Alkoholismus und geistige Behinderung: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Alkoholismus und geistige Behinderung''' treffen in den westlichen Ländern bei ca. 2,5% der mental retardierten Personen zusammen. Möglicherweise stellen geistig behinderte Personen eine besondere Risikogruppe für Alkoholismus dar - wenn auch die These einer genetischen Prädisposition geistig Behinderter für den Alkoholismus von Henry W.Goddard [http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_W._Goddard] aus dem Jahre 1912 seit langem widerlegt ist.
'''[[Alkoholismus]] und [[geistige Behinderung]]''' treffen in den westlichen Ländern bei ca. 2,5% der mental retardierten Personen zusammen. Möglicherweise stellen geistig behinderte Personen eine besondere Risikogruppe für Alkoholismus dar - wenn auch die These einer genetischen Prädisposition geistig Behinderter für den Alkoholismus von Henry W.Goddard [http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_W._Goddard] aus dem Jahre 1912 seit langem widerlegt ist.  
 
== Geistige Behinderung ==
Durch die International Classification of Diseases [http://apps.who.int/classifications/apps/icd/icd10online/] (ICD-10) wird die geistige Behinderung nach dem Schweregrad der Intelligenzminderung klassifiziert.
*Leichte Intelligenzminderung                          IQ 50 - 69
*Mittelgradige Intelligenzminderung                    IQ 35 - 49
*Schwere Intelligenzminderung                          IQ 20 – 34
*Schwerste Intelligenzminderung                        IQ < 20
 
== Definition Alkoholismus ==
Alkoholismus bezeichnet die Abhängigkeit von der psychotropen Substanz Ethanol. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) definiert Alkoholismus als
 
„eine Art des Trinkens, die in ihrem Ausmaß über die traditionelle und gebräuchliche Ernährungsform oder die gesellschaftlichen Trinksitten der entsprechenden Gemeinschaft hinausgeht ohne Rücksicht auf ätiologische Faktoren, die zu einem solchen Verhalten führen und ungeachtet des Ausmaßes, in dem derartige Faktoren von Vererbung und Konstitution oder neu entwickelten physiopathologischen und stoffwechselbedingten Einflüssen abhängen".
 
Desweiteren bezeichnet die WHO Alkoholiker als „exzessive Trinker, deren Abhängigkeit vom Alkohol einen solchen Grad erreicht hat, dass sie deutliche Störungen oder Konflikte in ihrer körperlichen oder geistigen Gesundheit, ihren menschlichen Beziehungen, ihren sozialen oder wirtschaftlichen Funktionen aufweisen; oder sie zeigen Vorstufen einer solchen Entwicklung".
Seit 1968 wird Alkoholabhängigkeit von der Bundesrepublik Deutschland als Krankheit anerkannt.


== Deutschland ==
== Deutschland ==
In Deutschland leben ungefähr 420. 000 Personen mit einer geistigen Behinderung; ca. 64.000 davon konsumieren in nennenswerten Mengen Alkohol - wie viele davon Alkoholiker sind, ist aber unbekannt. Besonders betroffen dürften Personen sein, die eine leichte (IQ 50 - 69) und mittelgradige (IQ 35 – 49) geistige Behinderung aufweisen. Der Grund hierfür ist, wie zuvor schon genannt, dass diese Gruppe unabhängig allein, in Wohngemeinschaften oder in ambulanter betreuter Einzelwohnung leben. Das Thema Alkoholismus bei Personen mit Intelligenzminderung wird in der Bundesrepublik Deutschland - wie auch das Thema Sexualität oder Drogenmissbrauch durch geistig Behinderte - wenig thematisiert.  
Das Thema Alkoholismus bei Personen mit Intelligenzminderung wird in der Bundesrepublik Deutschland - wie auch das Thema Sexualität oder Drogenmissbrauch durch geistig Behinderte - wenig thematisiert. Rund 64.000 der insgesamt etwa 420. 000 in Deutschland lebenden Personen mit einer geistigen Behinderung konsumieren in nennenswerten Mengen Alkohol - wie viele davon Alkoholiker sind, ist aber unbekannt. Besonders betroffen dürften Personen mit einer leichten (IQ 50 - 69) bis mittelgradigen (IQ 35 – 49) geistigen Behinderung sein, da sie aufgrund ihrer Wohn- und Betreuungsverhältnisse relativ leicht an Alkoholika gelangen.  
 
=== Deutsche Studien zu Alkoholmissbrauch bei geistig Behinderten ===
[[Datei:Alkoholismus_geistig_Behinderte_Sachsen.jpg| miniatur |Abbildung 1: Alkoholismus bei geistigen behinderten Menschen in Sachsen Anhalt]]
[[Datei:Alkoholismus_geistig_Behinderte_Sachsen.jpg| miniatur |Abbildung 1: Alkoholismus bei geistigen behinderten Menschen in Sachsen Anhalt]]
[[Datei:Pilotstudie_Sachsen.jpg | miniatur |Abbildung 2: Pilotstudie in Sachsen 2001/2]]
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Abschließend lässt sich sagen, dass Menschen mit geistiger Behinderung das gleiche Trinkverhalten zeigen, wie Menschen ohne geistige Behinderung. Ein Unterschied ist aber, dass weniger Menschen mit geistiger Behinderung Alkohol trinken und dass sie später damit anfangen.
Abschließend lässt sich sagen, dass Menschen mit geistiger Behinderung das gleiche Trinkverhalten zeigen, wie Menschen ohne geistige Behinderung. Ein Unterschied ist aber, dass weniger Menschen mit geistiger Behinderung Alkohol trinken und dass sie später damit anfangen.


