Vollzugslockerung

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff der Vollzugslockerung gehört zur Sondersprache des deutschen Strafvollzugs. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist er nicht geläufig. Eine Lockerung des Strafvollzugs besteht zum Beispiel in der Erlaubnis, tagsüber außerhalb der Anstalt zu arbeiten oder die Anstalt zu einem anderen Zweck zu verlassen.

Lockerungen sollen Gefangene allmählich an die Realität außerhalb der Anstalt heranführen, sie dafür fit machen und ihnen erste Ankerpunke für ein straffreies Leben nach ihrer Entlassung geben.

Sie sind also gedacht als Schritte auf dem kontrollierten Weg zur Resozialisierung und damit als Mittel zur Erreichung des Vollzugsziels (§ 2 StVollzG). Sie gelten auch als "Behandlungsmaßnahmen" bzw. als Mittel zu deren Umsetzung.

So können Gefangene nach § 11 des Strafvollzugsgesetzes

  • außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung nachgehen - und zwar entweder unter Aufsicht (=Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (=Freigang) oder sie können
  • für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt verlassen - und zwar entweder unter Aufsicht (=Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (=Ausgang).

In der Praxis umfasst der Begriff der Vollzugslockerung außerdem den sog. Urlaub aus der Haft (=Verbringen von einer oder mehreren Nächten außerhalb der Anstalt), obwohl der Urlaub gesetzlich außerhalb der Lockerungen (nämlich in §§ 13 und 15 Strafvollzugsgesetz) geregelt ist.

Von (anderen) Lockerungen unterscheidet sich der Urlaub dadurch, dass Zweck und Art und Weise der Ausgestaltung dem Gefangenen überlassen bleiben. Bei (anderen) Lockerungen hingegen sind Zweck und Ausgestaltung festgelegt: entweder durch die Vollzugsplanung (§ 7 StVollzG) oder durch eine aus besonderem Anlass getroffene Einzelentscheidung.

Kehrt der Gefangene von einer Lockerung nicht oder verspätet zurück, wird er dafür disziplinarisch belangt. Das Nichtrückkehren aus einer Lockerung ist keine Straftat, der Vollzug der Strafe ist in diesen Fällen unterbrochen und wird gegebenenfalls nach einer erneuten Inhaftierung fortgesetzt. Von Gefangenen während Lockerungen begangene Straftaten sind selten. Bekannt werdende schwerwiegende Fälle, insbesondere nach Entweichung, finden jedoch in der Öffentlichkeit große Beachtung und sind häufig Anlass für Kritik an der Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen.


Ziel der Lockerungen

Lockerungen sollen der Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen dienen, dem Erledigen persönlicher Angelegenheiten sowie der Entlassungsvorbereitung. Zumindest anfänglich ist üblicherweise eine Bezugsperson (beispielsweise Angehöriger) notwendig, die die Abholung und die rechtzeitige Rückkehr des Ausgängers gewährleistet. Beanstandungsfrei verlaufene Ausgänge sind die Voraussetzung für die Erteilung von Urlaub aus der Haft.

Der Urlaub, allgemein als Hafturlaub bekannt, kann bis zu 21 Tagen im Jahr gewährt werden. Zusätzlich kann der Gefangene innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche erhalten.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dem Gefangenen aus wichtigem Anlass (beispielsweise schwerwiegende Erkrankung oder Tod eines Angehörigen) Ausgang zu gewähren oder ihn bis zu sieben Tage zu beurlauben. Urlaub aus wichtigem Anlass wird nicht auf den regelmäßigen Urlaub angerechnet.

Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde. Vollzugslockerungen erhalten nur dafür besonders geeignete Gefangene, bei denen ein Missbrauch nicht zu befürchten ist. Die Entscheidung darüber liegt bei der Anstaltsleitung. Ausschlaggebend sind das in der Haft gezeigte Verhalten, die Persönlichkeit des Gefangenen, die der Verurteilung zugrunde liegenden Delikte und gegebenenfalls die Aufarbeitung der zugrunde liegenden Defizite.

Eignungsprüfung

Lockerungen können nur geeigneten Gefangenen gewährt werden. Als geeignet gilt ein/e Gefangene/r nur, wenn

  • mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, der/die Gefangene werde die Lockerungen dazu nutzen, nicht in den Vollzug zurückzukehren und/oder der/die Gefangene werde die Lockerungen zur Begehung weiterer Straftaten missbrauchen (= Flucht- und Missbrauchsklausel).

Deshalb werden in der Regel Gefangene von Lockerungen ausgeschlossen, die

  • als sucht- und/oder fluchtgefährdet gelten
  • in der Vergangenheit eine Lockerung des Vollzuges missbraucht haben oder
  • bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt noch mehr als achtzehn Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen haben
  • gegen die Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebehaft angeordnet ist.

Je nach Bundesland können abweichende Kriterien und Maßstäbe für die Gewährung oder Ablehnung von Lockerungen ausschlaggebend sein.

Dem Gefangenen können für Lockerungen Weisungen erteilt werden: Für den Aufenthaltsort bzw. die Meidung bestimmter Lokale oder Bezirke, für zu erledigende Angelegenheiten, für den Kontakt mit bestimmten Personen, für die Verwendung von Gegenständen (beispielsweise Führen eines Kraftfahrzeugs) sowie für die Meidung von Suchtmitteln.

Entwicklung der Lockerungspolitik in Deutschland

Literatur

  • Fritsche, Mareike (2005) Vollzugslockerungen und bedingte Entlassung im deutschen und französischen Recht. Godesberg: Forum.
  • Haase, Philine (2008) Vollzugslockerungen. In: Strafvollzug von A-Z. Beilage zum Forum Strafvollzug, Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe, 57. Jg., 2008.

Links