Chicago School: Unterschied zwischen den Versionen

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Inspiriert durch diese direkte Auseinandersetzung mit sozialen Phänomenen legte [[Park]] auch noch später als Dozent der Soziologie besonderen Wert auf das '''‚Kennen’''' von Menschen (becoming ''aquainted with'') und weniger auf das systematische '''‚Wissen’''' über Menschen (gaining ''knowledge about''). Auch in seinen Arbeiten ist ein ausgeprägter Schwerpunkt auf '''empirische Forschung''' zu erkennen. Neben der '''Großstadtsoziologie''' galt das Hauptinteresse der Chicagoer Soziologen unter anderem '''abweichendem und kriminellem Verhalten''' (deviance and delinquence).
Inspiriert durch diese direkte Auseinandersetzung mit sozialen Phänomenen legte [[Park]] auch noch später als Dozent der Soziologie besonderen Wert auf das '''‚Kennen’''' von Menschen (becoming ''aquainted with'') und weniger auf das systematische '''‚Wissen’''' über Menschen (gaining ''knowledge about''). Auch in seinen Arbeiten ist ein ausgeprägter Schwerpunkt auf '''empirische Forschung''' zu erkennen. Neben der '''Großstadtsoziologie''' galt das Hauptinteresse der Chicagoer Soziologen unter anderem '''abweichendem und kriminellem Verhalten''' (deviance and delinquence).


== 2 Methodologie ==
==Methodologie ==


Den meisten Chicagoer Studien lag eine '''Kombination verschiedener Methoden''' zugrunde. Keine Studie basierte nur auf einer einzelnen Methode. Durch den so genannten '''‚multimethod-approach’''' sollte der Forscher sich dem Untersuchungsgegenstand von möglichst vielen Perspektiven aus nähern. Zu den Methoden zählten unter anderem die Auswertung von gerichtlichen Daten, psychologischen Gutachten, statistischen Erhebungen und persönlichen Dokumenten. Auch informelle Interviews, literarische Elemente, historische und aktuelle Berichterstattungen gehörten zu dem Datenmaterial für qualitative Studien. Beobachtung und Interviews sollten vor allem den '''face-to-face-Kontakt''' zu den Untersuchten herstellen. Das bei den Untersuchungen vorherrschende '''‚interessenlose Interesse’''', welches den anderen verstehen, nicht aber moralisch bewerten oder verändern sollte, erinnert an die Methode der teilnehmenden Beobachtung. Mit diesem verstehenden Ansatz richtete sich Park gegen die damals populäre ‚Big-C-Sociology’, die sich hauptsächlich mit ‚charity’, ‚crime’ und ‚correction’ beschäftigte. Park wollte sich abweichendem Verhalten als soziologischem Phänomen '''‚von innen her’''' nähern und die Standpunkte der Untersuchten bewusst mit einbeziehen. Jon Snodgrass kritisierte an dieser Vorgehensweise jedoch, dass die moralische Einstellung des Forschers nicht immer sauber von dem methodischen Vorgehen getrennt wurde und sich somit '''implizite moralische Bewertungen''' in die Studien einschlichen (s.a. Studien zu den Chicago Dance-Halls). Manche Einzelstudien, die gleichzeitig versuchten, den Delinquenten in die Gesellschaft einzugliedern (The Jack-Roller von C. Shaw), setzten ebenfalls die Akzeptanz der damals gängigen Normen und Werte voraus.
Den meisten Chicagoer Studien lag eine '''Kombination verschiedener Methoden''' zugrunde. Keine Studie basierte nur auf einer einzelnen Methode. Durch den so genannten '''‚multimethod-approach’''' sollte der Forscher sich dem Untersuchungsgegenstand von möglichst vielen Perspektiven aus nähern. Zu den Methoden zählten unter anderem die Auswertung von gerichtlichen Daten, psychologischen Gutachten, statistischen Erhebungen und persönlichen Dokumenten. Auch informelle Interviews, literarische Elemente, historische und aktuelle Berichterstattungen gehörten zu dem Datenmaterial für qualitative Studien. Beobachtung und Interviews sollten vor allem den '''face-to-face-Kontakt''' zu den Untersuchten herstellen. Das bei den Untersuchungen vorherrschende '''‚interessenlose Interesse’''', welches den anderen verstehen, nicht aber moralisch bewerten oder verändern sollte, erinnert an die Methode der teilnehmenden Beobachtung. Mit diesem verstehenden Ansatz richtete sich Park gegen die damals populäre ‚Big-C-Sociology’, die sich hauptsächlich mit ‚charity’, ‚crime’ und ‚correction’ beschäftigte. Park wollte sich abweichendem Verhalten als soziologischem Phänomen '''‚von innen her’''' nähern und die Standpunkte der Untersuchten bewusst mit einbeziehen. Jon Snodgrass kritisierte an dieser Vorgehensweise jedoch, dass die moralische Einstellung des Forschers nicht immer sauber von dem methodischen Vorgehen getrennt wurde und sich somit '''implizite moralische Bewertungen''' in die Studien einschlichen (s.a. Studien zu den Chicago Dance-Halls). Manche Einzelstudien, die gleichzeitig versuchten, den Delinquenten in die Gesellschaft einzugliedern (The Jack-Roller von C. Shaw), setzten ebenfalls die Akzeptanz der damals gängigen Normen und Werte voraus.


Parks Kollege Burgess wiederum verknüpfte die empirischen Studien unter Einbezug von Statistiken und Kartenmaterial mit generellen Theorien. Auf '''‚base maps’''' wurde die Anatomie des Untersuchungsgebietes dargestellt und auf '''‚spot maps’''' wurden die interessierenden Phänomene im Raum eingetragen. So konnten zum Beispiel Kriminalitätsverteilung und Täterverteilung dargestellt und untersucht werden. Diese Art von '''‚mapping’''' gilt als Vorläufer der aktuellen [[Kriminalgeographie]]. Die Unterscheidung von Tatorten und Wohnorten der Täter wurde allerdings erst später eingeführt.
Parks Kollege [[Burgess]] wiederum verknüpfte die empirischen Studien unter Einbezug von Statistiken und Kartenmaterial mit generellen Theorien. Auf '''‚base maps’''' wurde die Anatomie des Untersuchungsgebietes dargestellt und auf '''‚spot maps’''' wurden die interessierenden Phänomene im Raum eingetragen. So konnten zum Beispiel Kriminalitätsverteilung und Täterverteilung dargestellt und untersucht werden. Diese Art von '''‚mapping’''' gilt als Vorläufer der aktuellen [[Kriminalgeographie]]. Die Unterscheidung von Tatorten und Wohnorten der Täter wurde allerdings erst später eingeführt.


== 3 Zentrale Theorien ==
== 3 Zentrale Theorien ==