Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV)

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Die 1888 in Brüssel von Franz von Liszt, Adolphe Prins und Gerardus Antonius van Hamel gegründete Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV) engagierte sich für die Reform des Strafrechts und des Kriminaljustizwesens. Artikel 1 der geänderten Satzung von 1897 forderte die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens, seiner Ursachen und der Mittel seiner Bekämpfung und erklärte, "dass sowohl das Verbrechen als auch die Mittel zu seiner Bekämpfung nicht nur vom juristischen, sondern ebenso auch vom anthropologischen und soziologischen Standpunkt aus betrachtet werden müssen".


Gründung und Entwicklung

Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV) wurde am 17. September 1888 in Brüssel von Franz von Liszt, Adolphe Prins und Gerardus Antonius van Hamel gegründet und war auch unter den Bezeichnungen International Union of Penal Law (I.U.P.L.) und Union Internationale de Droit Pénal (U.I.D.P.) bekannt. Am 1. Januar 1889 nahm die Vereinigung offiziell ihre Arbeit auf.

Anstoß für die Gründung war der v.a. briefliche, aber auch persönliche Kontakt zwischen v. Liszt, Prins und Hamel. Dieser Kontakt zeugte von einer weitgehenden Übereinstimmung ihrer Ansichten und so sollten mit vereinten Kräften die gemeinsamen Anschauungen nach außen vertreten werden. Die IKV wurde als erste internationale Organisation auf dem Felde der Strafrechtspflege gegründet und war für alle Personen gedacht, welche die Aufgabe in einer zielbewussten Bekämpfung des Verbrechertums sahen und die bestehenden Einrichtungen in dieser Beziehung für verbesserungsbedürftig und –fähig hielten. Die Zeit war reif für Reformen und Änderungen und das erzeugte eine internationale Stimmung. Wissenschaftler in aller Welt beobachteten und verfolgten frei von nationalen Zwängen die Entwicklungen im In- und Ausland mit wissenschaftlichem Interesse. Theoretiker und Praktiker der verschiedenen Länder konnten sich durch die Vereinigung zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden. Die gemeinsam errungenen Erkenntnisse wurden dann den Gesetzgebungen der einzelnen Länder, unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Eigenarten, zur Verfügung gestellt.

Organ der Vereinigung waren die „Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung“. Sie berichteten regelmäßig u.a. von den an den verschiedensten Orten Europas durchgeführten Kongressen. Die Mitteilungen wurden zunächst der „Zeitschrift für die gesamte Strafwissenschaft“ beigelegt (1889 – 1904). Ab 1904 wurden die Mitteilungen als eigenständige Literatur herausgegeben.

Das Jubiläumsjahr 1914, in dem das 25jährige Bestehen der Vereinigung gefeiert wurde, sollte zeitgleich das Ende der IKV einläuten. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde die internationale strafrechtliche Zusammenarbeit jäh unterbrochen. An eine wissenschaftliche Zusammenarbeit der verfeindeten Staaten war nicht mehr zu denken. Von nun an gab es nur noch die, während der IKV gegründeten, Landesgruppen. Nach Kriegsende wurde versucht, die IKV, auch in veränderter Gestalt, wieder aufleben zu lassen. Trotz mehrfacher Versuche gelang eine Wiederbelebung der IKV nicht mehr. Statt dessen wurde am 14.03.1924 die „Nachfolgeorganisation“ Association Internationale de Droit Pénal (A.I.D.P.) bzw. International Association of Penal Law (I.A.P.L.) in Paris gegründet. Die A.I.D.P. ist bis zum heutigen Tage aktiv und verfolgt die Ziele der strafrechtsdogmatischen und kriminologischen Forschung, ganz im Sinne der IKV, ohne für eine bestimmte Strafrechtstheorie Partei zu ergreifen.


Gründer

=== Franz von Liszt === (* 2. März 1851 in Wien, † 21. Juni 1919)

Der in Wien geborene Jurist war u.a. Professor für Strafrecht an Lehrstühlen in Gießen, Marburg, Halle und Berlin. Darüber hinaus war er Abgeordneter der Fortschrittlichen Volkspartei im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag und einer der Mitbegründer des Liberalen Wahlvereins. Er gründete das „Kriminalistische Seminar“ und war Mitherausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft“. 1882 hielt er die, unter dem Namen „Marburger Programm“ bekannt gewordene, epochemachende Rede „Der Zweckgedanke im Strafrecht“. Er gilt als der Initiator und die treibende Kraft bei der Gründung der „Internationalen Kriminalistischen Vereinigung“.

