Volksmojahedin Iran

Die „Volksmojahedin Iran“ (übersetzt in Farsi „Mojahedin-e khalq“ oder auch „MEK“) galten als die militanteste und größte Oppositionsbewegung gegen das schiitisch-islamische Mullah-Regime im Iran. Mitglieder und Sympathisanten dieser schiitischen Gruppierung haben sich seit den 1980-er Jahren in Europa und Nordamerika als „Nationaler Widerstandsrat Iran“ (NWRI) etabliert. Der militärische Arm, die „Nationale Befreiungsarmee“ (NLA= National Liberation Army), führte bis 2003 parallel einen langen und blutigen Guerillakrieg gegen das Mullah-Regime. Das Wort Mojahedin tritt in unterschiedlichen Schreibweisen auf und bedeutet Glaubenskämpfer.


Gründung und Ideologie

Im Nachgang der „Weißen Revolution“ des Schahs Mohammad Reza Pahlavi und der endgültigen Zerschlagung der politischen Opposition am 05. Juni 1963 entstanden im Iran zwei Guerillagruppen. Zum einen die Fedayin-e khalq, hervorgegangen aus der kommunistischen Tudeh-Partei, sowie die Volksmojahedin. Die Volksmojahedin werden als radikaler Abkömmling der Iranischen Freiheitsbewegung Nehzat-e Azadi-e Iran (NAI) bezeichnet. Als geistige Väter der NAI, die sich 1961 gründete, gelten Mehdi Bazargan und Ayatollah Mahmoud Taleqani. Taleqani verband den Islam mit einer sozialistischen Haltung. Die Ideologie, die von den Mojahedin aus verschiedenen Einflüssen extrahiert wurde, besagt, der Islam „richte sich nicht nur gegen die ungerechte Herrschaft, sondern ebenso gegen Kapitalismus, Imperialismus und konservativen Klerikalismus“ (Amirpur 2002:5). Sie verbindet den Islam mit den Lehren von Marx, Ho Chi Minh und Che Guevara. Die Anhänger vertreten die Überzeugung, dass der schiitische Islam (die Schia ist im Iran Staatsreligion) grundsätzlich revolutionär sei und betrachten ihren Kampf als Protestbewegung gegen staatliche Repression und Klassenausbeutung. Die MEK entwickelten in der Folge eine antiwestliche und antiamerikanische Haltung und zeichnen sich durch ein Bekenntnis zur Gewalt aus (vgl. BfV 2000:4). Zur wirklichen Gründung der „Organisation der Volksmojahedin Irans“ (sazman-e mojahedin-e khalq-e iran, MEK) kam es im Jahr 1965. Die sechs Gründungsmitglieder entstammten der iranischen Mittelschicht und waren Anhänger der ehemaligen Freiheitsbewegung NAI gegen die Weiße Revolution, ein Reformprogramm des Schahs (vgl. Amirpur 2002:6). Dieses war am 26. Januar 1963 durch ein Referendum verabschiedet worden und sollte den Iran modernisieren und sozialer gestalten.


Kämpfe gegen die herrschenden Regime

Im Jahr 1971, anlässlich der Feier zum 2.500-jährigen Bestehen der persischen Monarchie, sollte durch die Organisation ein erster Anschlag durchgeführt werden. Der Anschlag, bei dem das Hauptelektrizitätswerk Teherans gesprengt werden sollte, wurde jedoch vereitelt. Im Nachgang wurden durch den SAVAK, den Geheimdienst des Schahs, viele Mitglieder verhaftet (vgl. BfV 2000:4). Trotz dieser Festnahmen gelang es nicht, die MEK zu schwächen. Es kam zu mehreren Sprengstoffanschlägen auf iranische sowie US-amerikanische Einrichtungen. Darüber hinaus wurden in der Zeit von 1973 bis 1976 Mordanschläge auf amerikanische Staatsangehörige verübt, zu denen sich die MEK bekannten. Die sich steigernden Auseinandersetzungen zwischen dem Regime und den Schah-feindlichen Gruppen gipfelten gegen Ende des Jahres 1977 in teilweise bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen. Der Schah stand aufgrund seines Herrschaftsstils unter internationalem Druck und sah sich gezwungen, politische Häftlinge freizulassen, unter denen sich auch zahlreiche Mitglieder der Volksmojahedin befanden. Die herrschenden Zustände im Iran machten die Rückkehr des im französischen Exil lebenden Ayatollah Khomeini möglich, der ab Herbst 1978 von dort aus die sogenannten „Islamische Revolution“ einleitete. Der Schah floh schließlich am 18.01.1979 ins Exil und Khomeini kehrte am 01.02.1979 nach Teheran zurück (vgl. BfV 2000:5).

