Vermögensabschöpfung im deutschen Strafrecht

Begriff

Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung (häufig auch Gewinnabschöpfung genannt) unterteilt sich grundsätzlich in die zwei Bereiche Verfall und Einziehung. Gemäß den Verfallsvorschriften sollen dem Täter oder Teilnehmer einer Straftat deliktisch erlangtes Vermögen entzogen werden. Die Einziehung erlaubt es dagegen, Gegenstände aus einer vorsätzlich begangenen Straftat einzuziehen. Begünstigter der Vermögensabschöpfung ist der Staat.


Zweck der Vermögensabschöpfung

Der Zweck der Vermögensabschöpfung äußert sich insbesondere in der Rechtsprechung zu den Verfallsvorschriften:

Die Täter/ Teilnehmer einer Straftat dürfen keinen finanziellen Nutzen aus ihrer Tat ziehen, und es darf nicht der Anschein erweckt werden, dass sich kriminelles Handeln lohnen würde. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung könnte Schaden nehmen, wenn die Täter/ Teilnehmer einer Straftat deliktisch erlangtes Vermögen bzw. die daraus gewonnenen Vorteile dauerhaft behalten dürfen.

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit den Verfallsvorschriften im Wesentlichen, einen aus einer Straftat erlangten finanziellen Vorteil abzuschöpfen. Dem Grundgedanken folgend, ist der Staat verpflichtet, jegliche Anreize zur Begehung gewinnorientierter Delikte abzuwenden.

Ziel der Vermögensabschöpfung ist es, die Vermögensordnung nach einer deliktischen Handlung wiederherzustellen. Die Verfallsvorschriften sollen darüber hinaus eine general- und spezialpräventive Wirkung entfalten, indem der Staat dem Täter/ Teilnehmer deliktisch Erlangtes entzieht und vor Augen führt, dass strafrechtswidrige Bereicherung nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen.


Anspruchsgrundlagen

Die strafrechtlichen Vorschriften zur Vermögensabschöpfung betreffen die §§ 73 bis 76a StGB. Die Bestimmungen zum Verfall finden sich in den §§ 73 bis 73e StGB. Der Einziehung liegen die §§ 74 bis 74f StGB zugrunde. Der § 75 StGB umfasst Sondervorschriften für Organe und Vertreter, während die §§ 76 und 76a StGB gemeinsame Vorschriften bezüglich Verfall und Einziehung zum Inhalt haben.

Des Weiteren nehmen die strafrechtlichen Vorschriften der Vermögensabschöfung Bezug auf zivilrechtliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, insbesondere auf Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung der §§ 812 ff. BGB.


Verfall

Grundtypen des Verfalls

Der Verfall unterscheidet grundsätzlich drei Grundtypen

a) Täterbezogene Verfall (§ 73 Abs.1 u. 2 StGB): Die Voraussetzung für einen täterbezogenen Verfall ist eine rechtswidrige Tat. Eine vorsätzliche Tat wird im Gegensatz zur Einziehung nicht vorausgesetzt, so dass Verfall auch bei Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Ferner muss der Täter/ Teilnehmer einer Tat unmittelbar aus der Straftat etwas, einen Vermögenszuwachs, erlangt haben.

b) Empfängerbezogene Verfall (73 Abs.3 StGB): Der empfängerbezogene Verfall unterscheidet sich vom täterbezogene Verfall dadurch, dass der Verfall sich gegen einen Unbeteiligten einer Tat richtet, der aus dieser Tat einen Vermögenszuwachs erlangt hat. Bei diesem Grundtyp, der sog. Vertreterklausel, handelt der Täter/ Teilnehmer der Tat für einen Dritten (Empfänger), ohne selbst bereichert zu werden. Für einen empfängerbezogenen Verfall ist es unerheblich, ob der Tatunbeteiligte Kenntnis von einer rechtswidrigen Tat hat. Demzufolge spielt es auch keine Rolle, der der Empfänger gut- oder bösgläubig ist.