=== Adolphe Prins === (* 2. November 1845 in Brüssel, † 29. September 1919)

Der belgische Rechtswissenschaftler und Soziologie war u.a. Generalinspekteur der belgischen Gefängnisse sowie zunächst Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und später Rektor der Freien Universität Brüssel. Er war Mitglied der königlichen Akademie Belgiens sowie des obersten Arbeitsrates. Den nachhaltigsten Eindruck hatte er durch sein gesetzgeberisches Wirken als Präsident der Gesetzgebungskommission hinterlassen.

=== Gerardus Antonius von Hamel === (* 7. Januar 1842 in Haarlem, † 2. November 1917)

Der niederländische Strafrechtsprofessor war u.a. als stellverstretender Justiz-Offizier (Staatsanwalt) und Rechtsbeistand im Kriegsdepartment tätig. Er war Mitbegründer der Zeitschrift „Tijschrift voor Strafrecht“ sowie Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Liberalen Union.

Mitglieder

Die IKV begann ihre Arbeit im Jahr der Gründung mit 75 Mitgliedern. Seitdem konnte sie einen stetigen Anstieg verzeichnen. Im letzten schriftlichen Verzeichnis aus dem Jahre 1904 zählte die Vereinigung 1.122 Mitglieder.

Die Herkunft der Mitglieder erstreckte sich über Deutschland, Russland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Frankreich, Portugal, Spanien, Österreich, Ungarn, Kroatien, Niederlande, Belgien, Schweiz, Italien, Großbritannien, Vereinigte Staaten, Balkanstaaten, Finnland, Ägypten, Brasilien, Argentinien, Venezuela, Australien und Japan. Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht in etwa der Reihenfolge der Anzahl der Mitglieder des jeweiligen Landes.

Die Jahresversammlung der IKV wurde an wechselnden Orten in verschiedenen Ländern abgehalten. Diese Versammlungen hatten auffälligerweise anschließend in dem jeweiligen Gastgeberland sowohl das Anwachsen der Mitgliederzahl als auch die Bildung eigener Landesgruppen zur Folge. Eigene Landesgruppen entstanden in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Norwegen, Portugal, Russland, Ungarn und der Schweiz.

Die Mitglieder bestanden hauptsächlich aus Juristen, Strafanstaltsbeamten und Medizinern (v.a. Psychiater). An den Versammlungen der IKV konnten auch Nicht-Mitglieder gegen ein Entgelt teilnehmen. Dies waren v.a. Geistliche, Lehrer und Mitglieder von Fürsorgevereinen.

Standpunkt

Die Gründung der IKV fand zu einem Zeitpunkt neuer starker Strömungen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege und der Strafrechtswissenschaft statt. In diese Zeit fallen sowohl die neuen Ansätze der kriminalanthropologischen Schule als auch die Anfänge der kriminalsoziologischen Forschung. Die IKV wollte sich aber nicht auf bestimmte Grundsätze festlegen und vor allem dem Schulenstreit neutral gegenüberstehen. Ihr Anliegen war es, dass sich grundsätzlich alle diejenige, denen es um die wissenschaftliche Erforschung der Kriminalität und der Mittel zu ihrer Bekämpfung geht, egal welcher wissenschaftlichen Überzeugung sie sind, in der Vereinigung zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden können.

Zu Beginn der IKV war jedoch in der Satzung Gegenteiliges festgeschrieben. Durch sie wurden die Mitglieder verpflichtet, sich mit ihrem Eintritt in die Vereinigung auf bestimmte kriminalpolitische Grundanschauungen festzulegen. So zum Beispiel, dass der Zweck der Strafe nicht vorrangig die Vergeltung der Tat ist. Vielmehr sei die Aufgabe der Strafe die Bekämpfung des Verbrechens als soziale Erscheinung. Auch sollte die Strafe zwar als wirksames Mittel zur Bekämpfung des Verbrechens gesehen werden, aber nicht als das Einzige. Man müsse sie vielmehr im Zusammenhang mit anderen Mitteln zur Bekämpfung des Verbrechens, v.a. denen zur Verhütung, sehen. Die IKV schloss damit zwar keine Andersdenkenden aus, stellte sich aber deutlich auf den Standpunkt der modernen Schule.

