Attentat auf Zar Alexander II.: Unterschied zwischen den Versionen

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So kam es im August 1879 zur offizielle Gründung eines Exekutivkomitees des Volkswillens mit dem Ziel des organisierten Terrors. Die Aufgabe des Komitees, welches sich aus dem linken Flügel der [http://de.wikipedia.org/wiki/Narodniki Narodniki] formiert hatte, bestand aus der Observierung und anschließenden Tötung hochrangiger Mitglieder der Zarenregierung sowie der Polizei und der Justiz, begleitet durch propagierte Forderungen der Narodnaja Wolja (die Abschaffung der Alleinherrschaft des Zaren, freie und allgemeine Wahlen, eine Verfassung sowie Meinungs-, Presse- und Gewissensfreiheit).
So kam es im August 1879 zur offizielle Gründung eines Exekutivkomitees des Volkswillens mit dem Ziel des organisierten Terrors. Die Aufgabe des Komitees, welches sich aus dem linken Flügel der [http://de.wikipedia.org/wiki/Narodniki Narodniki] formiert hatte, bestand aus der Observierung und anschließenden Tötung hochrangiger Mitglieder der Zarenregierung sowie der Polizei und der Justiz, begleitet durch propagierte Forderungen der Narodnaja Wolja (die Abschaffung der Alleinherrschaft des Zaren, freie und allgemeine Wahlen, eine Verfassung sowie Meinungs-, Presse- und Gewissensfreiheit).


Aufgrund der strukturellen und technologischen Rückständigkeit Russlands nach der Niederlage im [http://de.wikipedia.org/wiki/Krimkrieg Krimkrieg] sowie aufgrund des aus der fortdauernden Leibeigenschaft der Bauern resultierenden Mangels an Arbeitskräften im Industriesektor, setzte Alexander gegen große Widerstände der russischen Aristokratie weitreichende Reformen in Verwaltung, Bildung und der zarischen Armee durch. Dennoch war er oberste Zielscheibe der Narodnaja Wolja, denen es seltsam erschien, "die Diener zu töten, (...) und den Herrn unangetastet zu lassen" (Figner, S.88). Als Alexander dies 1879 erstmals am eigenen Leibe erfur, reagierte er augenblicklich und repressiv (Diktatorische Vollmachten der Militärgouverneure, Häuserüberwachungen, strenge Nachrichtenzensur, Spitzeldienste, administrative Verhaftungen und Deportationen sowie Aufhebung aller akademischen Freiheiten der Universität von St. Petersburg). Es folgten Mitgliederzuläufe in der revolutionären Bewegung und schließlich weitere Attentatsversuche auf den Zaren selbst, die im März 1881 ihr erfolgreiches Ende fanden.
Aufgrund der strukturellen und technologischen Rückständigkeit Russlands nach der Niederlage im [http://de.wikipedia.org/wiki/Krimkrieg Krimkrieg] sowie aufgrund des aus der fortdauernden Leibeigenschaft der Bauern resultierenden Mangels an Arbeitskräften im Industriesektor, setzte Alexander gegen große Widerstände der russischen Aristokratie weitreichende Reformen in Verwaltung, Bildung und der zarischen Armee durch. Dennoch war er oberste Zielscheibe der Narodnaja Wolja, denen es seltsam erschien, "die Diener zu töten, (...) und den Herrn unangetastet zu lassen" (Figner, S.88), denn zum Einen fürchteten die Sozialrevolutionäre gerade aufgrund der Reformbemühungen des Zaren eine Verzögerung des revolutionären Umsturzes und zum Anderen sollte mit der Ermordung des obersten Repräsentanten des Zarenregimes deren entschlossene Bekämpfung verdeutlicht werden. Als Alexander dies 1879 erstmals am eigenen Leibe erfur, reagierte er augenblicklich und repressiv (Diktatorische Vollmachten der Militärgouverneure, Häuserüberwachungen, strenge Nachrichtenzensur, Spitzeldienste, administrative Verhaftungen und Deportationen sowie Aufhebung aller akademischen Freiheiten der Universität von St. Petersburg). Es folgten Mitgliederzuläufe in der revolutionären Bewegung und schließlich weitere Attentatsversuche auf den Zaren selbst, die im März 1881 ihr erfolgreiches Ende fanden.


==Das "Todesurteil"==
==Das "Todesurteil"==
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Am 17.02.1880 explodierte im Winterpalais des Zaren ca. fünfzig Kilo Sprengstoff, tötete zehn Wachsoldaten und zerstörte den kaiserlichen Speisesaal. Der Attentäter [http://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Nikolajewitsch_Chalturin Stepan Chalturin] hatte sich Monate zuvor als Tischler und Lackierer eine Anstellung in der St. Petersburger Winterressidenz des Zaren verschafft, und nach und nach Sprengstoff in sein Kellergemach, einige Stockwerke direkt unter dem Speisesaal liegend, geschmuggelt. Da sich jedoch einer der kaiserlichen Gäste, Fürst Alexander von Serbien, verspätete, hatte das Abendessen zur Zeit der Explosion noch nicht begonnen. Alexander II. war noch einmal dem Tod entronnen.
Am 17.02.1880 explodierte im Winterpalais des Zaren ca. fünfzig Kilo Sprengstoff, tötete zehn Wachsoldaten und zerstörte den kaiserlichen Speisesaal. Der Attentäter [http://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Nikolajewitsch_Chalturin Stepan Chalturin] hatte sich Monate zuvor als Tischler und Lackierer eine Anstellung in der St. Petersburger Winterressidenz des Zaren verschafft, und nach und nach Sprengstoff in sein Kellergemach, einige Stockwerke direkt unter dem Speisesaal liegend, geschmuggelt. Da sich jedoch einer der kaiserlichen Gäste, Fürst Alexander von Serbien, verspätete, hatte das Abendessen zur Zeit der Explosion noch nicht begonnen. Alexander II. war noch einmal dem Tod entronnen.
Möglicherweise fanden in der Folgezeit weitere Sprengstoffattentatsversuche auf verschiedenen Reisewegen des Zaren statt. Insgesamt wurden etwas zwanzig Versuche unternommen, den Zaren zu töten, von denen sieben der Narodnaja Wolja zugeschrieben werden. Erst die Entwicklung der Wurfbombe brachte jedoch den Erfolg.


==Verlauf des Attentats==
==Verlauf des Attentats==
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==Literatur==
==Literatur==
* Enzensberger, Hans Magnus (1964): "Politik und Verbrechen", S.284-360. Frankfurt am Main.
* Enzensberger, Hans Magnus (1964): "Politik und Verbrechen", S.284-360. Frankfurt am Main.
* Figner, Vera Nacht über Rußland ...
* Figner, Vera Nacht über Rußland ...
* Giterman, Valentin (1949) Geschichte Rußlands. Band 3. ...  
* Giterman, Valentin (1949) Geschichte Rußlands. Band 3. ...  
* Savinkov, Boris (1985): "Erinnerungen eines Terroristen". Nördlingen.
* Savinkov, Boris (1985): "Erinnerungen eines Terroristen". Nördlingen.
* Gerngroß, Marcus (2008): Terrorismus im Zarenreich mit Vorbildfunktion: Die "Narodnaya Wolya". In: Alexander Straßner (Hg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien. Wiesbaden.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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