Punitivität: Unterschied zwischen den Versionen

4 Bytes hinzugefügt ,  19:55, 9. Mär. 2006
Zeile 27: Zeile 27:


*Indikatoren auf individueller Ebene:
*Indikatoren auf individueller Ebene:
**Anzeigeverhalten der Bevölkerung<br>Im Anzeigeverhalten der Bevölkerung schlägt sich auch deren Strafverlangen nieder. Da aber erstens das Anzeigeverhalten auch von anderen Bedürfnissen, Interessen, Einstellungen und situativen Faktoren abhängt und man zweitens schwer unterscheiden kann, inwiefern mit einer gestiegenen Zahl von Anzeigen eine gestiegene Zahl anzeigbarer Delikte einhergeht, ist dieser Indikator eher als problematisch zu erachten (cf. Polizeiliche Kriminalstatistik bzw. [[Hellfeld]]).
**Anzeigeverhalten der Bevölkerung<br>Im Anzeigeverhalten der Bevölkerung schlägt sich auch deren Strafverlangen nieder. Da aber erstens das Anzeigeverhalten auch von anderen Bedürfnissen, Interessen, Einstellungen und situativen Faktoren abhängt und man zweitens schwer unterscheiden kann, inwiefern mit einer gestiegenen Zahl von Anzeigen eine gestiegene Zahl anzeigbarer Delikte einhergeht, ist dieser Indikator eher als problematisch zu erachten (cf. [[Polizeiliche Kriminalstatistik]] bzw. [[Hellfeld]]).
**Strafwünsche der Bevölkerung<br>Zur Messung der Strafeinstellungen von Befragten werden vielfach Standardindikatoren verwendet, deren Reliabilität angezweifelt werden kann (cf. z.&nbsp;B. Sessar 2001; Kury et&nbsp;al. 2004). Hutton (2005) vergleicht in einer schottischen Untersuchung, die sowohl eine Face-to-Face-Befragung, Fokusgruppen als auch eine Art <i>Deliberative poll</i> umfaßte, neben den Ergebnissen der unterschiedlichen Erhebungsmethoden und den Auswirkungen von Zusatzinformationen zum Entstehung und Tathergang eines Verbrechens in Fragebögen auch “individualist“ und “structuralist accounts“ von Verbrechen (cf. Garland 2002). Während die individualistischen Darstellungen eine Moralgeschichte erzählen und eine einzelne Sanktion notwendig machen (der Begfragte hat eine Rolle als Richter), beleuchten die strukturalistischen Darstellungen eher die Umstände von Kriminalität, wobei dann Themen wie gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Bildung etc. bedeutsam werden (der Befragte hat hier die Rolle eines Sozialreformers oder Politikers). Beide Arten der Darstellung folgen vollkommen unterschiedlichen Logiken und sind miteinander inkompatibel, was die sich stark unterscheidenden Ergebnisse von Umfragen zu Strafeinstellungen erklären kann: Während Umfragen, bei denen Kriminalität ohne Zusatzinformationen auf einer strukturelle abgefragt werden, eher eine punitive öffentliche Meinung erzeugen, resultieren Methoden, die den Befragten die Möglichkeit zu Dialog geben, Zusatzinformationen geben und die Darstellung der Kriminalität individuell einfassen, eher in liberalen Einstellungen.
**Strafwünsche der Bevölkerung<br>Zur Messung der Strafeinstellungen von Befragten werden vielfach Standardindikatoren verwendet, deren Reliabilität angezweifelt werden kann (cf. z.&nbsp;B. Sessar 2001; Kury et&nbsp;al. 2004). Hutton (2005) vergleicht in einer schottischen Untersuchung, die sowohl eine Face-to-Face-Befragung, Fokusgruppen als auch eine Art <i>Deliberative poll</i> umfaßte, neben den Ergebnissen der unterschiedlichen Erhebungsmethoden und den Auswirkungen von Zusatzinformationen zum Entstehung und Tathergang eines Verbrechens in Fragebögen auch “individualist“ und “structuralist accounts“ von Verbrechen (cf. Garland 2002). Während die individualistischen Darstellungen eine Moralgeschichte erzählen und eine einzelne Sanktion notwendig machen (der Begfragte hat eine Rolle als Richter), beleuchten die strukturalistischen Darstellungen eher die Umstände von Kriminalität, wobei dann Themen wie gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Bildung etc. bedeutsam werden (der Befragte hat hier die Rolle eines Sozialreformers oder Politikers). Beide Arten der Darstellung folgen vollkommen unterschiedlichen Logiken und sind miteinander inkompatibel, was die sich stark unterscheidenden Ergebnisse von Umfragen zu Strafeinstellungen erklären kann: Während Umfragen, bei denen Kriminalität ohne Zusatzinformationen auf einer strukturelle abgefragt werden, eher eine punitive öffentliche Meinung erzeugen, resultieren Methoden, die den Befragten die Möglichkeit zu Dialog geben, Zusatzinformationen geben und die Darstellung der Kriminalität individuell einfassen, eher in liberalen Einstellungen.


Anonymer Benutzer