Verkauf von Cannabissamen

Der Verkauf von Cannabissamen (= Hanfsamen) ist grundsätzlich legal. In manchen Staaten - darunter Deutschland - ist der Verkauf aber dann verboten, wenn die Samen zum unerlaubten Anbau bestimmt sind. Werden zum unerlaubten Anbau bestimmte Samen z.B. in sog. Head-Shops verkauft, drohen den Verkäufern Freiheitsstrafen wegen gewerbsmäßigen Betäubungsmittelhandels.

Geschichte und Zweck der Regelung

Nachdem Hanfsamen vom sachlichen Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes zunächst (1929-1997) ausdrücklich ausgenommen waren, wurde diese Ausnahme vom Totalverbot 1998 mit der 10. Änderungsverordnung eingeschränkt. Vom Verbot ausgenommen ist der Samen der Hanfpflanze jetzt nur noch "sofern er nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt ist" (Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe c). Damit

"soll dem verbreiteten Vertrieb von Cannabissamen für den individuellen Anbau von Hanf zu Rauschzwecken entgegengewirkt werden. Von einem derartigen Vertrieb ist insbesondere dann auszugehen, wenn spezielle Samen in zählbarer Körnermenge (z. B. 10 Samenkörner für bis zu 150,- DM) häufig in Verbindung mit Beleuchtungssystemen für den Anbau in Wohnräumen und Kellern und/oder mit Angaben des Tetrahydrocannabinol (THC) -Gehaltes der angebauten Pflanze, angeboten und damit zu einem nicht erlaubten Hanfanbau verleitet wird."

Schon im Vorfeld sollen Gefährdungen durch den Konsum von THC vermieden werden. Die Regelung folgt demselben Grundgedanken wie die Ausdehnung der Drogenbekämpfung auf die sogenannten Vorläuferstoffe und Hilfschemikalien, bzw. auf die Grundstoffe von halb- und vollsynthetisch herstellbaren Drogen (vgl. Grundstoffüberwachungsgesetz von 1994, bzw. Neufassung von 2008).

Ein Änderungsantrag des Landes Schleswig-Holstein auf der Bundesratssitzung am 19. Dezember 1997 fand keine Mehrheit. Dort hieß es bezüglich des illegalen Selbstanbaus von Drogenhanf:

"Rechtlich ist dieser Zustand unbefriedigend, aber aus gesundheitspolitischer Sicht immer noch dem Erwerb auf dem Schwarzmarkt vorzuziehen. Die Konsumenten setzen sich beim Eigenanbau so z. B. nicht dem Risiko aus, sich durch Pflanzenschutzmittel, mit denen importiertes Cannabis häufig verunreinigt ist, zu gefährden. Daneben vermeiden sie ganz gezielt den Kontakt zu den Dealern anderer Drogen, den schon das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 09.03.1994 als die eigentliche Gefahr von Cannabis benannt hatte."

In einer Pressemitteilung kritisierte Gesundheits- und Sozialministerin Heide Moser die Neuregelung von 1998 mit den Worten:

"Anstatt sich vermehrt um harte Drogen und den Dealerbereich kümmern zu können, sollen Polizei und Staatsanwaltschaft als 'Saatgut- und Körnersachverständige' tätig werden und im Vogelfutter nach Cannabissaat suchen."

(Quellen: Bundestagsdrucksache 881/97; Antrag des Landes Schleswig-Holstein, Drucksache 881/2/97; Pressemitteilung von Sozialministerin Heide Moser vom 19. Dezember 1997)

Fälle

  • Stuttgart 1998.