== Folgen durch den Alkoholmissbrauch ==
== Folgen ==


Die Folgen des Alkoholmissbrauchs können sich auf unterschiedlicher Art und Weise bemerkbar machen.
Die Folgen des Alkoholmissbrauchs können sich auf unterschiedlicher Art und Weise bemerkbar machen.
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* Probleme an der Arbeitsstelle und in Werkstätten. Diese zeigen sich durch Arbeitsversäumnisse, unentschuldigtes Fehlen, Mängel an Zuverlässigkeit, heimliches Trinken am Arbeitsplatz, Probleme mit den Arbeitskollegen etc.
* Probleme an der Arbeitsstelle und in Werkstätten. Diese zeigen sich durch Arbeitsversäumnisse, unentschuldigtes Fehlen, Mängel an Zuverlässigkeit, heimliches Trinken am Arbeitsplatz, Probleme mit den Arbeitskollegen etc.


== Therapie- und Interventionsmaßnahmen ==
== Maßnahmen ==
Die Behandlung von Alkoholikern dauert normalerweise ein paar Jahre und verläuft in mehreren Phasen.  
Die Behandlung von Alkoholikern dauert normalerweise ein paar Jahre und verläuft in mehreren Phasen.  
Phasen:
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Bei der Behandlung von geistig behinderten Alkoholikern werden die Bezugspersonen (Eltern, Betreuer) stark miteinbezogen. Außerdem benötigen sie eine passende Therapie und einen geeigneten Aufenthaltsort. Die Therapie kann je nach Wahl des Betroffenen und seiner Betreuer in stationärer, halbstationärer oder ambulanter Behandlung erfolgen. Laut Therapiestelle und Einrichtungen nehmen erfahrungsmäßig Personen mit Intelligenzminderung mehr Zeit und Kosten in Anspruch. Gründe hierfür sind mangelnde und ungenügende Therapieangebote und unpassende Infrastruktur für diese Klientel. Außerdem stellen Klienten mit Intelligenzminderung höhere Anforderungen an die Einrichtungen und Fachleute als normale Patienten. Ursächlich ist hierfür der biographische Hintergrund (kognitive Einschränkung, doppelte Diagnose (intellektuell behindert und psychisch gestört)). Daraus resultiert, dass dieser Personenkreis Schwierigkeiten hat, in Suchtfachkliniken unterzukommen. Die Menschen mit geistiger Behinderung und einer Suchterkrankung brauchen eine speziellere und differenziertere fachliche Unterstützung als Personen ohne diese Diagnose; sie brauchen handlungsorientierte Interventions- und Präventionsmaßnahmen wie die Entwicklung von Lösungs- und Handlungsstrategien. (siehe DIDAK)
Bei der Behandlung von geistig behinderten Alkoholikern werden die Bezugspersonen (Eltern, Betreuer) stark miteinbezogen. Außerdem benötigen sie eine passende Therapie und einen geeigneten Aufenthaltsort. Die Therapie kann je nach Wahl des Betroffenen und seiner Betreuer in stationärer, halbstationärer oder ambulanter Behandlung erfolgen. Laut Therapiestelle und Einrichtungen nehmen erfahrungsmäßig Personen mit Intelligenzminderung mehr Zeit und Kosten in Anspruch. Gründe hierfür sind mangelnde und ungenügende Therapieangebote und unpassende Infrastruktur für diese Klientel. Außerdem stellen Klienten mit Intelligenzminderung höhere Anforderungen an die Einrichtungen und Fachleute als normale Patienten. Ursächlich ist hierfür der biographische Hintergrund (kognitive Einschränkung, doppelte Diagnose (intellektuell behindert und psychisch gestört)). Daraus resultiert, dass dieser Personenkreis Schwierigkeiten hat, in Suchtfachkliniken unterzukommen. Die Menschen mit geistiger Behinderung und einer Suchterkrankung brauchen eine speziellere und differenziertere fachliche Unterstützung als Personen ohne diese Diagnose; sie brauchen handlungsorientierte Interventions- und Präventionsmaßnahmen wie die Entwicklung von Lösungs- und Handlungsstrategien. (siehe DIDAK)


== Literaturverzeichnis ==
== Literatur ==
*Haase, Kristina: Alkoholismus bei Menschen mit einer geistigen Behinderung; Diplomarbeit 2009  
*Haase, Kristina: Alkoholismus bei Menschen mit einer geistigen Behinderung; Diplomarbeit 2009  
*Hildebrand, Jan: Möglichkeiten heilpädagogisch-therapeutischer Angebote für geistig behinderte Menschen mit einer Alkoholproblematik; Diplomarbeit, 2009
*Hildebrand, Jan: Möglichkeiten heilpädagogisch-therapeutischer Angebote für geistig behinderte Menschen mit einer Alkoholproblematik; Diplomarbeit, 2009
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