Nachdem die Satzung durch die Vorgabe dieser verbindlichen Glaubensaussagen sowohl aus den eigenen Reihen als auch in Fachzeitschriften scharf kritisiert wurde, wurde sie 1897 dahingehend verändert, dass auf die Aufstellung kriminalpolitischer Dogmen und die Normierung eines bestimmten Strafzwecks verzichtet wurde. Nach ihrer rechtlichen Wertung stand die IKV folglich nicht vermittelnd zwischen den gegensätzlichen relativen und absoluten Theorien, sondern verhielt sich vielmehr jenem Prinzipienstreit gegenüber satzungsmäßig neutral. Die Satzung konnte nun von Anhängern aller Schulen ohne weiteres akzeptiert werden. Auch im Kampf zwischen Indeterminismus und Determinismus bezog die IKV einen ähnlichen Standpunkt. Zwar gab es im Inneren der Vereinigung immer wieder bestimmte vorherrschende Tendenzen und gelegentliche Äußerungen, doch nach Außen war die Vereinigung neutral.

Diese „Mischung“ des Mitgliederstabes mit Anhängern unterschiedlicher Schulen innerhalb der IKV verlieh der Vereinigung ihren besonderen Wert. Theoretiker und Praktiker mit den verschiedensten Ansichten konnten sich zur gemeinsamen Arbeit vereinen, deren gemeinsames Ziel, über den Schulenstreit hinweg, ein besonders segensreiches Wirken der Vereinigung war. Vor allem in den Gutachten und Beratungen der IKV bewährten sich die umfassenden Kenntnisse der verschiedenen Mitglieder.

Die unterschiedlichen Überzeugungen innerhalb der IKV brachten die gemeinsamen Arbeit jedoch auch immer wieder zum stocken. So musste zum Beispiel die Arbeit an der Untersuchung des Einflusses der neuen Schule auf die Grundbegriffe des Strafrechts ohne Ergebnisse oder Forderungen aufgegeben werden, da die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Vereinigung nicht überwunden werden konnten. Das Ziel, den wirklichen oder vermeintlichen Gegensatz zwischen der klassisch- juristischen und kriminalsoziologischen oder kriminalanthropologischen Schule zu präzisieren und die Stellung der Vereinigung im Schulenstreit zu bestimmten, konnte nicht erreicht werden. Die gleichfalls mit dem Schulgegensatz zusammenhängende Frage der rechtlichen Verantwortlichkeit hat die Vereinigung ebenfalls vergeblich versucht zu klären.

Im Gegensatz dazu schien jedoch in praktischen Fragen der Gesetzgebung eine bemerkenswerte Übereinstimmung der Mitglieder bestanden zu haben und so wurde trotz aller Verschiedenheit in den Grundfragen in der Vereinigung wirkungsvoll zusammen gearbeitet.

Arbeit

Ziel der Arbeit war die allmähliche Umgestaltung des geltenden Rechts, unabhängig von jeder Theorie und Glaubensfrage. Die IKV sollte dazu dienen Theoretiker und Praktiker aller Kulturländer zu gemeinsamer Arbeit zu vereinen und neuen Gedanken im Strafrecht, Strafprozess und Strafvollzug den Weg zu bahnen. Sie stellte sich die Aufgabe der wissenschaftlichen Erforschung des Verbrechen und deren Ursachen sowie der Mittel seiner Bekämpfung. Diese Arbeitsgebiete gingen mehrfach ineinander über und die bearbeiteten Themen wurden nach dem Grad ihrer jeweiligen Aktualität ausgewählt. Die Aufgaben wurden mittels bestimmter Fragestellungen auf den Kongressen der IKV bearbeitet. Diese waren jeweils durch Gutachter und Berichte vorbereitet, über deren Inhalt anschließend diskutiert und abgestimmt wurde. Die Landesgruppen der IKV hatten die Aufgabe, in Landesversammlungen die Reformfragen mit besonderer Berücksichtigung der einheimischen Verhältnisse zu prüfen.

