Cesare Beccaria: Unterschied zwischen den Versionen

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===Reformgedanken===
===Reformgedanken===
In der Kriminologie werden häufig Beccarias Reformbemühungen hervorgehoben:
*Ersatz der Todesstrafe durch lebenslange öffentliche Zwangsarbeit. Die Todesstrafe ist ebenfalls widersinnig und auch mit dem Selbsttötungsverbot nicht zu vereinbaren, dass ein Mensch per Vertrag einem anderen Menschen das Recht einräumt, ihn gegebenenfalls zu töten. Der Strafzweck, die Abschreckung wird eher durch lebenslange Zwangsarbeit als durch die Todesstrafe erreicht, weil der Mensch kurze aufwühlende Ereignisse wie eine Hinrichtung schnell vergesse, während der regelmäßige Anblick eines dauernden Elends von nachhaltiger, tatsächlich bessernder Wirkung sei. In Kapitel XVI finden sich die meisten der heute noch verwendeten Argumente. Das Kapitel beginnt in der Übersetzung von Thomas Vormbaum (Beccaria 2005: 48) mit den Worten: ''"Diese nutzlose Häufigkeit der Strafvollstreckungen, die noch niemals die Menschen besser gemacht hat, hat mich veranlaßt, zu untersuchen, ob die Todesstrafe in einer wohl organisierten Regierungsform wirklich nützlich und gerecht ist. - Wie kann das Recht, Seinesgleichen zu töten, beschaffen sein, das die Menschen in Anspruch nehmen? Mit Sicherheit ist es nicht jenes Recht, aus dem Souveränität und Gesetze sich ableiten. Denn diese sind nichts anderes, als die Summe der kleinsten Anteile der persönlichen Freiheit eines jeden; diese stellen den gemeinen Willen dar, der aus den einzelnen Willen zusammengesetzt ist. Wer hätte jemals anderen Menschen die Befugnis, ihn zu töten, einräumen wollen?"'' -- Allerdings befürwortet Beccaria die Todesstrafe in zwei Fällen: „Der Tod eines Bürgers kann nur aus zwei Beweggründen für notwendig gehalten werden. Der erste ist dann gegeben, wenn er auch unter dem Entzug der Freiheit noch derartige Beziehungen und eine so große Macht hat, daß die Sicherheit der Nation davon betroffen ist und die Tatsache daß er lebt, eine gefährliche Umwälzung der bestehenden Regierungsform hervorrufen könnte. [...] sein Tod wäre der rechte und einzige Zügel, um die anderen von der Begehung eines Verbrechens abzuhalten.“ (Beccaria, Cesare: Über Verbrechen und Strafen – Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben von Wilhelm Alff, S. 124, Frankfurt am Main / Leipzig: Insel Verlag Frankfurt am Main 1998.)
 
*Willkürverbot für die Polizei
*Willkürverbot für die Polizei
*Strenge Bindung der Richter an das Gesetz
*Strenge Bindung der Richter an das Gesetz
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*Gewährung ausreichender Zeit für die Verteidigung
*Gewährung ausreichender Zeit für die Verteidigung
*Zügige Abwicklung des Strafverfahrens
*Zügige Abwicklung des Strafverfahrens
*Unschuldsvermutungen zugunsten des nicht überführten Täters (in dubio pro reo)
*Unschuldsvermutung (in dubio pro reo)
*Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung
*Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung
*Abschaffung der Folter
*Abschaffung grausamer Strafarten
*Abschaffung grausamer Strafarten
*Ersatz der Todesstrafe, außer bei Hochverrat, durch lebenslängliche, öffentlich vollzogene Zwangsarbeit
 
*Primat vorbeugender Kriminalpolitik (Prävention statt Repression mittels Aufklärung der Bürger, Toleranz, Bildung und Erziehung)
*Primat der Prävention vor der Repression (Aufklärung der Bürger, Toleranz, Bildung und Erziehung)
*Proportionalität von Verbrechen und Strafe
*Proportionalität von Verbrechen und Strafe
*Gleichbehandlung von Adligen und Bürgern
*Gleichbehandlung von Adligen und Bürgern
*Durchsetzung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“
*Durchsetzung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“
*Abschaffung der Folter


Cesare Beccaria wird auch gerne von Gegnern der Todesstrafe zitiert. Im Kapitel 16 von "Von Verbrechen und Strafen" finden sich die meisten auch heute noch angeführten Argumente gegen die Todesstrafe. Es beginnt in der Übersetzung von Thomas Vormbaum (2005: 48) mit den Worten: ''"Diese nutzlose Häufigkeit der Strafvollstreckungen, die noch niemals die Menschen besser gemacht hat, hat mich veranlaßt, zu untersuchen, ob die Todesstrafe in einer wohl organisierten Regierungsform wirklich nützlich und gerecht ist. - Wie kann das Recht, Seinesgleichen zu töten, beschaffen sein, das die Menschen in Anspruch nehmen? Mit Sicherheit ist es nicht jenes Recht, aus dem Souveränität und Gesetze sich ableiten. Denn diese sind nichts anderes, als die Summe der kleinsten Anteile der persönlichen Freiheit eines jeden; diese stellen den gemeinen Willen dar, der aus den einzelnen Willen zusammengesetzt ist. Wer hätte jemals anderen Menschen die Befugnis, ihn zu töten, einräumen wollen?"''


