Cesare Beccaria: Unterschied zwischen den Versionen

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Schließt sich den Theorien des Gesellschaftsvertrages an. Um eines sicheren und fruchtbaren Zusammenlebens willen verzichten die Menschen auf einen Teil ihrer Freiheit und legen ihn „als heiliges Depositum“ in die Hände ihres Herrschers. Differenziert die verschiedenen Ausprägungen der Theorie des Gesellschaftsvertrages nicht. Das Recht ist nach Beccaria die für das Wohl und den Nutzen aller unerlässliche Einschränkung der persönlichen Freiheit. Beccaria bezieht sich mit der Ablehnung der Folter ausdrücklich auf Montesquieus „De l’esprit des lois“ (7. Buch, 12. Kapitel), stellt aber Montesquieus Auffassung vom Adel als nützlicher und notwendiger Zwischengewalt zwischen Krone und Volk zur Sicherung der Freiheit in Frage. Er fragt, ob der Adel „nicht vielmehr eine Schicht bildet, welche alles Ansehen und alle Chancen, an denen die Menschen beteiligt wären, auf einen sehr engen gesellschaftlichen Kreis beschränkt, den fruchtbaren und lieblichen Oasen gleich, die in den weiten Sandwüsten Arabiens auftauchen“ (XXI. Kapitel).  
Schließt sich den Theorien des Gesellschaftsvertrages an. Um eines sicheren und fruchtbaren Zusammenlebens willen verzichten die Menschen auf einen Teil ihrer Freiheit und legen ihn „als heiliges Depositum“ in die Hände ihres Herrschers. Differenziert die verschiedenen Ausprägungen der Theorie des Gesellschaftsvertrages nicht. Das Recht ist nach Beccaria die für das Wohl und den Nutzen aller unerlässliche Einschränkung der persönlichen Freiheit. Beccaria bezieht sich mit der Ablehnung der Folter ausdrücklich auf Montesquieus „De l’esprit des lois“ (7. Buch, 12. Kapitel), stellt aber Montesquieus Auffassung vom Adel als nützlicher und notwendiger Zwischengewalt zwischen Krone und Volk zur Sicherung der Freiheit in Frage. Er fragt, ob der Adel „nicht vielmehr eine Schicht bildet, welche alles Ansehen und alle Chancen, an denen die Menschen beteiligt wären, auf einen sehr engen gesellschaftlichen Kreis beschränkt, den fruchtbaren und lieblichen Oasen gleich, die in den weiten Sandwüsten Arabiens auftauchen“ (XXI. Kapitel).  


===Forderungen===
===Reformgedanken===
In der Kriminologie werden häufig Beccarias Reformbemühungen hervorgehoben:
 
*Willkürverbot für die Polizei
*strikte Abhängigkeit des Richters vom Gesetz
*zügige Abwicklung des Strafverfahrens
*Gewährung ausreichender Zeit für die Verteidigung
*Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen
*Unschuldsvermutungen zugunsten des nicht überführten Täters (in dubio pro reo)
*Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung
*Abschaffung grausamer Strafarten
*Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslange Freiheitsstrafe
*Primat vorbeugender Kriminalpolitik (lieber Prävention statt Repression)
 
Cesare Beccaria wird auch gerne von Gegnern der Todesstrafe zitiert. Im Kapitel 16 von "Von Verbrechen und Strafen" finden sich die meisten auch heute noch angeführten Argumente gegen die Todesstrafe. Es beginnt in der Übersetzung von Thomas Vormbaum (2005: 48) mit den Worten:
 
''"Diese nutzlose Häufigkeit der Strafvollstreckungen, die noch niemals die Menschen besser gemacht hat, hat mich veranlaßt, zu untersuchen, ob die Todesstrafe in einer wohl organisierten Regierungsform wirklich nützlich und gerecht ist.
Wie kann das Recht, Seinesgleichen zu töten, beschaffen sein, das die Menschen in Anspruch nehmen? Mit Sicherheit ist es nicht jenes Recht, aus dem Souveränität und Gesetze sich ableiten. Denn diese sind nichts anderes, als die Summe der kleinsten Anteile der persönlichen Freiheit eines jeden; diese stellen den gemeinen Willen dar, der aus den einzelnen Willen zusammengesetzt ist. Wer hätte jemals anderen Menschen die Befugnis, ihn zu töten, einräumen wollen?"''
 
