bußgelder bis zu 1 Mio. EUR)
  • Schadensersatzforderungen Dritter
  • schwerwiegende Reputationsschäden / Imageverluste
  • verstärkte Auftragsverluste
  • Vertrauensverluste bei Share-, Stakeholdern, Lieferanten und Kunden
  • dauerhafter Ausschluss von öffentlichen Vergaben (sog. „blacklisting“).

Personal Risks*:

  • Geld- und in besonders schweren Fällen Haftstrafe
  • Schadensersatzforderungen
  • Abmahnung und Kündigung.


*nicht abschließende Aufzählung

Zielsetzung und Aufbau eines Compliance Management Systems

Ziel jedes Compliance Managment Systems ist das Hinwirken auf die Einhaltung gesetzlicher Normen oder unternehmensdefinierter Vorgaben, um so Haftungsansprüche oder andere Rechtsnachteile für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und Organe zu vermeiden (Hauschka 2008). Einen Pflichtenkatalog mit konkreten Anforderungen an ein Compliance Management System gibt es aus Gründen einer mangelnden Verpflichtung zur Einrichtung nicht. Es kann daher im Folgenden auch nur von empfehlungen gesprochen werden.

Neben einer notwendigen Organisation gibt es verschiedene Maßnahmen / Instrumente für eine effiziente Compliance.


Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Datei fehlt
(möglicher) Aufbau eines Compliance Management Systems: eigene Darstellung

Organisation

Zuständigkeiten im Hinblick auf die Umsetzung und Überwachung der Compliance-Maßnahmen´werden dabei oftmals auf einen "Compliance-Officer" übertragen, der seine Tätigkeit unabhängig in Form einer Stabsstelle ausführen sollte.

Maßnahmen / Instrumente

Maßnahmen bzw. Instrumente im Rahmen von Compliance Management Systemen können dabei verschiedene Rechtsgebiete betreffen. Kartellrecht Datenschutzrecht, aber auch zur Verhinderung von Korruption

wichtig hierbei immer "tone at the top"

unternehmensinterne Regelwerke

Unternehmenskultur wird durch ethische Werte geprägt

Unternhemensrichtlinien als eine am Strafrecht orientierte wirtschaftliche Kommunikation beschreiben dabei eine im Unternehmeninteresse ausgeübte und nach innen wirkende soziale Kontrolle (Theile 2008).

Hinweisgebersysteme

XXX

Mitarbeiterschulungen

sichergestellt, dass ein Mitarbeiter in der Lage ist, sich in einer kritischen Situation rechts- und richtlinienkonform zu verhalten, um so einer auf Unwissenheit gründenden Strafbarkeit zu entgehen.

Kriminologische Relevanz

Auf der 11. Wissenschaftliche Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft (KrimG) vom 17.-19. September 2009 wurde das Thema Compliance angesichts aktueller Entwicklungen wie der Bankenkrise erstmals in Form eines praxisorientierten Austauschs mit Unternehmensvertretern diskutiert.

Derzeit fehlt es aber noch an einer entsprechenden empirischen Evaluation der in Unternehmen eingesetzten Maßnahmen, nicht zuletzt begründet durch den nur schweren Zugang zu bestehenden Erkenntnissen seitens der Unternehmen.

Für eine interne Kriminalprävention muss eine Unternehmenskultur entwickelt werden, die in allen Bereichen eines Unternehmens auf ethischen Werten, Transparenz und Fairness gründet (Bussmann 2004). Corporate Compliance folgt diesem Ansatz. Unternehmenskultur vermag auch die informelle soziale Kontrolle der Unternehmensangehörigen zu prägen und zwar hinsichtlich einer Kontrollfunktion durch Abschreckung. Aber nicht durch Sanktionen sondern durch soziale Missbilligung auf eine Straftat im persönliche-informellen Umfeld des Täters. Der Täter unterliegt bei steigender Transparenz einer höheren Entdeckungswahrscheinlichkeit. Dabei steigen ebenfalls die Tathemmungen, da sie Status in der Gemeinschaft nicht gefährden wollen. Als schutzmechanismus entwickeln die Täter daraufhin Rechtfertigungs- und Neutralisationstechniken (Bussmann 2009).