Die bis 31.01.1998 vertriebenen Saatenpackungen enthielten bis zu 15 Samen und wurden unter Hinweis auf die Genehmigungspflichtigkeit des Anbaus und nur an Personen ueber 18 Jahren zu einem Preis von 18 bis 247 DM verkauft. - siehe Anlage Saatenkatalog SENSI SEED BANK - Da auf mein Schreiben vom 29.12.1997 an den Polizeipraesidenten der LPD II Stuttgart wegen der bevorstehenden Gesetztesverschaerfung keine Antwort bis 31.01.1998 eintraf beschloss ich die sich noch in meinem Besitz befundenen Marihuanasaaten am selbigen Tag der Landespolizeidirektion Stuttgart zu uebergeben. - siehe Anlage Schreiben an LPD II Stuttgart 29.12.1997 & Antwortschreiben Staatsanwaltschaft Stuttgart 02.02.1998 - Am 08. und 09.04.1998 durchsuchte die Polizei ohne richterlichen Beschluss meine Wohnraeume in der Gutbrodstr. 41, Stuttgart sowie die Raeumlichkeiten meiner Firmen Hanfhandel & Samenbank GmbH, Ludwigstr. 110 A und Rotebuehlstr. 90, Stuttgart FORER GmbH, Senefelderstr. 67 a und Sophienstr. 15, Stuttgart wobei in meinen Wohnraeumen unter anderem 220 Packungen "Cannabird" - Vogelfutterpackungen mit je 10 g Hanfsamen (ca. 600 Stueck) beschlagnahmt wurden. Verpackung, Aufschrift und Inhalt entsprachen den derzeit gueltigen Vorschriften fuer Vogelfutterzusatznahrung. In meinen Geschaeftsraeumen wurden 10 Saecke zu je ca. 30 kg Hanfsamen insgesamt 320 kg, die offentsichtlich nicht den gaengigen Marihuanasaaten - Verkaufspackungen entsprachen, beschlagnahmt. Das Amtsgericht Stuttgart entsprach dem Antrag auf Haftbefehl des Staatsanwaltes Herrn Tormaehlen am 09.04.1998, indem er die enorme Menge von 320 kg Hanfsamen als zum unerlaubten Anbau bestimmt und zum gewinnbringenden Verkauf, obwohl hierfuer kein Kriterium der Begruendung der 10. BTMAendv vom 20.01.1998 zutraf, auffuehrte. - vgl B 27 Gs 12384/98 - Mit Schreiben vom 24.06.1998 teilt mir die Landespolizeidirektion Stuttgart mit, dass sie nun die ihr am 31.01.1998 uebergebenen Marihuanasaaten auch ohne meine Einwilligung vernichtet. Ich wurde enteignet. - Siehe Anlage Schreiben LPD II Stuttgart vom 24.06.1998 - Meine Beschwerde vom 18. Mai 1998 gegen den Haftbefehl des Amtsgerichtes Stuttgart vom 09.04.1998 wurde vom Landgericht Stuttgart am 08. Juli 1998 als unbegruendet verworfen. Als Grund fuehrt das Gericht unter anderem aus "Der Umstand, dass bislang weder der THC-Gehalt noch die Keimfaehigkeit der Samen festgestellt wurde, vermag am Tatvorwurf nichts zu aendern, da nach der Aenderung der Betaeubungsmittelrechtverordnung vom 20 Januar 1998 jeglicher Handel mit Cannabis, der nicht unter die Ausnahmeregelungen der Anlage I Buchstaben b bis d faellt, die unzweifelhaft nicht vorliegen, unter Strafe gestellt ist." - vgl LG Stuttgart 10 Qs 80/98 UAS 4 -