Khomeini entließ zahlreiche politische Gegner des Schahs aus der Haft, um sich ihre Unterstützung und ihren Zuspruch zu sichern. Für den Sturz der Monarchie nutzte er die dem Schah gegenüber feindlich gesinnten Gruppierungen und deren Potential, die Bevölkerung zu mobilisieren (vgl. BfV 2000:6). Die Volksmojahedin versuchten ihrerseits, durch Khomeinis wachsende Popularität an die Zentren der Macht zu gelangen. Sehr bald traten erste Differenzen zwischen der Organisation und Khomeini auf. Die MEK wollten gemäß ihrer Ideologie die Einführung einer Volksarmee durchsetzen, in der sie selbst über den größten Einfluss verfügt hätten, doch Khomeini lehnte dies kategorisch ab. Zudem akzeptierten die MEK die Festschreibung der Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten (velayet-e faqih) nicht. Khomeini rief daraufhin im März 1980 zum Kampf gegen all diejenigen auf, die den Islam mit anderen Ideologien vermischten. Vor allen anderen waren damit die Volksmojahedin gemeint (vgl. Amirpur 2002:6). Nachdem feststand, dass die MEK trotz der geleisteten Unterstützung beim Sturz des Schahs auch unter Khomeini keine Beteiligung an der neuen politischen Struktur erlangen konnten, kam es zu innenpolitischen Spannungen. Die Volksmojahedin gingen dazu über, eine Massenbewegung aufzubauen, die sich vor allem gegen die IRP, die Islamisch Republikanische Partei, richtete. Die IRP stand dem Klerus um Khomeini nah. Die Mojahedin enthielten sich zudem der Teilnahme an einem Referendum, zu dem Khomeini jeden „guten Moslem“ aufgerufen hatte. Mit diesem Referendum sollte über die Verfassung abgestimmt werden. Der Boykott dieser Abstimmung führte zum offenen Bruch mit Khomeini. Abdolhassan Bani-Sadr gewann die Wahl und wurde erster Staatspräsident der Islamischen Republik Iran. Bei den anschließenden Parlamentswahlen versuchten die MEK erneut teilzunehmen. Khomeini nahm das zum Anlass der Gruppe vorzuwerfen, sie vermische den Islam mit dem Marxismus. Bereits während der Parlamentswahlen begannen erste Angriffe auf die MEK. Es gab Angriffe auf Büros, Druckereien und Wahlveranstaltungen, die zu drei Toten und mehr als 1000 Verletzten führten (vgl. Abrahamian 1989:199). Die Mojahedin gewannen bei den Wahlen keinen Sitz, stellten aber fest, dass sie genug Unterstützung genossen, um als größtes Gegengewicht zum Klerus zu gelten. Und es war deutlich geworden, dass sie als anerkannte Opposition in der Islamischen Republik nicht geduldet würden. Der Konflikt zwischen den MEK und der Islamischen Republik eskalierte im Nachgang der Parlamentswahl weiter. Bis zum Jahr 1981 waren die Büros der Gruppe geschlossen, ihre Presseorgane und Demonstrationen verboten worden. Die Volksmojahedin wurden in den Untergrund gedrängt. Präsident Bani-Sadr schloss sich der Gruppe an und rief mit ihr zusammen die Massen zum 20. Juni 1981 auf „...to repeat their 'heroic revolution of 1978-9' pour into the streets, and overthrow the 'dictatorship of the mullahs' ...“ (Abrahamian 1989:207). So kam es am 20. Juni 1981 zu landesweiten Demonstrationen. In Teheran versammelten sich bei einer Großdemonstration 500.000 Khomeini-Gegner. Die Teilnehmer der Kundgebung waren von Klerikern zuvor als „enemies of God“ bezeichnet worden, „...and as such would be executed on the spot.“ (Abrahamian 1989:219). Khomeinis Revolutionsgarden, die Pasdaran, erhielten den Auftrag, auf die Demonstranten zu schießen. Allein auf dem Gelände der Universität Teheran gab es 50 Tote, 200 Verletzte und 1000 Festgenommene. Am 28. Juni 1981 kam es zu einem Bombenattentat auf die Zentrale der IRP mit 73 Toten. Nur zwei Tage nach dem Anschlag machte Khomeini die MEK für den Anschlag verantwortlich, obwohl sie sich nicht dazu bekannten. Das Attentat wurde als weitere Rechtfertigung dafür genutzt, den MEK den Krieg zu erklären. Die Zahl der bekanntgegebenen Hinrichtungen stieg extrem, von 600 im September und 1700 im Oktober auf 2500 im Dezember 1981 (vgl. Abrahamian 1989:220). Die MEK wiederum antworteten mit täglichen Anschlägen auf Angehörige des Staates und iranische Einrichtungen. Weiterhin begingen sie Selbstmordattentate auf Kleriker. Als Reaktion darauf wurde die Gruppierung verboten und weiter rücksichtslos verfolgt (vgl. BfV 2000:6).

