Wirtschaftslage

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Der Einfluss der Wirtschaftslage auf die Kriminalität ist spätestens seit Georg v. Mayr Gegenstand wissenschaftlicher Analysen. Für das 19. Jahrhundert galt die positive Korrelation zwischen dem Getreidepreis und der Eigentumskriminalität als nachgewiesen (vgl. Heiland 1983). Mitte des 20. Jahrhunderts schien es eher umgekehrt zu sein ("Wohlstandskriminalität").

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Willem Bonger gelangte in seinem Werk "La criminalité et les conditions économiques" (1905) zu dem Ergebnis, dass die Diebstähle mit den Preisen der Grundnahrungsmittel korrelierten, allerdings nur bis zum Jahr 1900, aber nicht über die Jahrhundertwende hinaus (Blasius 1993). Erklärt wird dieses Phänomen mit dem Verschwinden des Massenelends im Zuge des Wirtschaftswachstums (Killias 2002).

Für die letzten fünfzig Jahre kommt eine ökonomische Studie aus England zu komplexen Ergebnissen und Folgerungen: So haben die Eigentumsdelikte (einschließlich Einbrüche) mit der Anzahl junger Männer (von 15 bis 20 Jahren) und dem Privatkonsom ( also der Menge verfügbarer Tatobjekte) zugenommen, gleichzeitig aber mit der Verbesserung des Wohlstandes abgenommen (Field 1999).

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Eine Querschnittstudie anhand von 43 englischen Regionen hat einen starken Einfluß des Niveaus der tiefsten zehn Prozent der Löhne auf die Entwicklung der Einbrüche und Diebstähle dokumentiert (Machin / Meghir 1998).

Neuere Studien deuten darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an Sozialhilfe an bedürftige Familien und der Kriminalität im allgemeinen besteht (DeFronzo 1997; Savage / Vila 1997). Killias (2002, 136) erklärt diesen Umstand folgendermaßen: eine großzügigere Sozialhilfe entspannt das Erziehungsmilieu und reduziert traumatisierende Erfahrungen für die Kinder.

Literatur

Blasius, D. (1993): Sozialgeschichte der Kriminalität. In: Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss (Hg.): Kleines Kriminologisches Wörterbuch. Müller, Heidelberg.

DeFronzo, J. (1997): Welfare and Homicide. In: Journal of Research in Crime and Delinquency 34/3. 395-406.

Field, S. (1999): Trends in Crime Revisited. Home Office, London (Research Study 195).

Heiland, H.-G. (1983): Wohlstandskonjunktur und Wohlstandskriminalität. In: H.-J. Kerner / H. Kury / K. Sessar (Hg.): Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle. Bd.6/1. Heymanns, Köln.

Killias, M. (2002): Grundriss der Kriminologie. Eine europäische Perspektive. Stämpfli, Bern.

Ludi, R. (1999): Die Fabrikation des Verbrechens. Zur Geschichte der modernen Kriminalpolitik (1750-1850). Forum Verlag Godesberg, Bonn. 115-125.

Machin S. / Meghir, C. (1998): Crime and Economic Incentives. Department of Economics, University College London & Institute for Fiscals Studies 1998.

Savage, R.J. / Vila, B. (1997): Lagged Effects of Nurturance on Crime. A Cross-National Comparison. In: Studies on Crime and Crime Prevention 6/1. 101-120.

Quellen

Foto: Die Verzweifelte, Photographie von Walter Ballhause aus der Reihe "Rentner" um 1930. DHM, Berlin. Ph 92/160

Grafik Dieb: stuga.informatik.uni-bremen.de (Bild:Werwolf_Dieb.jpg)