Die insgesamt rund 80.000 Personen starke und einst als Jäger und Sammler in zentralafrikanischen Bergwäldern lebende Pygmäen-Ethnie der Twa, Abatwa oder Batwa (ein Batwa-Individuum wird als Mutwa oder Omutwa bezeichnet) verteilt sich heute hauptsächlich auf die Staatsgebiete von Ruanda und Burundi. Insgesamt weniger als 20.000 Batwa leben auch in benachbarten Gegenden im Kongo und in Uganda. In diesem Beitrag geht es um die rund 35.000 Batwa in Ruanda, die dort mit einem Anteil von knapp 0,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung die bei weitem kleinste der drei Bevölkerungsgruppen darstellen [1].

Frühere Lebensweise

Die Batwa lebten früher laut deutscher Wikipedia in Bergwald-Siedlungen in Verwandtschaftsgruppen von 20-30 Personen: "Der Wald war ihre Nahrungsquelle, ihr Gott, ihre Welt. Sie hatten umfassendes Wissen über sein Ökosystem, kannten viele Heilpflanzen und weitere nützliche Pflanzen. Batwa-Männer trugen einfache Tierhäute, um ihre intimen Stellen zu bedecken und um ihre Arme zu dekorieren. Ihre Frauen trugen Perlenketten, Arm- und Fußringe. Neben ihren Fertigkeiten im Bogenschießen waren sie als gute Tänzer und begabte Harfenspieler bekannt. An den Höfen Ruandas und Burundis waren sie als Unterhalter und Soldaten geschätzt. Bis heute leben größere Gruppen von Batwa an den Orten der früheren Königshöfe in Muramvya in Burundi und in Nyanza in Ruanda. Insbesondere als die Waldflächen und damit ihre traditionellen Lebensgrundlagen schwanden, verlegten sich manche Twa-Gemeinschaften auf die Töpferei, die heute von einem Großteil der Batwa ausgeübt wird. Am burundischen Ufer des Tanganjikasees und auf der Insel Idjiwi im Kivusee gibt es Gemeinschaften von Batwa, die Fischerei betreiben."

In einer Darstellung aus dem frühen 20. Jahrhundert (in: Mensching 1987) hieß es: "Imana (Gott) schafft alle Menschen. Aber er teilt sie in Gruppen ein. Wenn Imana sie auch alle als Menschen schafft, so sind sie doch nicht gleich. Da sind die Twa, die Hutu und die Tutsi. Die Twa bestellen kein Feld. Wenn aber Hungersnot über Ruanda hereinbricht und manche Leute umkommen, sterben die Twa nicht - nicht einmal ein Kind der Twa. Sie bestellen kein Feld. Trotzdem kommen sie nicht um. Sie betteln. Was sie erbetteln nennen sie Erwerb. Es ist nur ein wenig Bettelkramm, bewahrt sie aber vor dem Tode. Selbst arme Tutsi bestellen keine Felder. Die Twa versuchen es nicht einmal. Sie leben von einem Tag in den anderen hinein. - Unter Twa als Definition steht: Ureinwohner Ruandas. Hut siedelten als zweite Gruppe. Sie kamen als Bantuneger vom Nordwesten. Tutsi sind eine hamitische Gruppe, die vermutlich im 11. Jahrhundert aus Äthiopien, Somalia oder dem Sudan eingewandert sind. - Die Twa sind gute und erfahren Jäger, die, da sie klein sind, sich leicht verstecken können. Doch auch die Hut und Tutsi jagen gern. - Ein Twa isst gern Schafsfleisch; Ziegenfleisch aber weist er ab. Die Twa sind Hörige des Königs. Einige sind auch Hörige von Tutsi, freilich nur Hörige der mächtigen Tutsi, die ihnen jeden Tag Schaf geben können. Die Twa sind Töpfer und machen u.a. schöne Pfeifenköpfe, die man imiduha nennt. Die Twa sind auch Träger von vornehmen Tutsi und tragen sie in ihren Tragkörben besser als die Hut. Ferner sind sie deren Gaukler. Man hat seinen Spaß an ihnen, an ihren Reden, Scherzen und Tänzen. Sie tanzen auch vor dem König. Am Königshofe sind die Twa und ihre Dienste sehr beliebt. - Wenn Twa merken, dass man an ihren Diensten Gefallen findet, verstehen sie meisterhaft zu betteln. Sie betteln die Tutsi um Schafsfleisch an. Einem Twa, der Höriger des Königs ist, gibt auch ein Lehnsmann des Königs das Erbetene. Wenn er ihm seinen Wunsch nicht erfüllte, würde der Twa hingehen und es den anderen Lehnsleuten des Königs und dem König selbst erzählen. Dann würde man einen solchen Großen verspotten, oder der König würde ihn sogar verstoßen. Der hohe Adelige schadet sich selbst sehr, wenn er den Wunsch eines Twa, dem niemand etwas abschlägt, nicht erfüllt. Darum gibt man dem Twa Schafsfleisch und dazu noch Butter zum Würzen. Trotzdem hat aber ein Twa keine Gemeinschaft mit anderen Menschen. Ein Tutsi, der Gemeinschaft mit einem Twa hat, wird verstoßen und muss mit dem Twa zusammenleben. Er darf nicht wieder zu den Tutsi zurückkehren. Er ist selbst ein Twa geworden. Die anderen brechen mit ihm und rauchen nicht mal eine Pfeife Tabak mit ihm. Wenn freilich ein Tutsi ein schönes Twamädchen sieht, verkehrt er mit ihm außerehelich, denn es wird nicht wagen, ihn zu verraten, weil er Adeliger ist und es deshalb Furcht hat. So steht es mit den Twa."