Der spätere Anführer der MEK, Massoud Rajavi, flüchtete am 28. Juli 1981 zusammen mit dem abgesetzten Präsidenten Bani-Sadr, seinem damaligen Schwiegervater, nach Frankreich. Kurz zuvor, am 21. Juli 1981, gründeten beide den „Nationalen Widerstandsrat Iran“ (NWRI). Erklärtes Ziel des NWRI war der Sturz Khomeinis (vgl. Amirpur 2002:7, Cohen 2009:103). Obwohl die beiden Führungsfiguren das Land verlassen hatten, setzten die MEK ihren Kampf gegen das Mullah-Regime fort.


Aktuelle Führungspersonen

Massoud Rajavi

Massoud Rajavi wurde 1948 in Tabas in der Provinz Khorasan geboren, als jüngster von fünf Brüdern. Als Heranwachsender kam er mit dem Gedankengut des Ayatollah Taleqani in Kontakt, der gegen die Pahlavi-Monarchie agierte. Von der Existenz der Volksmojahedin erfuhr er während des Studiums an der Universität Teheran. Er trat der Organisation 1966 oder 1967 bei, worüber in den Quellen Uneinigkeit herrscht. 1969 wurde er Mitglied des Zentralkomitees. Er gehörte zu den zahlreichen Mitgliedern der Gruppierung, die 1971 vom SAVAK festgenommen wurden. Er wurde ins Gefängnis gesperrt und zum Tode verurteilt. Sein ältester Bruder Kazem machte den Fall international bekannt. Dies führte zu einem verstärkten Druck auf den Schah, der die Todesstrafe schließlich in eine lebenslange Haftstrafe abänderte. Massouds einzige Schwester wurde 1988 im Iran exekutiert, im April 1990 wurde sein Bruder Kazem in der Schweiz ermordet. Es wird angenommen, dass hinter dem Attentat der iranische Geheimdienst stand (vgl. Cohen 2009:13). Im Zuge der Machtübernahme durch Khomeini wurde Rajavi im Januar 1979 begnadigt. Er versuchte nach seiner Haftzeit erneut, sich aktiv in der Politik zu engagieren und sich für das iranische Präsidentenamt sowie das Parlament Majlis aufstellen zu lassen. Ayatollah Khomeini erließ daraufhin eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, nach dem Rajavi sich nicht für die Wahlen aufstellen lassen durfte (vgl. Cohen 2009:15).

