Untersuchungsrichter

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Ein Untersuchungsrichter (juge d'instruction; juez de instrucción; juiz de instrução; investigating judge; istruzione formale) ist ein Richter, der dazu berechtigt und verpflichtet ist, Untersuchungen (Ermittlungen) über eine (mögliche) Straftat anzustellen. Seine richterliche Unabhängigkeit macht ihn relativ immun gegenüber politischen Einflüssen, so dass er auch Ermittlungen gegen Inhaber von Machtpositionen durchführen kann. In Deutschland gibt es seit der Abschaffung der gerichtlichen Voruntersuchung im Jahre 1977 keine Untersuchungsrichter mehr. Ihre Funktion wird weitgehend von der Staatsanwaltschaft ausgeübt. In Frankreich, wo Napoleon 1811 den Untersuchungsrichter einführte, dessen quantitative Bedeutung allerdings im Laufe der Zeit abnahm (von 40% der Ermittlungsverfahren im 19. Jahrhundert auf 4% im 20. Jahrhundert), führte der Vorschlag des Staatspräsidenten, diese Institution ähnlich wie in Deutschland zugunsten einer Alleinzuständigkeit der Staatsanwaltschaft abzuschaffen, zu kritischen Kommentaren, was die Fähigkeit eines weisungsgebundenen Staatsanwalts zu Ermittlungen gegenüber seinem Dienstherren verbundenen Verdächtigen betrifft. Noch unangestastet ist die Position von Untersuchungsrichtern u.a. in Österreich, Monaco, Spanien, Australien und der Schweiz.

Frankreich

In Frankreich, wo heute nur noch 649 von insgesamt 8000 Richtern als Untersuchungsrichter (Napoleon: "die mächtigen Männer Frankreichs") tätig sind, bekamen u.a. frühere Staatspräsidenten und Premierminister die Unabhängigkeit der Untersuchungsrichter gegenüber politischen Pressionen zu spüren. Ähnliches wird für die Terrorbekämpfung berichtet, wo man ebenfalls mit den Untersuchungsrichtern positive Erfahrungen gemacht haben will, weil die Untersuchungsrichter eine einzigartige Machtfülle aus Geheimdienst-, Staatsanwalts-, Richter- und Polizeibefugnissen vereinen und Gentests, Beschattungen, Durchsuchungen, Abhöraktionen, Vorladungen und Verhaftungen anordnen können. Dass sie niemanden gegenüber rechenschaftspflichtig sind, können sie allerdings auch lange Zeit und mit erheblichen negativen Konsequenzen in die falsche Richtung ermitteln und bürgerliche Existenzen gefährden oder vernichten, ohne dass sich schließlich eine Schuld der Verdächtigen nachweisen lässt - wie etwa im Fall des Untersuchungsrichters Fabrice Burgaud, auf dessen Betreiben 14 unschuldige Franzosen wegen des Verdachts der Pädophilie ins Gefängnis mussten. Als sie Jahre später freigesprochen wurden, war einer schon in der Haft verstorben, mutmaßlich durch Suizid (vgl. Wiegel 2009).

Spanien

Der 1955 geborene Baltasar Garzón Real wurde weltbekannt, als er 1998 Chiles Ex-Diktator Pinochet vor Gericht brachte und später gegen sechs US-Juristen wegen Rechtfertigung von Folter in Guantanamo ermittelte. Er ist Untersuchungsrichter am höchsten Strafgerichtshof Spaniens, der Audiencia Nacional in Madrid und ein engagierter Streiter für die Achtung der Menschenrechte. Herbert Wiesner, Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums Deutschland, würdigte Baltasar Garzón anlässlich der Verleihung des Hermann-Kesten-Preises am 12.11.009 in Darmstadt "als Anwalt eines durch staatlich sanktionierte Folter tief verstörten und verletzten Weltgewissens."

Quellen

Literatur

  • Gross, Hans (1893) Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamte und Gendarmen. Graz.
  • Gross, Hans & Geerds, Friedrich (1977/78) Handbuch der Kriminalistik. Begründet als "Handbuch für Untersuchungsrichter" von Hans Gross. 10., völlig neu bearb. Aufl. v. Friedrich Geerds. 2 Bde. Berlin: Schweitzer.

Weblinks