Abschaffung der Gefängnisse: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 11: Zeile 11:
Die Vorstellung vom quantitativen Erfolg des Gefängnisses lässt sich am einfachsten widerlegen. Denn die Nachfrage nach Haftplätzen kommt ja bekanntlich gerade nicht von denen, die dort resozialisiert werden sollen, sondern ist ein artifizielles Produkt der Definition und Verarbeitung von Kriminalität - nicht zuletzt Folge der Ineffektivität der Haft im Hinblick auf das künftige Legalverhalten der Gefangenen. Besonders unbarmherzige Gesellschaften - besonders solche mit einer markanten Sklavenhalter-Vergangenheit wie zum Beispiel die USA und Brasilien - pflegen harte und sozial exkludierende, also die Rückfälligkeit begünstigende Haftstrafen zu verhängen und damit einen sich selbst verstärkenden Mechanismus der Produktion und Reproduktion von immer höheren Gefangenenzahlen in Gang zu setzen. Das wuchernde Wachstum des Gefängnissystems in solchen Staaten ist ein Zeichen für mangelnde soziale Solidarität, für das Weiterwirken alter Rassen- und Klassenspaltungen und vieles mehr - aber kein Erfolgsnachweis in irgendeinem vernünftigen Sinne. Im Gegenteil: hohe Inhaftierungsraten sind immer auch Indizien für das Nicht-Funktionieren des Gefängnissystems.   
Die Vorstellung vom quantitativen Erfolg des Gefängnisses lässt sich am einfachsten widerlegen. Denn die Nachfrage nach Haftplätzen kommt ja bekanntlich gerade nicht von denen, die dort resozialisiert werden sollen, sondern ist ein artifizielles Produkt der Definition und Verarbeitung von Kriminalität - nicht zuletzt Folge der Ineffektivität der Haft im Hinblick auf das künftige Legalverhalten der Gefangenen. Besonders unbarmherzige Gesellschaften - besonders solche mit einer markanten Sklavenhalter-Vergangenheit wie zum Beispiel die USA und Brasilien - pflegen harte und sozial exkludierende, also die Rückfälligkeit begünstigende Haftstrafen zu verhängen und damit einen sich selbst verstärkenden Mechanismus der Produktion und Reproduktion von immer höheren Gefangenenzahlen in Gang zu setzen. Das wuchernde Wachstum des Gefängnissystems in solchen Staaten ist ein Zeichen für mangelnde soziale Solidarität, für das Weiterwirken alter Rassen- und Klassenspaltungen und vieles mehr - aber kein Erfolgsnachweis in irgendeinem vernünftigen Sinne. Im Gegenteil: hohe Inhaftierungsraten sind immer auch Indizien für das Nicht-Funktionieren des Gefängnissystems.   