1981 floh er ins französische Exil. Im Oktober 1982 heiratete er die Tochter von Bani-Sadr. Nur acht Monate zuvor war seine erste Frau, Ashraf Rabii, bei einer Schießerei in Teheran von Pasdaran erschossen worden. Die Ehe mit Bani-Sadrs Tochter wurde im Jahr 1984 geschieden, nachdem u.a. Bani-Sadr den NWRI verlassen hatte (vgl. Abrahamian 1989:247). 1985 heiratete Rajavi Maryam Azadanluo. Vermutlich aufgrund der sich verbessernden politischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Iran musste er das französische Exil 1986 wieder verlassen. Rajavi und ein Großteil seiner Führungskader und Mitglieder begaben sich in den Irak. Zu dieser Zeit befand sich der Irak bereits seit sechs Jahren im Krieg mit dem Iran (1980-1988). Durch die Unterstützung von Saddam Hussein konnte Rajavi am 20. Juni 1987 die Rebellengruppe „Nationale Befreiungsarmee“ (NLA) gründen. Diese Armee von damals 5.000 Kämpfern wurde durch den Irak bewaffnet und ausgebildet. Sie kämpften bis zum Ende des Krieges 1988 an der Seite des Irak gegen die iranische Armee. Diese als Verrat empfundene Kollaboration mit dem irakischen Feind hat dazu geführt, dass die iranische Bevölkerung den MEK seitdem mehrheitlich ablehnend gegenübersteht (vgl. BfV 2000:7). Seit 1989 hat Rajavi die alleinige Verantwortung für die Organisation. Alle anderen Anführer waren zu dieser Zeit ermordet, exekutiert oder deportiert worden. Bis zum Irakkrieg 2003 hielt sich Rajavi in Lagern der NLA im Irak auf, seitdem ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Am 20. Juni 2009 nahm er in Form einer Audio-Botschaft Stellung zu den gewalttätigen Ausschreitungen im Iran, die auf die umstrittene Wiederwahl Ahmadinejads folgten (vgl. LfV 2010:98). Mit Stand 2014 ist über seinen aktuellen Aufenthaltsort, mit Ausnahme unterschiedlicher Gerüchte, nichts bekannt.


Maryam Rajavi, geb. Azadanluo

Maryam Azadanluo wurde 1953 in Teheran geboren. Während ihres Studiums an der Technischen Universität Teheran schloss sie sich 1973 der Organisation an. Sie beteiligte sich an der Planung und Errichtung einer nationalen demokratischen Regierung, während der Schah noch an der Macht war. Der SAVAK exekutierte eine ihrer Schwestern, Khomeinis Pasdaran ermordeten eine weitere schwangere Schwester zusammen mit ihrer Schwägerin. Auch Maryam A. war bei den Wahlen 1980 Kandidatin für die Majlis, doch auch sie konnte aufgrund der Fatwa Khomeinis nicht gewählt werden. Nachdem die Islamische Republik durch Khomeini etabliert worden war, organisierte Maryam A. zwei größere Kundgebungen, um die Volksmojahedin zu unterstützen. Die Pasdaran machten sie ausfindig, doch sie konnte entkommen. 1982 floh sie aus dem Iran und schloss sich im Pariser Exil dem Hauptquartier der MEK an. 1985 wurde sie in die Führungsgruppe gewählt. Im selben Jahr heiratete sie Massoud Rajavi. Sie wurde zur stellvertretenden Befehlshaberin der NLA im Irak ernannt. Diese Position bekleidete sie von 1987 – 1989. Zusätzlich wurde sie im Jahr 1989 zur Generalsekretärin gewählt. Im August 1993 wurde sie durch den NWRI zur zukünftigen Präsidentin des Iran gewählt, so denn die Ablösung der Islamischen Republik erfolgen würde. Der Gedanke der Organisation war, Maryam Rajavi als Präsidentin für die ersten sechs Monate einzusetzen, bis demokratische Wahlen abgehalten werden könnten. Nach der Wahl zur zukünftigen Präsidentin gab sie alle anderen Ämter auf.