c) Dritteigentümer Verfall (§ 73 Abs.4 StGB): Der dritteigentümer Verfall ist dann gegeben, wenn der Gegenstand des Verfalls einem Dritten gehört oder zusteht. Das Wort "gehören" beinhaltet das Eigentum an einer körperlichen Sache, während mit dem Wort "zustehen" die quasi-dingliche Inhaberschaft von Rechten verbunden ist. Voraussetzung für die Anwendung der sog. Drittverfallsklausel ist, dass der Dritte nicht selbst an der Tat beteiligt ist. Allerdings muss der Dritte bewusst den Gegenstand für die Tat oder mit Wissen der Tatumstände zur Verfügung stellen. Die Anordnung zum Verfall selbst richtet sich aber nicht gegen den Dritten, sondern den Täter/ Teilnehmer der Tat.


Vermögenszuwachs

Dem Verfall unterliegt nur der tatsächlich erlangte Vermögenszuwachs. Dabei umfasst der Vermögenszuwachs die Gesamtheit der wirtschaftlich messbaren Vorteile, die aus oder für eine Tat erlangt worden sind. Der Gegenstand des Verfalls lehnt sich an den Gegenstand der Bereicherung gemäß des Bürgerlichen Gesetzbuches an (§ 812 Abs.1 BGB).

Die Bereicherung im Sinne von "etwas erlangt" umfasst dabei bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder Rechte, aber auch Leistungen, Nutzungen, Vergünstigungen oder Einsparungen, solange ihnen ein wirtschaftlicher Wert zugerechnet werden kann.

In Anlehnung an das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 818 Abs.1 BGB) erstreckt sich der Verfall sowohl auf das etwas unmittelbar aus einer Straftat erlangte, als auch auf das etwas mittelbar aus einer Straftat erlangte (§ 73 Abs.2 StGB). Das mittelbar Erlangte untergliedert sich per Definition in Nutzungen (§§ 99, 100 BGB) und sog. Surrogaten. Nutzungen sind beispielsweise Zinsen, Dividenden oder Miet- und Pachteinnahmen. Dagegen betreffen Surrogate Ersatzgegenstände. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Gegenstände, die mit dem Veräußerungserlös infolge des Verkaufs von erlangten Gegenständen erworben worden sind. Die Abschöpfung des Ersatzgegenstandes liegt allerding im Ermessen des Gerichts. Anstelle der Anordnung des Verfalls des Surrogates muss das Gericht dann den Wertersatzverfall anordnen.

Bei der Ermittlung des wirtschaftlich messbaren Vorteils kommt mit der Gesetzesänderung vom 7. März 1992 grundsätzlich das sog. Bruttoprinzip zur Anwendung. Beim Bruttoprinzip werden im Gegensatz zum früher geltenden Nettoprinzip die Aufwendungen des Täters, z.B. Reisekosten oder Einkaufspreise im Rahmen der Beschaffung von Betäubungsmitteln, nicht abgezogen. Dem Bruttoprinzip unterliegt folglich der gesamte Erlös ohne Abzüge.


Verfall von Wertersatz

Die vorgenannten Grundtypen betreffen den Verfall von etwas Erlangten, des Verfallsgegenstandes. Davon zu unterscheiden ist der Verfall vom sog. Wertersatz (§ 73a StGB). Der Verfall von Wertersatz beinhaltet einen Geldanspruch in Höhe des Erlangten. Der Wertersatzverfall findet dann Anwendung, wenn der Verfall des Erlangten unmöglich oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten durchführbar ist. Ansonsten entsprechen die Voraussetzungen des genannten Verfallstatbestandes auch denen des Wertersatzverfalls.