Was die Vorstellung vom Gefängnis als einem zunehmend humaneren System angeht, so lohnt es sich, den Blick auf das Gesamtsystem und seine Entwicklung zu richten. Das Gesamtsystem des Gefängnisses besteht aus den Anstalten in Australien, Europa, Afrika, Asien und den Amerikas, wobei allerdings Australien und Europa als untypische und quantitativ eher unbedeutende Randbezirke außen vor bleiben können. Die gelebte Realität des Gefängnisses - die von der überwältigenden Mehrheit der Millionen Insassen erlebte und erlittene Realität - ist das, was sich in den üblichen afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Gefängnissen abspielt, was dort tagtäglich tatsächlich passiert. Und das hat mit Humanisierung und linearer Höherentwicklung nichts zu tun. Eher schon mit dem Bild eines sich schließenden Kreises. Die Quäker hatten einst das Zellensystem der Einzelhaft als Reaktion auf die unhygienischen scheint sich alles in einem Teufelskreis zu bewegen, wenn nicht sogar in zwei. Erstens ist man da wieder dort angelangt, wo John Howard einst begann: bei der Massenverwahrung ohne Sinn und Verstand, ohne Anspruch auf Resozialisierung und ohne Empathie. Gestank, Misshandlung, Enge und Gewalt, die der Beschreibung spotten - in Afrika und Asien, in Lateinamerika und auf eigene Art auch in der ''mass incarceration'' in den USA. Hier schließt sich der Kreis von der Skandalisierung der bloßen Verwahrung im späten 18. Jahrhundert über das ''rehabilitative ideal'' und dessen Niedergang (Allen 1981) zurück zur kümmerungsbefreiten Massenverwahrung. Zweitens schließt sich aber auch der Kreis der Einzelhaft: das ''solitary system''####, Wir sind aber nicht nur wieder dort, wo alles begann, sondern selbst die Geschichte der zunehmenden Liberalisierung des pennsylvanischen Vollzugs wird hier brutal entmystifiziert. Sowohl in den Kerkern Afrikas und Asiens als auch im ultratechnizistischen Strafvollzug der USA ist seit einigen Jahrzehnten zu bemerken, wie sich auch hier der Kreis zu schließen beginnt. Wer in armen Ländern das Pech hat, überhaupt noch als Individuum wahrgenommen zu werden, den erwarten nur allzu häufig Extraqualen wie im Black Beach Gefängnis von Äquatorialguinea im südsaharischen Afrika - systematische Folter und die Versagung von Körperhygiene und ärztlicher Hilfe, ununterbrochener angeketteter Zellenaufenthalt und Unterversorgung mit Nahrung bis zum Verhungern (einige der Gefangenen sitzen dort ein, weil sie 2004 an einem Putschversuch gegen Präsidenten des Landes, einen ehemaligen Leiter genau dieser Anstalt, beteiligt waren). Und wer in den USA nicht als Nummer in der Massenverwahrung landet, den erwartet die Heimsuchung der Isolationsfolter in Supermax Prisons und den sogenannten CMUs, den Communication Management Units. Da ist sie wieder: die Einzelhaft pur und grausam, nur diesmal ohne die gutwillige Naivität ihrer damaligen Erfinder - diesmal auch als Folter gemeint.
Was die Vorstellung vom Gefängnis als einem zunehmend humaneren System angeht, so lohnt es sich, den Blick auf das Gesamtsystem und seine Entwicklung zu richten. Das Gesamtsystem des Gefängnisses besteht aus den Anstalten in Australien, Europa, Afrika, Asien und den Amerikas, wobei allerdings Australien und Europa als untypische und quantitativ eher unbedeutende Randbezirke außen vor bleiben können. Die gelebte Realität des Gefängnisses - die von der überwältigenden Mehrheit der Millionen Insassen erlebte und erlittene Realität - ist das, was sich in den üblichen afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Gefängnissen abspielt, was dort tagtäglich tatsächlich passiert. Und das hat mit Humanisierung und linearer Höherentwicklung nichts zu tun. Eher schon mit dem Bild eines sich schließenden Kreises. Die Quäker hatten einst das Zellensystem der Einzelhaft als Reaktion auf die unhygienischen, durch Korruption, Gewalt und Elend gekennzeichneten Bedingungen der undifferenzierten Gemeinschaftshaft erfunden, die John Howard (1777) so eindrucksvoll beschrieben hatte. John Howard war damals der beste Kenner der Verhältnisse, hatte er doch am Ende seines Lebens rund 80 000 Kilometer zurück gelegt. Korruptionscheint sich alles in einem Teufelskreis zu bewegen, wenn nicht sogar in zwei. Erstens ist man da wieder dort angelangt, wo John Howard einst begann: bei der Massenverwahrung ohne Sinn und Verstand, ohne Anspruch auf Resozialisierung und ohne Empathie. Gestank, Misshandlung, Enge und Gewalt, die der Beschreibung spotten - in Afrika und Asien, in Lateinamerika und auf eigene Art auch in der ''mass incarceration'' in den USA. Hier schließt sich der Kreis von der Skandalisierung der bloßen Verwahrung im späten 18. Jahrhundert über das ''rehabilitative ideal'' und dessen Niedergang (Allen 1981) zurück zur kümmerungsbefreiten Massenverwahrung. Zweitens schließt sich aber auch der Kreis der Einzelhaft: das ''solitary system''####, Wir sind aber nicht nur wieder dort, wo alles begann, sondern selbst die Geschichte der zunehmenden Liberalisierung des pennsylvanischen Vollzugs wird hier brutal entmystifiziert. Sowohl in den Kerkern Afrikas und Asiens als auch im ultratechnizistischen Strafvollzug der USA ist seit einigen Jahrzehnten zu bemerken, wie sich auch hier der Kreis zu schließen beginnt. Wer in armen Ländern das Pech hat, überhaupt noch als Individuum wahrgenommen zu werden, den erwarten nur allzu häufig Extraqualen wie im Black Beach Gefängnis von Äquatorialguinea im südsaharischen Afrika - systematische Folter und die Versagung von Körperhygiene und ärztlicher Hilfe, ununterbrochener angeketteter Zellenaufenthalt und Unterversorgung mit Nahrung bis zum Verhungern (einige der Gefangenen sitzen dort ein, weil sie 2004 an einem Putschversuch gegen Präsidenten des Landes, einen ehemaligen Leiter genau dieser Anstalt, beteiligt waren). Und wer in den USA nicht als Nummer in der Massenverwahrung landet, den erwartet die Heimsuchung der Isolationsfolter in Supermax Prisons und den sogenannten CMUs, den Communication Management Units. Da ist sie wieder: die Einzelhaft pur und grausam, nur diesmal ohne die gutwillige Naivität ihrer damaligen Erfinder - diesmal auch als Folter gemeint.


ie Behauptung eines Fortschritts im Strafvollzug Erfolgsgeschichte spielt sich das, was das Gefängnis heute in Wirklichkeit ist, wo also die weitaus meisten Gefangenen sitzen
ie Behauptung eines Fortschritts im Strafvollzug Erfolgsgeschichte spielt sich das, was das Gefängnis heute in Wirklichkeit ist, wo also die weitaus meisten Gefangenen sitzen
31.738

Bearbeitungen