Unter der Herrschaft von Maryam Rajavi erlangten viele Frauen Führungspositionen. Die Hälfte der Sitze des NWRI und auch der NLA waren zu dieser Zeit mit Frauen besetzt. Alle höheren Positionen der Führungsgruppe wurden an Frauen übergeben. Dieser Vorgang wurde als die praktische Übertragung der Ideologie der Volksmojahedin in Bezug auf die Rolle der Frau angesehen (vgl. Cohen 2009:16). Die Organisation wurde und wird durch das Ehepaar Rajavi autoritär geführt. Von den Anhängern wird unbedingter Gehorsam verlangt. Der Verfassungsschutzbericht spricht von einem „System aus sektenartigem Führungsstil, Gruppenzwang, stalinistischem Führungskult um Massoud und Maryam Radjavi...“ (BfV 2000:11).


Entwicklung der Organisation im Exil und aktuelle Situation

NLA im Irak

Die Organisation wurde von Massoud Rajavi 1987 im Irak gegründet und stand unter dem Schutz der irakischen Regierung. Der Irak war das einzige Land, das sich je offen zur Unterstützung der Volksmojahedin bekannt hat (vgl. BfV 2000:12). 1988 entschloss sich der Iran zu einem Waffenstillstand mit dem Irak. Diese Situation nutzte der militärische Arm der Organisation, die NLA, um in den Iran einzufallen. Sie wurden zurückgeschlagen, und im Nachgang ließ Khomeini einmal mehr Tausende Anhänger hinrichten (vgl. Amirpur 2002:7). Im Rückblick lässt sich feststellen, dass die NLA besonders dann Anschläge auf iranischem Boden beging, wenn es im Iran reformorientierte Präsidenten gab, so z.B. unter Khatami Ende der 1990er-Jahre (Amtszeiten von 1997 bis 2005). Der liberalere Kurs eines iranischen Präsidenten barg für die MEK generell eine Legitimationskrise. In solchen Zeiten wurde daher versucht, einer politischen Annäherung des Westens an den Iran entgegenzuwirken. Hauptziele der NLA waren dabei stets Polizeistationen, Geheimdienstzentralen, Kasernen der Armee und der Pasdaran. Insgesamt kam der Verfassungsschutz zu dem Schluss „diese Anschläge sind zwar schmerzhafte Nadelstiche, aber keine Gefahr für den Bestand des iranischen Herrschaftssystems“ (BfV 2000:26). Die NLA verübte bis zum Jahr 2002 zahlreiche terroristische Anschläge auf iranischem Staatsgebiet. Aufgrund dieser Terrorakte wurden und werden die Anhänger der MEK weltweit durch den iranischen Nachrichtendienst verfolgt.

Nach dem Irakkrieg (auch 3. Golfkrieg) und dem Sturz Saddam Husseins im Mai 2003 erfolgte keine Unterstützung mehr durch den Irak. Die NLA wurde durch diesen Krieg an den Rand ihrer Existenz gedrängt. Die alliierten Koalitionskräfte entwaffneten die Kämpfer und setzten hochrangige Kader fest, darunter auch Massoud Rajavi (vgl. LfV 2004:80). Etwa 3.900 festgesetzten Kämpfern der NLA im Camp Ashraf (benannt nach der ersten Frau Rajavis), nahe Bagdad, drohte aufgrund eines Beschlusses des „Provisorischen Irakischen Regierungsrates“ nach Kriegsende zunächst die Ausweisung aus dem Irak. 2004 sicherten die USA ihnen den Status von „geschützten Personen“ nach den Bestimmungen der 4. Genfer Konvention zu. Damit war eine Abschiebung in den Iran unmöglich (vgl. LfV 2005:81). Die Verantwortung für das Camp Ashraf wurde am 01. Januar 2009 von der US-Regierung formell an die irakischen Behörden übergeben (vgl. LfV 2010:98). Seit dieser Übergabe kam es zu mehreren bewaffneten Angriffen durch irakische Truppen auf das Lager. Die bislang letzten Angriffe ereigneten sich laut Pressemeldungen im September 2013. Dabei kamen angeblich über 50 Bewohner ums Leben. Seit 2012 werden die Bewohner durch die irakischen Behörden in das Camp Liberty umgesiedelt.