Die Unmöglichkeit des Verfalls kann sich einerseits aus der Art bzw. den Eigenschaften des Erlangten ergeben. In diesen Fällen lässt sich das Erlangte nur rein rechnerisch ermitteln. Beispiele hierfür sind ersparte Aufwendungen, z.B. Steueraufwendungen bei Steuerhinterziehung, oder die Nutzung von Gebrauchsvorteilen, z.B. die unentgeltliche Nutzung eines Fahrzeugs. Der Verfall des etwas Erlangten scheidet ebenfalls dann aus, wenn das Erlangte mit einer anderen Sache verbunden oder vermischt wurde und in Folge davon eine neue Sache entsteht oder das Erlangte in der Hauptsache untergeht. Ein weiterer Nichtdurchführungsgrund ist dann gegeben, wenn der Verfallsgegenstand einem an der Tat unbeteiligten Dritten gehört oder untergegangen, unauffindbar, verbraucht oder sonst irgendwie beiseite geschafft worden ist. Schließlich lässt sich der Wertersatzverfall auch dann beobachten, wenn ein scheinbar schwieriger aber nicht zwingend unmöglicher Verfall von Surrogaten vorliegt und aus eher praktikablen Gründen auf den Verfall von Ersatzgegenständen verzichtet wird.


Schätzung des Vermögenszuwachses

Die Ermittlung von Umfang und Wert des Vermögenszuwachses bereitet in der praktischen Umsetzung häufig Probleme. Für solche Fälle besteht die Möglichkeit, Umfang und Wert des Erlangten zu schätzen (§ 73d StGB). Eine Schätzung kann darüber hinaus auch angewendet werden, um die Höhe von Ansprüchen derjenigen festzustellen, die von der Tat betroffen sind und einen wirtschaftlichen Schaden erlitten haben (Geschädigte bzw. Verletzte). Diese Ansprüche sind insofern von Bedeutung, da sie im Rahmen der sog. Rückgewinnungshilfe den Ansprüchen aus dem Verfall vorgehen.

Die Schätzung darf allerdings nur aus der Notwendigkeit erfolgen, wenn feststeht, dass Umfang und Wert nicht eindeutig ermittelt werden können oder die Ermittlung einen unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit oder Kosten bedeuten würde. Die Entscheidung über die Durchführung einer Schätzung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Schätzung umfasst lediglich den Umfang und Wert des Erlangten. Die Frage, inwieweit der Verfall zulässig ist, muss als Voraussetzung vor der Schätzung bejahrt worden sein.


Rückgewinnungshilfe

Der Anspruch eines Verletzten bzw. Geschädigten hat Vorrang vor der Vermögensabschöpfung zugunsten der Staatskasse. Insoweit ist der Verfall in dem Maße ausgeschlossen, wie einem Geschädigten Ansprüche aus einer Tat zustehen (§ 73 Abs.1 Satz 2 StGB). An diese Vorschrift knüpft unmittelbar die Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs.5 StPO) an. Die Rückgewinnungshilfe beabsichtigt die Ansprüche von Verletzten bereits während der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zu sichern. Verletzte können natürliche Personen, Personenvereinigungen oder juristische Personen sein. Aber auch der Staat im Rahmen von Steuerdelikten oder Versicherungen, die für den ursprünglich Geschädigten bereits Ersatz geleistet haben, kommen als Verletzte in Betracht. Für die Durchführung der Rückgewinnungshilfe spielt es keine Rolle, dass der privatrechtliche Anspruch nicht geltend gemacht worden ist oder der Verletzte nicht ermittelt werden kann. Des Weiteren bedeutet die Regelung zur Rückgewinnungshilfe für die Strafverfolgungsbehörden in der Praxis keinen Unterschied zum Verfall. Auf die Sicherung von Gegenständen für privatrechtliche Ansprüche finden die selben Vorschriften Anwendung (§§ 73 und 73a StGB), die auch dem Verfall bzw. dem Wertersatzverfall zugrunde liegen.