Am 11.09.1998 erhob die Staatsanwaltschaft unter dem Az 17 Kls 222 Js 31697/98 Anklage gegen mich. Zur Sache fuehrt die Staatsanwaltschaft aus "Im Hinblick auf die Einstufung von Cannabissamen in die Anlage I zum Betaeubungsmittelgesetz mit Wirkung vom 01.02.1998 nahmen Polizeibeamte der Landespolizeidirektion Stuttgart II Kontakt mit Stuttgarter Hanflaeden u. a. auch mit dem Angeschuldigten, als Geschaeftsfuehrer der BLACKMAN Hanfhandel & Samenbank GmbH auf, um ueber die geaenderte Rechtslage zu informieren. Daraufhin uebergab der Angeschuldigte am 31.01.1998 Marihuanasaaten im Einkaufswert von angeblich 66640 DM im Polizeirevier Gutenbergstrasse in Stuttgart ab." - vgl Anklageschrift Staatsanwaltschaft Stgt. Az 17 Kls 222 Js 31697/98 Blatt 4 - Diese Sachverhaltsdarstellung ist nachweislich unwahr. Bis 31.01.98 nahm nur ich Kontakt mit der LPD II Stuttgart auf. Die bis 31.01.98 sich in meinem Besitz befundenen Marihuanasaaten wurden auf mein Verlangen von der LPD II angenommen. Am 26.10.1998 uebermittelte Herr Staatsanwalt Tormaehlen eine Verfuegung vom 26.10.1998 in dem das Ermittlungsverfahren gegen einen Mitbewerber aus Stuttgart eingestellt wird. Eine anonym an das entscheidende Landgericht Stuttgart uebersandte Vogelfutterpackung der Marke "Bertie Bird" mit unter anderem 10 Cannabissamen Inhalt fuer 39 DM wurde vom kriminaltechnischen Istitut des Landeskriminalamtes Baden-Wuerttemberg untersucht. "Sie enhaelt keine Betaeubungsmittel." - vgl Staatsanwaltschaft Stuttgart Az 222 Js 58680/98 - . Am 17.02.1999 stellte auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart das Chemische Institut der Stadt Stuttgart in einer chemisch-toxikologischer Untersuchung (Tox 9900256) meiner Cannabissamen auf THC fest: "In dem Samen waren allenfalls minimale Spuren von THC (< 0,1 % ) nachweisbar." - siehe Anlage Chemisches Institut Stadt Stuttgart 17.02.1999 - Vor und waehrend der Verhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht wurde mir von seiten des Gerichtes mehrmals ein Vergleichsgeschaeft mit dem Inhalt Gestaendniss gegen Bewaehrungsstrafe unterbreitet. Ich lehnte zur Wahrung meiner Rechtsposition jedesmal ab. Waehrend des ersten Verhandlungstages wurde meine einzige in diesem Verfahren an den KHK Schaefer, PD Stuttgart gestellte Frage durch den Vorsitzenden Richter Dr. Mayer nicht zugelassen. Die Antwort auf meine Frage haette mich entlastet. Das Landgericht Stuttgart verurteilte mich am 26.03.1999 wegen Handeltreibens mit Betaeubungsmitteln in geringer Menge mit 20 kg Tetrahydrocannabinol zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten. Als Beweis hierfuer lies das Gericht gelten, dass ich im Laufe des Februar und Maerz 1998 Rechnungen fuer Lieferungen von "Cannabird" - Vogelfutterpackungen verschickte, deren Lieferungen jedoch vor dem 01.02.1998 erfolgten. Anderes wurde vor Gericht nicht bewiesen. - vgl UAS 11/12 -*Schrift des verurteilten Händlers Jochen Forer, 10.03.2000


  • Hamburg 2013

Ein sog. Head-Shop auf der Reeperbahn (Hamburg) hatte am 29. Juni 2013 vier Verkaufsautomaten für ca. 250 verschiedene Sorten von Cannabis-Samen aufgestellt und einige Tage lang mit gutem Erfolg betrieben. Dann kam die Polizei. Sie observierte den Laden am 4. Juli, führte am 5. Juli einen sog. Scheinkauf von drei Tütchen mit jeweils 5, 6 und 7 Samen für insgesamt 135 Euro durch, beantragte einen Durchsuchungsbefehl und beschlagnahmte am 9. Juli Geräte, Geld und Samen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage - nicht gegen die Polizei, sondern gegen die Geschäftsführerin der Mediseed GmbH, die sich laut Handelsregister-Eintrag dem "Handel mit Cannabis-Samen in den Mitgliedsländern der Europäischen Union, ausgenommen zum unerlaubten Anbau" widmete und die ordnungsgemäße Rahmenvereinbarungen über die Lieferung von Cannabis-Samen mit Großhändlern aus Ländern der EU (GB, IRL, NL, E) getroffen sowie die konkreten Samen aus Spanien bezogen hatte.


Rechtsfragen

  1. Wonach ist zu beurteilen, ob Samen zum unerlaubten Anbau "bestimmt" sind?
  2. Ist die Regelung mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar? (Siehe: Vorlagebeschluss)

Weblinks und Literatur