BKA (Bundeskriminalamt): Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(3 dazwischenliegende Versionen von einem anderen Benutzer werden nicht angezeigt)
Zeile 18: Zeile 18:




Die Aufgaben des Bundeskriminalamtes leiten sich aus den Artikel 73 Nr. 10 und Artikel 87 GG ab. Danach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über […] die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei sowie die […] Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung.[1]. Zu diesem Zweck kann der Bund durch Gesetz […] Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen errichten.[1]
Die Aufgaben des Bundeskriminalamtes leiten sich aus den Artikel 73 Nr. 10 und Artikel 87 GG ab. Danach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über […] die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei sowie die […] Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung. Zu diesem Zweck kann der Bund durch Gesetz […] Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen errichten.


Aus dieser Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern folgt, dass im Grundsatz die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr und die Kriminalitätsbekämpfung bei den Polizeibehörden der Bundesländer liegt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKA-Gesetz) geregelt.
Aus dieser Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern folgt, dass im Grundsatz die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr und die Kriminalitätsbekämpfung bei den Polizeibehörden der Bundesländer liegt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKA-Gesetz) geregelt.
Zeile 28: Zeile 28:




Ende 1945 wurden von den alliierten Besatzungsmächten erste regionale Kriminalämter eingerichtet. Die Landesregierungen fassten in Abstimmung mit den Alliierten die regionalen Kriminalämter zu „Landeskriminalpolizeiämtern“ zusammen. Das Grundgesetz bestätigte, dass die Polizeihoheit nicht beim Bund, sondern bei den Ländern liegt. Dem Bund wurde lediglich die Befugnis zugebilligt, ein zentrales Kriminalpolizeiamt zu unterhalten. Die verfassungsrechtliche Grundlage findet sich in Art. 73, 87 GG. Nachdem am 15. März 1951 das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) (BKAG) in Kraft trat, wurde Wiesbaden im April/Mai des selben Jahres als Sitz des BKA von der damaligen Bundesregierung ausgewählt. Die Behörde wurde zu dieser Zeit unter der Leitung der Kriminalkommissare und ehemaligen SS-Angehörigen Paul Dickopf und Rolf Holle aufgebaut. Dickopf, nach dem die Straße benannt ist, an der sich eine Dienststelle des BKA befindet, war der Kopf einer hausinternen Seilschaft im BKA, die aus Absolventen eines SS-Kommissarlehrgangs des Jahres 1938/39 an der "SS-Führungsschule - Schule der Sicherheitspolizei" in Berlin-Charlottenburg bestand und deshalb hausintern auch als "die Charlottenburger" bekannt war. Zu dieser Gruppe gehörte auch Bernhard Niggemeyer, der ebenfalls unbehelligt in Rente ging - obwohl er, der sich im BKA u.a. als Mitverfasser eines zuletzt 1973 in unveränderter Ausgabe erschienenen Leitfadens für BKA-Beamte sowie als Herausgeber der Berichte über die Herbsttagungen einen Namen gemacht hatte, seine polizeilichen Praxiserfahrungen im Vernichtungskrieg in Osteuropa zwischen 1939 und 1945 gesammelt hatte: "Damals war er leitender Feldpolizeidirektor der Heeresgruppe Mitte und als solcher verantwortlich für zahllose Hinrichtungen" (FAZ 22. September 2007: 2). Noch 1959 hatten nur zwei von 47 leitenden Beamten des BKAs keine NS-Vergangenheit, 33 waren ehemalige SS-Führer [2]. Zu ihnen gehörten Theo Saevecke (früherer SS-Hauptsturmführer und als "Henker von Mailand" im Jahre 1998 von einem Gericht in Mailand in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt), Otto Martin vom Kriminalbiologischen Institut und der SS-Sturmbannführer Kurt Amend, der  im Dritten Reich für die Gruppe V C im Reichssicherheitshauptamt die Fahndung nach "normalen Kriminellen", aber auch nach Deserteuren, versteckten Juden und sogenannten Asozialen, vermutlich auch auf Mitwisser des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 organisiert hatte. Zehn Jahre später fand man Amend, der nach Einschätzung von Dieter Schenk "Hunderttausende auf dem Gewissen" gehabt haben dürfte, als Cheffahnder des BKA wieder, wo er bis zu seiner von keinem Kontakt mit der Justiz getrübten Pensionierung im Jahre 1964 tätig blieb. Die Behörde ist darüber hinaus "bis zum Ende der sechziger Jahre maßgeblich von früheren SS-Angehörigen geprägt worden, von Personal aus dem Reichssicherheitshauptamt, der Organisationszentrale des Holocaust, sowie von Leuten, die Polizeikarriere im Dienste von Massenmord-Kommandos und bei der Geheimen Feldpolizei im Zweiten Weltkrieg gemacht hatten".[3]
Ende 1945 wurden von den alliierten Besatzungsmächten erste regionale Kriminalämter eingerichtet. Die Landesregierungen fassten in Abstimmung mit den Alliierten die regionalen Kriminalämter zu „Landeskriminalpolizeiämtern“ zusammen. Das Grundgesetz bestätigte, dass die Polizeihoheit nicht beim Bund, sondern bei den Ländern liegt. Dem Bund wurde lediglich die Befugnis zugebilligt, ein zentrales Kriminalpolizeiamt zu unterhalten. Die verfassungsrechtliche Grundlage findet sich in Art. 73, 87 GG. Nachdem am 15. März 1951 das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) (BKAG) in Kraft trat, wurde Wiesbaden im April/Mai des selben Jahres als Sitz des BKA von der damaligen Bundesregierung ausgewählt. Die Behörde wurde zu dieser Zeit unter der Leitung der Kriminalkommissare und ehemaligen SS-Angehörigen Paul Dickopf und Rolf Holle aufgebaut. Dickopf, nach dem die Straße benannt ist, an der sich eine Dienststelle des BKA befindet, war der Kopf einer hausinternen Seilschaft im BKA, die aus Absolventen eines SS-Kommissarlehrgangs des Jahres 1938/39 an der "SS-Führungsschule - Schule der Sicherheitspolizei" in Berlin-Charlottenburg bestand und deshalb hausintern auch als "die Charlottenburger" bekannt war. Zu dieser Gruppe gehörte auch Bernhard Niggemeyer, der ebenfalls unbehelligt in Rente ging - obwohl er, der sich im BKA u.a. als Mitverfasser eines zuletzt 1973 in unveränderter Ausgabe erschienenen Leitfadens für BKA-Beamte sowie als Herausgeber der Berichte über die Herbsttagungen einen Namen gemacht hatte, seine polizeilichen Praxiserfahrungen im Vernichtungskrieg in Osteuropa zwischen 1939 und 1945 gesammelt hatte: "Damals war er leitender Feldpolizeidirektor der Heeresgruppe Mitte und als solcher verantwortlich für zahllose Hinrichtungen" (FAZ 22. September 2007: 2). Noch 1959 hatten nur zwei von 47 leitenden Beamten des BKAs keine NS-Vergangenheit, 33 waren ehemalige SS-Führer. Zu ihnen gehörten Theo Saevecke (früherer SS-Hauptsturmführer und als "Henker von Mailand" im Jahre 1998 von einem Gericht in Mailand in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt), Otto Martin vom Kriminalbiologischen Institut und der SS-Sturmbannführer Kurt Amend, der  im Dritten Reich für die Gruppe V C im Reichssicherheitshauptamt die Fahndung nach "normalen Kriminellen", aber auch nach Deserteuren, versteckten Juden und sogenannten Asozialen, vermutlich auch auf Mitwisser des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 organisiert hatte. Zehn Jahre später fand man Amend, der nach Einschätzung von Dieter Schenk "Hunderttausende auf dem Gewissen" gehabt haben dürfte, als Cheffahnder des BKA wieder, wo er bis zu seiner von keinem Kontakt mit der Justiz getrübten Pensionierung im Jahre 1964 tätig blieb. Die Behörde ist darüber hinaus "bis zum Ende der sechziger Jahre maßgeblich von früheren SS-Angehörigen geprägt worden, von Personal aus dem Reichssicherheitshauptamt, der Organisationszentrale des Holocaust, sowie von Leuten, die Polizeikarriere im Dienste von Massenmord-Kommandos und bei der Geheimen Feldpolizei im Zweiten Weltkrieg gemacht hatten".