Während die Notwendigkeit von Strafen aus der egoistischen Natur des Menschen und die Befugnis zu Strafen aus dem Gesellschaftsvertrag erwächst, beschränkt sich diese Befugnis auf das für den Erhalt der Gesellschaft erforderliche Maß. Wichtigster Strafzweck ist die Abschreckung. Strafen müssen unmittelbar, kräftig und unaufhörlich auf die Sinne einwirken. Einziger Maßstab für die Beurteilung von Strafen ist der Schaden, der der Allgemeinheit und Einzelpersonen zugefügt wird.  
Während die Notwendigkeit von Strafen aus der egoistischen Natur des Menschen und die Befugnis zu Strafen aus dem Gesellschaftsvertrag erwächst, beschränkt sich diese Befugnis auf das für den Erhalt der Gesellschaft erforderliche Maß. Wichtigster Strafzweck ist die Abschreckung. Strafen müssen unmittelbar, kräftig und unaufhörlich auf die Sinne einwirken. Einziger Maßstab für die Beurteilung von Strafen ist der Schaden, der der Allgemeinheit und Einzelpersonen zugefügt wird.  


Die Folter ist abzuschaffen, weil sie widersinnig und unmenschlich ist. Der Unschuldige kann dabei nur verlieren: er wird auf Verdacht mit Folter bestraft - und falls er schwach ist, gesteht er (das führt zu einer weiteren Bestrafung); falls er frei gesprochen wird, ist seine Ehre dennoch ruiniert. Der Schuldige kann durch die Folter ein kleineres Übel gegen ein größeres eintauschen: falls er stark ist, widersteht er der Folter und wird freigesprochen. Außerdem ist durch Folter jedes beliebige - auch falsche - Geständnis einholbar.   
Die Folter ist abzuschaffen, weil sie widersinnig und unmenschlich ist. Der Unschuldige kann dabei nur verlieren: er wird auf Verdacht mit Folter bestraft - und falls er schwach ist, gesteht er (das führt zu einer weiteren Bestrafung); falls er frei gesprochen wird, ist seine Ehre dennoch ruiniert. Der Schuldige kann durch die Folter ein kleineres Übel gegen ein größeres eintauschen: falls er stark ist, widersteht er der Folter und wird freigesprochen. Außerdem ist durch Folter jedes beliebige - auch falsche - Geständnis einholbar.   
Die Todesstrafe ist ebenfalls widersinnig und auch mit dem Selbsttötungsverbot nicht zu vereinbaren, dass ein Mensch per Vertrag einem anderen Menschen das Recht einräumt, ihn gegebenenfalls zu töten. Der Strafzweck, die Abschreckung wird eher durch lebenslange Zwangsarbeit als durch die Todesstrafe erreicht, weil der Mensch kurze aufwühlende Ereignisse wie eine Hinrichtung schnell vergesse, während der regelmäßige Anblick eines dauernden Elends von nachhaltiger, tatsächlich bessernder Wirkung sei.
Allerdings befürwortet Beccaria die Todesstrafe in zwei Fällen: „Der Tod eines Bürgers kann nur aus zwei Beweggründen für notwendig gehalten werden. Der erste ist dann gegeben, wenn er auch unter dem Entzug der Freiheit noch derartige Beziehungen und eine so große Macht hat, daß die Sicherheit der Nation davon betroffen ist und die Tatsache daß er lebt, eine gefährliche Umwälzung der bestehenden Regierungsform hervorrufen könnte. [...] sein Tod wäre der rechte und einzige Zügel, um die anderen von der Begehung eines Verbrechens abzuhalten.“ (Beccaria, Cesare: Über Verbrechen und Strafen – Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben von Wilhelm Alff, S. 124, Frankfurt am Main / Leipzig: Insel Verlag Frankfurt am Main 1998.)
   
   
Prävention ist wichtiger als das Strafen. Dabei greift Beccaria einen Gedanken von Montesquieus weiterführend auf: „Ich beabsichtige nicht, den gerechten Abscheu zu verringern, den diese Verbrechen [Kindsmord, Homosexualität; K.R.] verdienen; aber indem ich auf ihre Quellen hinweise, glaube ich das Recht zu haben, einen verallgemeinernden Schluß daraus zu ziehen, nämlich daß die Strafe eines Verbrechens nicht im genauen Sinn gerecht (will sagen notwendig) heißen kann, ehe nicht das Gesetz das unter den gegebenen Verhältnissen einer Nation bestmögliche Mittel angewandt hat, um dem Verbrechen vorzubeugen.“ (Beccaria, Cesare: Über Verbrechen und Strafen – Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben von Wilhelm Alff, S. 144ff., Frankfurt am Main / Leipzig: Insel Verlag Frankfurt am Main 1998.)
Prävention ist wichtiger als das Strafen. Dabei greift Beccaria einen Gedanken von Montesquieus weiterführend auf: „Ich beabsichtige nicht, den gerechten Abscheu zu verringern, den diese Verbrechen [Kindsmord, Homosexualität; K.R.] verdienen; aber indem ich auf ihre Quellen hinweise, glaube ich das Recht zu haben, einen verallgemeinernden Schluß daraus zu ziehen, nämlich daß die Strafe eines Verbrechens nicht im genauen Sinn gerecht (will sagen notwendig) heißen kann, ehe nicht das Gesetz das unter den gegebenen Verhältnissen einer Nation bestmögliche Mittel angewandt hat, um dem Verbrechen vorzubeugen.“ (Beccaria, Cesare: Über Verbrechen und Strafen – Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben von Wilhelm Alff, S. 144ff., Frankfurt am Main / Leipzig: Insel Verlag Frankfurt am Main 1998.)
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