Postkoloniale Situation

  • Als die ruandischen Virunga-Wälder in den 1970er Jahren auf Initiative der Primatenforscherin Dian Fossey zum Nationalpark erklärt und das Jagen und Sammeln verboten wurden, führte das zur Vertreibung der Batwa aus ihrem angestammten Lebensraum. Im Zusammenhang mit dem Genozid von 1994, dem 14% der ruandischen Gesamtbevölkerung zum Opfer fielen, kam auch ein Drittel der Batwa-Bevölkerung ums Leben. Trotzdem wurden die Batwa von der Regierung nicht als Opfer des Genozids gewürdigt oder finanziell entschädigt.


Heutige Situation

  • Während in Ruanda nur 50-57% der Haushalte über genügend Land verfügen (0,7 ha), um sich selbst ernähren zu können, verfügen nur 1,5% der Twa-Haushalte über diese Mindestgröße.
  • Insgesamt beträgt die Kindersterblichkeit (bis 5 Jahre) in Ruanda bei den Nicht-Batwa 17%, bei den Batwa 41%, die Infant Mortality (Kleinkindersterblichkeit: bis 1 Jahr) bei den Nicht-Batwa 5% und den Batwa 21% - so der Bericht der African Commission's Working Group on Indigenous Populations/African Commission on Human and Peoples' Rights.
  • Seit 1995 verfolgt die Regierung unter der Begriff Versöhnung eine Politik der Negation der ethnischen Unterschiede, die Volksgruppen systematisch entmutigt, sich selbst eine Bezeichnung zu geben und damit Unterschiede zu anderen zum Ausdruck zu bringen. Da den Batwa (die aufgrund dieser Politik offiziell nur noch als Töpfer bezeichnet werden) auch untersagt ist, sich als indigenes Volk zu bezeichnen, mussten sie ihre "Gemeinschaft der autochthonen Ruander" in Gemeinschaft der ruandischen Töpfer umbenennen. Die nach wie vor bestehende Diskriminierung in Worte zu fassen wurde seither sowohl für die Betroffenen als auch für Beobachter erschwert.
  • Ein Entwicklungsprogramm der Regierung sieht die Abschaffung aller strohgedeckten Häuser und Hütten in Ruanda bis Mai 2011 vor. Da die Batwa weder die versprochenen modernen Dächer oder Unterkünfte erhalten haben noch freiwillig aus ihren regelmäßig strohgedeckten Hütten ausziehen, zerstört die Regierung ihre Dächer und lässt sie zu Beginn der Regenzeit in prekärer Lage zurück. NGOs wie Survival International zeigen sich besorgt.
  • Offizielle Berichte über die Lage der Batwa - zusammengestellt von der Gemeinschaft der ruandischen Töpfer - sprechen von "conditions misérables" und insbesondere von Fehlen von Behausung, Zugang zu Schulen, ärztlicher Versorgung, Berufsausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten, bebaubarem Land, Landbesitz und kontinuierlichen Ernährungsmöglichkeiten. Regierungsprogramme gegen die Armut (wie zum Beispiel "one cow one family") erreichen die Batwa nicht. Die Kindersterblichkeit ist außerordentlich hoch. Die Batwa könnten bald ausgestorben sein. Die Batwa - heute als "Töpfer" oder als "Personen mit historischer Marginalisierung" bezeichnet - sollen nach Empfehlung des "réseau des parlementaires rwandais pour la population et le developpement (RPRPD)" vom 22. und 23. Januar 2009 aufgrund der Besonderheiten dieser Gruppe nicht gemeinsam mit anderen Problemen vulnerabler Gruppen behandelt werden.
  • Der Bericht der nationalen Kommission über die Recht der Person erklärte, "que les problèmes des personnes historiquement marginalisées (potiers) sont le manque d’habitat adéquat, le manque de soins de santé, l’insécurité alimentaire, la non scolarisation des enfants potiers, le manque des terres cultivables et des matériels agricoles, le manque d’emploi, le mariage précoce et le mariage illégal, la pauvreté extrême, l’agglomération dans des petites maisons des huttes."
  • Der ruandische Präsident hat das verfassungsmäßige Recht zur Ernennung von 8 Vertretern der Gruppe im Senat (révision N°2 du 08/12/2005 de la constitution de la République du Rwanda du 04 Juin 2003). Der Präsident wacht über die Rechte dieser "communauté nationale historiquement la plus défavorisée".
  • Anlässliche des Ruanda-Besuchs der Arbeitsgruppe über die autochthonen Völker der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker erklärte die Regierung, dass sie die Batwa-Töpfer nicht als autochthones Volk anerkenne, "mais il les reconnaît comme la population historiquement marginalisée ayant des problèmes particuliers. Dans sa visite sur terrain, la commission a constaté que les potiers ont des problèmes de manque de terre, manque d’habitation adéquate, problème de manque de soins de santé, problème de la non scolarisation et manque d’emploi."
  • Evaluationsbericht Land Nummer 2 der Afrikanischen Peer-Evaluation des NEPAD: als vulnerable Gruppen Ruandas werden die Twa, die Waisen des Genozids, die Witwen sowie die Flüchtlinge aus Nachbarländern genannt; der ruandischen Regierung wird ein Dialog mit den Twa über ihre Lebensverhältnisse empfohlen.
  • Untersuchung der COPORWA asbl von 2004 über die Lebensbedingungen der Töpfer-Population Ruandas. Bildung: in der Mehrzahl Analphabeten; 51% sind völlig ohne Schulbildung; 48% verfügen nur über Primarschulbildung; 1% Sekundarschulbildung; 0% höhere Studien. Gesundheit: 50% monatlich krank; sie gehen nicht zu medizinischen Zentren (Geldmangel); 30% sind Mitglied irgendeiner Gesundheitskasse, 8% haben sich einem HIV/AIDS-Test unterzogen. Hygiene: 35% verfügen nicht über Latrinen; mehr als 60% haben nicht genug Mittel für die Anschaffung von Kleidung (daher auch die schlechte Körperhygiene). Landwirtschaft: 47% haben keinen Grundbesitz - vier mal so viel wie im nationalen Durchschnitt. 78% haben das Land, das sie kultivieren, gepachtet. Beschäftigung: 30% sind arbeitslos oder Tagelöhner; 95% der Töpfer töpfern; ihre Produktion aus gebranntem Ton ist allerdings praktisch ohne Tauschwert und wird noch unter Herstellungskosten verkauft; 1% der Töpfer arbeitet als unabhängiger Landwirt (im Landesdurchschnitt: 81%). Ernährungssicherheit: 60% essen nur einmal täglich, die anderen betteln oder verdingen sich als Tagelöhner, um etwas zu essen zu finden [2].