Erforschung des Verbrechens

Unter diesem Aufgabengebiet subsumieren sich alle Forschungen, die sich nicht mit den Ursachen und Gegenmitteln beschäftigen, aber kriminalwissenschaftlicher Natur sind. Bearbeitete Bereiche waren hier u.a. die Übertretungen, der Lustmord, die Psychologie der Zeugenaussage, die Ausbildung der Kriminalisten sowie die Ausbildung in den Hilfswissenschaften des Strafrechts. Der internationale Charakter der Vereinigung hat sich hier besonders auf dem Gebiet der vergleichenden Strafrechtswissenschaft bewährt. Die Vereinigung schaffte es eine einheitliche Darstellung des Strafrechts fast aller Kulturländer der Erde zu geben. Sie veröffentlichte hierzu zwei Bände zum Thema „Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung“. Der erste Band bezog sich dabei auf das Strafrecht der Staaten Europas, der zweite Band auf das der außereuropäischen Staaten. Obwohl es genügend Material gab, erschien kein weiterer Band dieses Werkes. Nachträge zu dem Werk über die Entwicklung der Gesetzgebung im In- und Ausland und über kriminalpolitische Maßnahmen der einzelnen Staaten erfolgen durch Berichte in den Mitteilungen der IKV. Im Rahmen der vergleichenden Strafrechtswissenschaft wurde zudem von der Vereinigung zahlreiche Entwürfe und Gegenvorschläge für die Reform der Gesetzgebung erarbeitet. Zu erwähnen ist hier noch das Gebiet der Untersuchung des Einflusses der neuen Schule auf die Grundbegriffe des Strafrechts. Das Anliegen der neuen Schule war noch zu wenig geklärt und so zeigte sich wie weit die Vereinigung von einer gemeinsamen Überzeugung entfernt war. Die Verhandlungen hatten unter dem Schulengegensatz und der unterschiedlichen Auffassungsweise der Begrifflichkeiten so zu leiden, dass die Vereinigung auf diesem Gebiet schließlich keine Forderungen stellte, die auf die grundsätzliche Änderung des gegenwärtigen Strafrechtssystems abzielten. Lediglich auf gemeinsame Thesen konnte sich geeinigt werden.

Erforschung der Ursachen des Verbrechens

In diesem Arbeitsgebiet kam es zur geringsten Betätigung der IKV. Im Interesse der Vereinigung standen hier die Themen Rückfall- und Kriminalstatistik sowie der Einfluss des Greisenalters auf die Kriminalität. Das Thema einer einheitlichen und wissenschaftlich fundierten Rückfallstatistik wurde von der IKV am intensivsten und erfolgreichsten bearbeitet. Die Vereinigung deckte nicht nur die Grundfehler der üblichen statistischen Methode auf, sondern entwickelte auch eine neue Methode, für welche sie im Anschluss energisch Werbung machte. Durch die große Gründlichkeit bei der Bearbeitung dieser Frage leistete die Vereinigung Bedeutsames und hatte so verändernden Einfluss auf die deutsche Rückfallstatistik u.a. Den Wunsch nach einer international vergleichbaren Kriminalstatistik konnte sich die IKV aber nicht erfüllen. Das Vorhaben scheiterte u.a. an der Vergleichbarkeit der Länder. Zu unterschiedlich waren die Modalitäten bezüglich strafbarem Handeln. Das Vorhaben nun zumindest eine einheitliche nationale Kriminalstatistik zu erreichen, scheiterte ebenso.