Während die Notwendigkeit von Strafen aus der egoistischen Natur des Menschen und die Befugnis zu Strafen aus dem Gesellschaftsvertrag erwächst, beschränkt sich diese Befugnis auf das für den Erhalt der Gesellschaft erforderliche Maß. Wichtigster Strafzweck ist die Abschreckung. Strafen müssen unmittelbar, kräftig und unaufhörlich auf die Sinne einwirken. Einziger Maßstab für die Beurteilung von Strafen ist der Schaden, der der Allgemeinheit und Einzelpersonen zugefügt wird.  
Während die Notwendigkeit von Strafen aus der egoistischen Natur des Menschen und die Befugnis zu Strafen aus dem Gesellschaftsvertrag erwächst, beschränkt sich diese Befugnis auf das für den Erhalt der Gesellschaft erforderliche Maß. Wichtigster Strafzweck ist die Abschreckung. Strafen müssen unmittelbar, kräftig und unaufhörlich auf die Sinne einwirken. Einziger Maßstab für die Beurteilung von Strafen ist der Schaden, der der Allgemeinheit und Einzelpersonen zugefügt wird.  


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In seinen letzten Lebensjahren litt Beccaria zunehmend unter familiären und gesundheitlichen Problemen. Seine Rolle als Prominenter genoss er überhaupt nicht. 1766 brach er einen Paris-Besuch, der ihn mit der Elite der Zeit zusammenbrachte, vorzeitig ab. Seine Frau starb 1774 nach längerem Leiden. Drei Monate nach dem Tod seiner Frau heiratete er erneut. Seine zwei Brüder und seine Schwester strengten Prozesse an, die ihn viele Jahre beschäftigten. Beccarias letzte Monate waren überschattet von der Tatsache, dass die von ihm begrüßte Französische Revolution in eine Phase des Terrors abglitt.
In seinen letzten Lebensjahren litt Beccaria zunehmend unter familiären und gesundheitlichen Problemen. Seine Rolle als Prominenter genoss er überhaupt nicht. 1766 brach er einen Paris-Besuch, der ihn mit der Elite der Zeit zusammenbrachte, vorzeitig ab. Seine Frau starb 1774 nach längerem Leiden. Drei Monate nach dem Tod seiner Frau heiratete er erneut. Seine zwei Brüder und seine Schwester strengten Prozesse an, die ihn viele Jahre beschäftigten. Beccarias letzte Monate waren überschattet von der Tatsache, dass die von ihm begrüßte Französische Revolution in eine Phase des Terrors abglitt.


=== Reformgedanken ===
In der Kriminologie werden häufig Beccarias Reformbemühungen hervorgehoben:
*Willkürverbot für die Polizei
*strikte Abhängigkeit des Richters vom Gesetz
*zügige Abwicklung des Strafverfahrens
*Gewährung ausreichender Zeit für die Verteidigung
*Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen
*Unschuldsvermutungen zugunsten des nicht überführten Täters (in dubio pro reo)
*Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung
*Abschaffung grausamer Strafarten
*Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslange Freiheitsstrafe
*Primat vorbeugender Kriminalpolitik (lieber Prävention statt Repression)
Cesare Beccaria wird auch gerne von Gegnern der Todesstrafe zitiert. Im Kapitel 16 von "Von Verbrechen und Strafen" finden sich die meisten auch heute noch angeführten Argumente gegen die Todesstrafe. Es beginnt in der Übersetzung von Thomas Vormbaum (2005: 48) mit den Worten:
''"Diese nutzlose Häufigkeit der Strafvollstreckungen, die noch niemals die Menschen besser gemacht hat, hat mich veranlaßt, zu untersuchen, ob die Todesstrafe in einer wohl organisierten Regierungsform wirklich nützlich und gerecht ist.
Wie kann das Recht, Seinesgleichen zu töten, beschaffen sein, das die Menschen in Anspruch nehmen? Mit Sicherheit ist es nicht jenes Recht, aus dem Souveränität und Gesetze sich ableiten. Denn diese sind nichts anderes, als die Summe der kleinsten Anteile der persönlichen Freiheit eines jeden; diese stellen den gemeinen Willen dar, der aus den einzelnen Willen zusammengesetzt ist. Wer hätte jemals anderen Menschen die Befugnis, ihn zu töten, einräumen wollen?"''


== Kritik ==
== Kritik ==
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