Aktuarische Kriminalpolitik: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuarische Kriminalpolitik konzentriert nach ihrem Selbstverständnis die Ressourcen der Strafverfolgung auf die Populationen mit der höchsten Delinquenzbelastung, bis deren Straffälligkeitsrate sich derjenigen der sonstigen Bevölkerung angeglichen hat. Auf diese Weise maximiert sie die Aufdeckung von Straftaten und die Erfolge bei der Reduzierung der Kriminalitätsbelastung in den problematischsten Populationen.
Aktuarische Kriminalpolitik konzentriert nach ihrem Selbstverständnis die Ressourcen der Strafverfolgung auf die Populationen mit der höchsten Delinquenzbelastung, bis deren Straffälligkeitsrate sich derjenigen der sonstigen Bevölkerung angeglichen hat. Auf diese Weise maximiert sie die Aufdeckung von Straftaten und die Erfolge bei der Reduzierung der Kriminalitätsbelastung in den problematischsten Populationen.
Nach Harcourt beruht diese Strategie auf der (wahrscheinlich fehlerhaften) Annahme, dass unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft auf die Schwerpunktveränderungen im policing in gleicher Weise reagieren (identische relative Elastizität der Deliktsbegehung durch unterschiedliche Gruppen gegenüber Veränderungen im policing). Wenn Leistungsträger der Wirtschaft auf Intensitätserhöhungen der Steuerfahndung elastisch reagieren, d.h. wenn ihre Deliktsneigung zurückgeht, dann wird die Gesellschaft als Ganze nur dann davon profitieren, wenn nicht andere Bevölkerungsgruppen aufgrund der wahrgenommenen Schwerpunktsetzung auf "Leistungsträger" dazu übergehen, dank ihrer Elastizität gegenüber vermindertem Fahndungsdruck in erhöhtem Maße die Steuern zu hinterziehen. Wenn aber die relative Elastizität der Leistungsträger geringer ist als diejenige der übrigen Bevölkerung, dann dürfte die Erhöhung des Fahndungsdrucks auf Leistungsträger aufgrund der Differenz zwischen geringem Rückgang der Kriminalität bei den Leistungsträgern im Vergleich mit der stärkeren Zunahme der Kriminalität bei den nicht im Fokus befindlichen Gruppen in einer gesamtgesellschaftlichen Zunahme der Kriminalität resultieren.
Nach Harcourt beruht diese Strategie auf der (wahrscheinlich fehlerhaften) Annahme, dass unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft auf die Schwerpunktveränderungen im policing in gleicher Weise reagieren (identische relative Elastizität der Deliktsbegehung durch unterschiedliche Gruppen gegenüber Veränderungen im policing). Wenn Leistungsträger der Wirtschaft auf Intensitätserhöhungen der Steuerfahndung elastisch reagieren, d.h. wenn ihre Deliktsneigung zurückgeht, dann wird die Gesellschaft als Ganze nur dann davon profitieren, wenn nicht andere Bevölkerungsgruppen aufgrund der wahrgenommenen Schwerpunktsetzung auf "Leistungsträger" dazu übergehen, dank ihrer Elastizität gegenüber vermindertem Fahndungsdruck in erhöhtem Maße die Steuern zu hinterziehen. Wenn aber die relative Elastizität der Leistungsträger geringer ist als diejenige der übrigen Bevölkerung, dann dürfte die Erhöhung des Fahndungsdrucks auf Leistungsträger aufgrund der Differenz zwischen geringem Rückgang der Kriminalität bei den Leistungsträgern im Vergleich mit der stärkeren Zunahme der Kriminalität bei den nicht im Fokus befindlichen Gruppen in einer gesamtgesellschaftlichen Zunahme der Kriminalität resultieren.
Harcourt bezweifelt, dass die stärker delinquente Gruppe auf Veränderungen des Verfolgungsdrucks genauso elastisch reagiert wie andere Gruppen (schließlich und endlich hat sie ja nicht umsonst eine erhöhte Deliktsbelastung): "If their offending rates are different, than why would their elasticity be the same?". In anderen Worten: "if the profiled group has lower elasticity of offending to policing, profiling that group will probably increase the overall amount of crime in society. The reason is that profiling the target group willreduce their offending rate but will increase the offending rate of the nonprofiled group. Because of the different elasticities and the fact that profiled groups are usually small minorities, the raw increase in offending among the nonprofiled group will be greater numerically than the raw decrease in offending of the profiled group .. So why, you might ask, should we assume that profiling will be efficient in deterring crime? Why should we assume that predictions of criminality and actuarial analyses will benefit society as a whole? There is no good rason. The fact that we do believe tells us something about us rather anything about them. It tells us something about our desire to believe, our desire to predict, our desire to know the criminal. We are predisposed to wanting the actuarial model to be right - regardless of the empirical evidence"(Harcourt 2007: 24).
Harcourt bezweifelt, dass die stärker delinquente Gruppe auf Veränderungen des Verfolgungsdrucks genauso elastisch reagiert wie andere Gruppen (schließlich und endlich hat sie ja nicht umsonst eine erhöhte Deliktsbelastung): "If their offending rates are different, than why would their elasticity be the same?". In anderen Worten: "if the profiled group has lower elasticity of offending to policing, profiling that group will probably increase the overall amount of crime in society. The reason is that profiling the target group willreduce their offending rate but will increase the offending rate of the nonprofiled group. Because of the different elasticities and the fact that profiled groups are usually small minorities, the raw increase in offending among the nonprofiled group will be greater numerically than the raw decrease in offending of the profiled group .. So why, you might ask, should we assume that profiling will be efficient in deterring crime? Why should we assume that predictions of criminality and actuarial analyses will benefit society as a whole? There is no good rason. The fact that we do believe tells us something about us rather anything about them. It tells us something about our desire to believe, our desire to predict, our desire to know the criminal. We are predisposed to wanting the actuarial model to be right - regardless of the empirical evidence"(Harcourt 2007: 24). Im Prinzip gilt das Argument laut Harcourt übrigens nicht nur bei polizeilichen Anwendungen von Prognosen über bereits begangene, aber noch aufzudeckende, sondern auch bei Prognosen (etwa im Strafvollzugs- und Bewährungskontext) über erst noch zu begehende Taten. Auch hier ist die Anwendung von aktuarischen Methoden (kontraintuitiverweise) eher insgesamt kriminalitätserhöhend.
 
*Verborgene soziale Kosten


== Literatur ==
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