NWRI in Europa

Im Dezember 1981 schlossen sich dem NWRI in Frankreich die Kurdische Nationale Partei (KNP) sowie die Nationale Demokratische Front (NDF) an. Zur damaligen Zeit war der NWRI eine Dachorganisation mehrerer linker Oppositionsgruppierungen. Aufgrund interner Durchsetzungsbestrebungen von Rajavi und den Mojahedin kam es jedoch zu zahlreichen Austritten. Bani-Sadr und die Kurdische Demokratische Partei (KDP) verließen die Organisation bereits 1984, so dass diese seitdem als Sprachrohr der Volksmojahedin bezeichnet wird (vgl. BfV 2000:7, Amirpur 2002:7). Die europäische Zentrale des NWRI liegt seit Beginn in Paris. Auch wenn sich die Organisation durch einen politischen Arm innerhalb Europas einen friedlichen Anstrich geben wollte, schloss das militante Aktionsformen anfangs nicht aus. So kam es im April 1992 im Nachgang von Guerillaangriffen der NLA auf iranische Ziele und die militärischen Gegenschläge der iranischen Streitkräfte zu Angriffen auf diplomatische Vertretungen des Iran (vgl. Amirpur 2002:12). Im Rahmen einer zeitgleich koordinierten Aktion von Anhängern der MEK in mehreren europäischen Ländern, u.a. auch in Deutschland, wurden die Botschaft in Bonn und die Generalkonsulate in München und Hamburg gestürmt und verwüstet. Dieses gewalttätige Vorgehen gegen iranische Einrichtungen auf europäischem Boden wurde seitens der einzelnen Staaten verurteilt, was zu einem weitgehenden Gewaltverzicht der MEK in Europa führte, der nach wie vor Bestand hat (vgl. BfV 2000:15).

Der NWRI als politischer Arm der MEK tritt in Europa einerseits durch ausgeprägte Propagandaaktivitäten gegen den Iran, andererseits durch Spendengeldsammlungen auf. Da die Organisation sich überwiegend durch Spenden finanziert, spielen die Geldbeschaffungsaktionen eine entscheidende Rolle (vgl. Amirpur 2002:11). Im Namen von unterschiedlichen Tarnvereinen, die keinen Rückschluss darauf zulassen, für welche Zwecke tatsächlich gesammelt wird, sammeln die Mitglieder des NWRI Geldspenden in europäischen Staaten. Bis 1994 waren die etwa 1.500 Anhänger der MEK in Deutschland zum großen Teil in der „Iranischen moslemischen Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) organisiert. Als weitere Tarnorganisationen galten der „Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e.V.“ sowie der Verein „Flüchtlingshilfe Iran e.V.“. Seit 1994 treten die Volksmojahedin auch als NWRI in Deutschland auf. Die Zentrale für Deutschland sowie das Büro für internationale Beziehungen liegen in Köln. Dort arbeiten 30-40 hauptamtlich Beschäftigte unter Anleitung weiblicher Kader, die wiederum einer Berichtspflicht der Führung in Bagdad unterliegen (vgl. BfV 2000:17). Köln gilt als eine der wichtigsten europäischen Vertretungen der Organisation.