Durch einen Leserbrief (FAZ vom 16. Oktober 2007: 8) wurde bekannt, dass der erste Personalchef des BKA, Eduard Michael (13.05.1903 - 31. 05. 1962; ehemals Michalski; genannt: Pistolen-Ede, weil er zu seiner Dienstwaffe noch eine private Waffe umgeschnallt zu haben pflegte), Mitglied der SA (1933) und der NSDAP (1937) gewesen war. 1934 war er als Kriminalkommissar im Polizeipräsidium Gleiwitz tätig. Bei Kriegsbeginn war er im Einsatzkommando 5/II in Polen (Ermordung polnischer Intelligenz) tätig. Im November 1939 war er beim Kommandeur der Sicherheitspolizei Radom, Ende 1941 bei der Außenstelle Tschenstochau (Deportation von ca. 40 000 Juden nach Treblinka). Der Träger des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse mit Schwertern leitete seit 1942 die Kriminaltechnische Abteilung am Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik in Krakau.
Durch einen Leserbrief (FAZ vom 16. Oktober 2007: 8) wurde bekannt, dass der erste Personalchef des BKA, Eduard Michael (13.05.1903 - 31. 05. 1962; ehemals Michalski; genannt: Pistolen-Ede, weil er zu seiner Dienstwaffe noch eine private Waffe umgeschnallt zu haben pflegte), Mitglied der SA (1933) und der NSDAP (1937) gewesen war. 1934 war er als Kriminalkommissar im Polizeipräsidium Gleiwitz tätig. Bei Kriegsbeginn war er im Einsatzkommando 5/II in Polen (Ermordung polnischer Intelligenz) tätig. Im November 1939 war er beim Kommandeur der Sicherheitspolizei Radom, Ende 1941 bei der Außenstelle Tschenstochau (Deportation von ca. 40 000 Juden nach Treblinka). Der Träger des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse mit Schwertern leitete seit 1942 die Kriminaltechnische Abteilung am Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik in Krakau.
Zeile 226: Zeile 226:




== Literatur ==
== Literatur vom BKA und über das BKA ==
*Baumann, Imanuel, Reinke, Herbert, Stephan, Andrej, Wagner, Patrick (2011) Schatten der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Bundesrepublik. Köln: Luchterhand.
 
*Bundeskriminalamt, Hg. (1998) Das Bundeskriminalamt am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag. Beiträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes. Redaktion.: Clos, Regina; Schielke, Heinrich, ISBN 3-00-003246-0.
'''Vom BKA'''
*Bundeskriminalamt, Hg. (2011) Der Nationalsozialismus und die Geschichte des BKA. Spurensuche in eigener Sache. Köln: Luchterhand
 
*Das BKA veröffentlicht eine eigene Buchreihe (Polizei & Forschung) im Luchterhand Fachverlag.
*Das BKA veröffentlicht eine eigene Buchreihe (Polizei & Forschung) im Luchterhand Fachverlag.
*Für die deutsche Polizei erscheint täglich die Publikation Bundeskriminalblatt.
*Für die deutsche Polizei erscheint täglich die Publikation ''Bundeskriminalblatt''.
*Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag: Das Bundeskriminalamt am Ausgang des 20. Jahrhunderts; Beiträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes / Bundeskriminalamt (Hrsg.), Red.: Clos, Regina; Schielke, Heinrich, 1998, ISBN 3-00-003246-0.
 
'''Über das BKA'''
 
*Wolfgang Dietl: Die BKA-Story, ISBN 3-426-77694-4
*Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5.
*Dieter Schenk: Der Chef. Horst Herold und das BKA. Spiegel-Buchverlag, Hamburg 1998, ISBN 3-455-15022-5
*Reinhard Scholzen: Personenschutz. Stuttgart: Motorbuch-Verlag, 2004, ISBN 3-613-02185-4
 
== Quellenangaben ==
 
 
  1. ↑ a b Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
  2. ↑ Jörg Ziercke in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5.September 2007, S.2: Das Internet darf kein strafverfolgungsfreier Raum sein
3. Mit diesem Satz fasste die Frankfurter Allgemeine Zeitung (22. September 2007, S. 1: "Das BKA deckt seine düstere Vergangenheit auf") das vorläufige Ergebnis eines vom BKA unter Leitung seines Präsidenten Ziercke veranstalteten Kolloquiums über "Die Historie des BKA: Verbindungslinien zum NS-Regime" zusammen (vgl. weitere Artikel in derselben Ausgabe auf Seiten 2, 10 sowie Feuilleton, S. 36)
  4. ↑ Pressemitteilung: BKA-Herbsttagung zum Thema „Informations- und Kommunikationskriminalität“
  5. ↑ Wirtschaftskriminalität und Korruption – BKA-Herbsttagung 2002
  6. ↑ Telepolis: Information als Rohstoff der Polizeiarbeit
  6. ↑ Bilanz Tag der offenen Tür


*Dietl, Wolfgang: Die BKA-Story, ISBN 3-426-77694-4
*Schenk, Dieter (2001) Auf dem rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 3-462-03034-5.
*Schenk, Dieter (1998) Der Chef. Horst Herold und das BKA. Spiegel-Buchverlag, Hamburg, ISBN 3-455-15022-5
*Scholzen, Reinhard (2004) Personenschutz. Stuttgart: Motorbuch-Verlag, ISBN 3-613-02185-4


== Weblinks ==
== Weblinks ==


*Offizielle Website des Bundeskriminalamts [http://www.bka.de]
*Offizielle Website des Bundeskriminalamts [http://www.bka.de]
Zeile 261: Zeile 244:


   
   
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Bundeskriminalamt_%28Deutschland%29“
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Bundeskriminalamt_%28Deutschland%29“ Der Beitrag wartet auf Differenzierung und Vertiefung.


[[Kategorie:Behörde]]
[[Kategorie:Behörde]]
[[Kategorie:Polizei]]
[[Kategorie:Polizei]]
[[Kategorie: Deutschland]]