Wohnsituation

Über 46% der Batwa-Haushalte befinden sich in jeweils bis zu fünf Personen beherbergenden Hütten mit Gras-, bzw. Strohdächern ("Nyakatsi"). Damit sind die Batwa in besonderem Maße von dem staatlichen Projekt zur Abschaffung aller 115.000 Stroh- und Grasdächer in Ruanda bis Ende Mai 2011 betroffen. Dieses unter dem Motto der Armutsbekämpfung durchgeführte Projekt namens "Bye-Bye-Nyakatsi" sieht vor, dass die Regierung Materialien für die Errichtung fester Dächer liefert. Allerdings klagt die Interessenvertretung der Batwa, COPORWA, dass die Kampagne gegen ihren Willen und ohne ihre Beteiligung an der Planung der Abriss- und Aufbauarbeiten durchgeführt werde. Man zerstöre einfach die Dächer, stelle aber keine neuen Materialien zur Verfügung. Über die Gesellschaft für bedrohte Völker richtete die COPORWA im April 2011 auch an die deutsche Regierung als einen der wichtigen Partner der ruandischen Regierung einen Hilfsappell.

 
Das Dach dieser Batwa-Hütte wurde zerstört im Zuge der Maßnahme der Regierung, Rwanda von allen Stroh- und Grasdachbehausungen zu befreien. Hunderte von Batwa-Familien sind hierdurch obdachlos geworden.

Literatur

  • Mensching, Wilhelm [Hrsg.]: Ruanda: eine Selbstdarstellung des Volkes in alten Überlieferungen. Bückeburg: Driftmann, 1987. ISBN: 3924700095 (EAN: 9783924700096 / 978-3924700096)

Weblinks

Filme