Erforschung der zur Bekämpfung des Verbrechens geeigneten Mittel

Auf diese Aufgabe verwandte die Vereinigung den größten Zeitaufwand und Eifer. Die damalige Strafrechtspflege wurde von vielen als unwirksam angesehen und ließ das Bedürfnis nach Wandel immer dringlicher erscheinen. Die Vereinigung beschränkte sich bei der Bearbeitung dieser Aufgabe nicht auf die Aufstellung von eigenen Reformforderungen, sondern untersuchte auch bereits durchgeführte Reformen auf deren Wirkungen und ihren Einfluss auf die Kriminalität. Unter die gemeinsam bearbeiteten Themen fallen hier die Transportation, Bettelei und Landstreicherei, das Internationale Verbrechen, die internationale Regelung über ein Auslieferungsverfahren, die Fürsorge für entlassene Häftlinge sowie die Rehabilitation und die verminderte Zurechnungsfähigkeit. Bei der Beschäftigung mit dem Thema Rückfall wurde als Hauptgebrechen des gegenwärtigen Rechts die mangelhafte Klassifikation und die gleichmäßige Behandlung von Gewohnheits- und Gelegenheitsverbrechern ausfindig gemacht. Sie präzisierte eine neue Einteilung und prüfte ihre praktische Durchführbarkeit und Zweckmäßigkeit. Daneben gelang es gemeinsam Klarheit über die Begriffe Gemeingefährlichkeit und Rückfälligkeit und deren Abgrenzung zueinander zu erlangen. Das Thema des Rückfalls entwickelte sich im Laufe der Bearbeitung in Richtung der Frage des Schutzes der Gesellschaft. Hier waren u.a. Forderungen nach präventiven Sicherungsmaßnahmen ohne Gebundenheit an objektive Kriterien im Gespräch. In ähnliche Richtung ging eine These der Vereinigung, die später noch schlimme Ausmaße annehmen sollte. Bei dem Thema der Behandlung der Gemeingefährlichen wurde empfohlen, dass das Gesetz besondere Maßnahmen zum Schutze der sozialen Sicherheit gegen Delinquenten erlassen muss, die aus Gründen der Rückfälligkeit, des Erbguts oder der Lebensgewohnheiten gefährlich sind. Diesem Gedankengut bediente sich später die nationalsozialistische Propaganda und nutzte die Idee für ihre menschenverachtende Kriminalpolitik. Als sich die Vereinigung mit dem Thema der kurzzeitigen Freiheitsstrafe beschäftigte, war von verschiedenen Seiten ihre Wertlosigkeit festgestellt worden. Die IKV sah in einer sinnvollen Ergänzung dieses Strafmittels ihre wichtigste Aufgabe. U.a. in diesem Zusammenhang beschäftigte man sich mit der bedingten Verurteilung. Deren Annahme empfahl die Vereinigung den Gesetzgebern aller Länder. Später wurde allerdings an einem Exempel die schwache Wirksamkeit der bedingten Verurteilung auf die Hemmung der Kriminalität festgestellt und man kam schließlich zur Überzeugung, dass die kurze Freiheitsstrafe unentbehrlich sei und mit einer härteren Anwendung erfolgreicher zu machen sei. Weiter wurden die Themen Reform der Geldstrafe, das unbestimmte Strafurteil, Strafprozessuale Aufgaben, Mädchenhandel und Jugendkriminalität bearbeitet. Gerade in den beiden zuletzt genannten Gebieten erwarb sich die IKV ebenfalls große Verdienste.


In vielen der genannten Gebiete hatte die IKV messbare Erfolge. Bei manchen Themen konnte die IKV keine Einigung erlangen. Dies lag zumeist an den zu unterschiedlichen Standpunkten bei der Schulfrage und den gegensätzlichen Grundhaltungen. Aber auch eine teilweise zu große Unterschiedlichkeit der Gutachten und unorganisierte Arbeitsweise der Vereinigung führten zur Ergebnislosigkeit mancher Themen. In einer Gesamtbetrachtung hat die IKV als erste internationale Organisation auf dem Feld der Strafrechtspflege aber ihre selbstgesetzte Aufgabe bis zum ersten Weltkrieg durchaus erfolgreich erfüllt. Noch kurz vor Ausbruch des Krieges welcher die Arbeit der IKV enden ließ, feierte die IKV ihr 25jähriges Bestehen und kündigte an sich in Zukunft um Themen wie die Ausbildung der Juristen und Reformfragen des Prozessrechtes und des materiellen Rechtes zu bemühen. Zu der ebenso angekündigten stärkeren Berücksichtigung des soziologischen Standpunktes sollte es aber aufgrund der gegebenen politischen Ereignisse nicht mehr kommen.

Literatur

  • Bellmann, Elisabeth: Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (1889-1933). Verlag Peter Lang GmbH. Frankfurt am Main, 1994.
  • Kitzinger Dr., Friedrich: Die Internationale Kriminalistische Vereinigung. Betrachtungen über ihr Wesen und ihre bisherige Wirksamkeit. C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung. München, 1905.
  • Würtenberger, Thomas: Organisationen und Institute. In: Sieverts, Rudolf/ Schneider, Hans Joachim (Hrsg.): Handwörterbuch der Kriminologie. Bd.2. Kriminalpolitik - Rauschmittelmißbrauch. Walter de Gruyter. Berlin, 1977.

Weblinks