Die Propagandaaktivitäten betreibt der NWRI vor allem gegen hochrangige Vertreter der Islamischen Republik Iran. Beim Besuch des iranischen Präsidenten Khatami in Berlin am 10. Juli 2000 beteiligten sich etwa 7.000 Anhänger an einer Großdemonstration (vgl. Amirpur 2002:11). Die weitreichenden Ereignisse im Verlauf des Irakkrieges 2003 führten auch in Deutschland zu bundesweiten Protesten. Ende April 2003 kamen in Köln etwa 1.200 Sympathisanten zusammen, um gegen die Angriffe auf die NLA zu demonstrieren (vgl. LfV 2004:80).

In Hamburg gründeten Anhänger der MEK im Februar 2006 den Tarnverein „Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V.“, um damit den Vorgaben nachzukommen, sich eine legitimierte und regionale Basis zu schaffen (vgl. LfV 2007:107). Durch Informationsstände und Protestkundgebungen gegen Menschenrechtsverletzungen machen sie regelmäßig auf ihre Thematik aufmerksam. Mit dem Abhalten friedlicher Kundgebungen will sich der NWRI als eine demokratische Oppositionsbewegung verstanden wissen. Die Mojahedin sind darum bemüht, sich als die einzige demokratische Alternative zum Mullah-Regime darzustellen. Sie versuchen immer wieder, Kontakte zu Parlamentariern zu knüpfen, um ihnen die Ziele der Organisation zu vermitteln und Unterstützung einzufordern. Auf diese Weise gelang es den Mojahedin, Parlamentsdebatten zum Thema Iran zu beeinflussen. Der NWRI wurde durch das Europäische Parlament lange Zeit als die iranische Opposition schlechthin angesehen (vgl. Amirpur 2002:13). Mit Stand 2011 werden dem NWRI ca. 900 Mitglieder in Deutschland zugerechnet (LfV 2010:99).


Listung als Terrororganisation

1997 setzten die USA die MEK auf die Liste der terroristischen Vereinigungen. 1999 wurde diese Einstufung durch die USA bekräftigt und zusätzlich der NWRI als Frontorganisation gelistet (vgl. BfV 2000:26). In Großbritannien wurden die MEK von 2001 bis 2008 als terroristische Organisation gelistet.

Auf Initiative der britischen Regierung wurden die MEK und die NLA im Mai 2002 erstmals durch die Europäische Union auf die Terrorliste gesetzt. Dies bedeutete zugleich das Einfrieren sämtlicher Gelder, die der Organisation zugeschrieben wurden (vgl. LfV 2009:101). Der Europäische Gerichtshof entschied am 12. Dezember 2006 in erster Instanz, dass die Listung als terroristische Organisation sowie das Einfrieren ihrer Gelder im Rahmen der Terrorismusfinanzierung aufgrund von Formfehlern nicht rechtens war (vgl. LfV 2007:107). Im Juni 2007 wurden beide Organisationseinheiten nach Behebung des Formfehlers zunächst erneut gelistet. Auf einer am 27. Januar 2009 verabschiedeten Liste des EU-Rats waren die MEK und auch die NLA nicht mehr verzeichnet (vgl. LfV 2009:101). Der NWRI als politischer Arm der MEK war von einer Listung stets ausdrücklich ausgenommen, mit Ausnahme in den USA bis 2012.


Literatur

Abrahamian, Ervand (1989) The Iranian Mojahedin, ISBN 0-300-04423-2;

Amirpur, Katajun (2002) Exilopposition als politischer Akteur (II): Iran: „Das Beispiel der Volksmodjahedin“, ISSN 1619-2737;

Bundesamt für Verfassungsschutz (2000) Iranischer Extremismus: „Volksmodjahedin Iran“ und ihre Frontorganisation „Nationaler Widerstandsrat Iran“;

Cohen, Ronen A. (2009) The rise and fall of the Mojahedin Khalq 1987 – 1997 “Their survival after the Islamic Revolution and resistance to the Islamic Republic of Iran”, ISBN 978-1-84519-270-9;

Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (2004-2011) gedruckte Verfassungsschutzberichte der Jahre 2003 – 2010;