Insbesondere über Unternehmensrichtlinien aber auch über deren Absicherung durch Compliance-Maßnahmen wird soziale Kontrolle ausgeübt (Theile 2008).

Eine Kriminologie des Managements (Bussmann 2003)

Zur Wirksamkeit von Compliance Management Systemen gibt es derzeit nur US-amerikanische Studien und Untersuchungen. Diese belegen jedoch weder eindeutig dessen Wirksamkeit noch dessen Scheitern bzw. Alibi-Funktion. Als Fazit könne hingegen gelten, dass die Grundlage einer wirksamen Compliance in der Schaffung einer Unternehmenskultur des "do-it-right" besteht (Pape 2009).

Literaturliste

  • Bock,Dennis (2009): Strafrechtliche Aspekte der Compliance-Diskussion - § 130 OWiG alws zentrale Norm der Criminal Compliance, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2/2009, S.68-81.
  • Bussmann,Kai-D. (2003): Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht - Zu einer Kriminologie des Managements, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Heft 2, S.89-104.
  • Bussmann,Kai-D. (2004): Kriminalprävention durch Business Ethics - Ursachen von Wirtschaftskriminalität und die besondere Bedeutung von Werten, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (ZFWU) 5/1, S.35-50.
  • Bussmann,Kai-D. (2009): Steinbeis-Compliance und Integrity Monitor - Nachhaltigkeit durch Mitarbeiterbefragung, in: Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance (ZRFC) 5/2009, S.220-226.
  • Dieners,Peter (2007): Vermeidung von Korruptionsrisiken aus Unternehmenssicht, in: Dölling,Dieter [Hrsg.]: Handbuch der Korruptionsprävention für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung, 1. Aufl. München: Beck.
  • Fecker,Jörg und Kinzl,Ulrich-Peter (2010): Ausgestaltung der arbeitsrechtlichen Stellung des Compliance-Officers – Schlussfolgerungen aus der BSR-Entscheidung des BGH, in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 1/2010, S.13-20.
  • Hauschka,Christoph [Hrsg.](2007): Corporate Compliance - Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, 1. Aufl. München, Beck.
  • Pape,Jonas (2009: Zur Wirksamkeit von Corporate Compliance, in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 6/2009, S.233-236.
  • Scherer,Josef [Hrsg.] (2009): Geschäftsführer-Compliance - Praxiswissen zu Pflichten, Haftungsrisiken und Vermeidungsstrategien, 1. Aufl. Berlin, Schmidt (Erich).
  • Schubert,Marco (2008): Konzeption und Implementierung eines Compliance-Systems - Kernelemente und Handlungsempfehlungen, 1. Aufl. Saarbrücken: VDM Dr. Müller.
  • Theile,Hans (2008): Unternehmensrichtlinien - Ein Beitrag zur Prävention von Wirtschaftskriminalität? in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 9/2008, S.406-418.
  • Vetter,Eberhard (2008): Compliance in der Unternehmenspraxis, in: Wecker,Gregor und van Laak,Hendrik [Hrsg.]: Compliance in der Unternehmenspraxis - Grunddlagen, Organisation und Umsetzung, 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
  • Wecker,Gregor und Galla,Stefan (2008): Pflichten der Geschäftsleitung & Aufbau einer Compliance Organisation, in: Wecker,Gregor und van Laak,Hendrik [Hrsg.]: Compliance in der Unternehmenspraxis - Grunddlagen, Organisation und Umsetzung, 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.

Links


WBMA Kriminologie 2009/10, Prüfungsleistung Modul 1