Einziehung

Voraussetzungen der Einziehung

Die Vorschriften zur Einziehung (§ 74 ff. StGB) haben analog zu den Verfallsvorschriften eine general- und spezialpräventive Zielsetzung. Gemäß den Einziehungsvorschriften können Gegenstände eingezogen werden. Die Einziehung in Bezug auf Ob und Umfang der Einziehung unterliegt dabei dem pflichtmäßigen Ermessen des Gerichts.

Voraussetzung für eine mögliche Einziehung von Gegenständen ist, dass eine vorsätzliche rechtswidrige Straftat begangen wurde sowie der Versuch, die Teilnahme oder die versuchte Beteiligung an einer vorsätzlichen rechtswidrigen Straftat (§ 74 Abs.1 StGB). Darüber hinaus bedingt die Einziehung eine der folgenden Voraussetzungen:

a) Die Gegenstände gehören dem Täter/Teilnehmer einer Straftat oder stehen diesen zu (§ 74 Abs.2 Nr.1 StGB. Die Definitionen von "gehören" und "zustehen" entsprechen denen der sog. Drittverfallsklausel unter den Ausführungen zu Verfall.

b)Der einziehende Gegenstand ist gefährlich für die Allgemeinheit oder es besteht die Gefahr, dass der Gegenstand bei einer strafrechtswidrigen Tat zum Einsatz kommt, wie beispielsweise Falschgeld oder gefälschte Urkunden, (§ 74 Abs.2 Nr.2 StGB). In diesem Zusammenhang ist ein Gegenstand einerseits gefährlich aufgrund seiner Beschaffenheit. Dazu gehören beispielsweise Gifte, Sprengstoffe oder radioaktive Stoffe. Andererseits kann eine Gefährlichkeit gegeben sein infolge der Verwendung oder Verbindung mit anderen Gegenständen oder durch die Nachlässigkeit des Inhabers.


Gegenstände der Einziehung

Gegenstände im Sinne der Einziehung sind Sachen oder Rechte. Rechte betreffen Rechte an Sachen (z.B. Hypotheken), Anwartschaften oder Forderungen (z.B. Bankguthaben). Allerdings sind nur die Gegenstände selbst einziehbar aber nicht die Rechte an einem Gegenstand (z.B. Pfandrechte). Des Weiteren müssen die Gegenstände entweder unmittelbar aus einer Straftat entstanden sein (sog. productum sceleris) oder die Gegenstände werden gebraucht oder sind bestimmt gewesen als Tatmittel bzw. Tatwerkzeug zur Begehung, Förderung oder Vorbereitung einer Straftat (sog. instrumenta sceleris).

Tatmittel/ Tatwerkzeuge sind beispielsweise das Geld, das für illegales Glückspiel verwendet wird, die zur Tötung benutzte Waffe oder das zur Flucht bereitgestellte oder verwendete Fahrzeug. Dagegen betreffen Gegenstände, die unmittelbar durch die Tat hervorgebracht sind, beispielsweise eine zur Täuschung im Rechtsverkehr hergestellte Urkunde oder gefälschte Münzen.

Nicht unter die Einziehungsvorschrift fallen allerding die sog. Beziehungsgegenstände. Hierbei handelt es sich um Sachen und Rechte, die nicht Werkzeug für oder Produkte der Tat sind, sondern notwendige Gegenstände der Tat selbst. Während bei einem Transport von Betäubungsmitteln die verwendeten Fahrzeuge als Tatmittel/ Tatwerkzeuge dienen, stellen die beförderten Betäubungsmittel selbst Beziehungsobjekte dar.


Literatur

  • Adolf Schönke, Horst Schröder: Strafgesetzbuch, Kommentar, Verlag C.H. Beck München 2010, 28. Auflage 2010
  • BGH, Beschluss vom 28.11.2000 - 5 StR 371/00 (LG Kleve): Verfall bei bestehenden Steuerforderungen
  • Karl Lackner, Kristian Kühl: Strafgesetzbuch, Kommentar, Verlag C.H. Beck München 2011, 27. Auflage 2011