Taxi Driver

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Vorlage:Infobox Film

Der Film Taxi Driver ist ein Thriller mit Elementen von Milieu- und Sozialstudie, der im New York der 1970er Jahre spielt. Hauptperson ist der aus dem mittleren Westen stammende Travis Bickle, der nach seinem Kriegseinsatz in Vietnam mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen hat. Die dadurch auftretenden Schlafstörungen versucht er durch seine Arbeit als Taxifahrer im nächtlichen New York zu therapieren.

Entstehungsgeschichte

Taxi Driver ist der fünfte Film von Regisseur Martin Scorsese. Neben Robert De Niro, Harvey Keitel und der 13 jährigen Jodie Foster tritt Scorsese (als betrogener Ehemann) auch selbst im Film auf. Nach Hexenkessel war Taxi Driver die zweite gemeinsame Produktion von Martin Scorsese, Robert De Niro und Harvey Keitel.

Das autobiographische Züge beinhaltende Drehbuch wurde von Paul Schrader verfasst, von dem u.a. auch das Drehbuch für den Scorsese Film Wie ein Wilder Stier stammte. Es spielt im Original in Los Angeles, wurde jedoch u.a. wegen der Verwurzelung von Robert De Niro und Martin Scorsese in der italo-amerikanischen Kultur New Yorks dorthin verlegt. Auch in einigen weiteren Teilen weicht der Film vom Drehbuch ab. So war der Zuhälter im Buch Afroamerikaner; der Regisseur gab die Rolle aber - aus Sorge vor Rassismusvorwürfen - an Harvey Keitel.

Historischer Rahmen

Der historische Rahmen ist, für das Verständnis des Films und seiner Atmosphäre, von besonderer Wichtigkeit. So ist Travis Bickle offensichtlich durch seinen Militärdienst in Vietnam traumatisiert, was seine psychischen Probleme verursacht oder zumindest potenziert. Gleichzeitig wird der, seit Ende der 1960er Jahre einsetzende Verfall der Innenstädte von amerikanischen Großstädten dokumentiert, was sich in großräumiger Verwahrlosung manifestiert. Zudem ist das Element des Wahlkampfes, das von Travis geplante Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten als, durch den Watergate Skandal verursachten Vertrauensverlust in das politische System zu verstehen.

Handlung

Der Film beginnt mit dem Vorstellungsgespräch, das Travis Bickle, ein 26 jähriger, aus dem mittleren Westen stammender Vietnamkriegsveteran in einem Taxiunternehmen führt. Im Laufe des Gesprächs erfährt der Zuschauer einiges über Travis' jüngere Biographie sowie seine Beweggründe, um mit dem Taxi fahren zu beginnen. In der Folge werden durch die Erfahrungen, die Travis beim Taxi fahren macht, die soziale Verwahrlosung New Yorks sowie die psychischen Probleme des Protagonisten, wie Schlaf- und Kontaktstörungen, Hypochondrie und Verfolgungswahn, deutlich. Auch werden die soziale Isolation und die regelmäßig scheiternden Versuche, diese zu durchbrechen offenbar. Dabei führt insbesondere der gescheiterte Beziehungsaufbau zu der Wahlkamphelferin Betsy zu einer Verschärfung von Travis' Problemen. In der deutschen Wikipedia heißt es dazu:

Travis umwirbt die Wahlkampfhelferin Betsy, die für den Senator und designierten Präsidentschaftskandidaten Palantine arbeitet. Betsy willigt ein, mit Travis ins Kino zu gehen. Als der Film beginnt und sie feststellt, dass Travis einen Pornofilm ausgesucht hat, verlässt Betsy empört das Kino und will nichts mehr von Travis wissen.

Durch dieses Scheitern verstärken sich bei Travis schon vorher gehegte "Säuberungsphantasien". Auf diese Phantasien beginnt er sich letztlich vorzubereiten, nachdem mehrere Versuche scheiterten, seine Probleme mit seinen einzigen sozialen Kontakten, seinen Arbeitskollegen, zu besprechen. Die Wahrnehmung der New Yorker Verhältnisse und seine favorisierte Problemlösung wird, von ihm selbst, zu Beginn des Films folgendermaßen geschildert:

All the animals come out at night – whores, skunk pussies, buggers, queens, fairies, dopers, sick, venal. Someday a real rain will come and wash all this scum off the streets. I go all over. I take people to the Bronx, Brooklyn, I take’ em to Harlem. I don’t care. Don’t make no difference to me.

In diesem Zitat wird deutlich, wie der traumatisierte, aus dem konservativen Milieu des mittleren Westens stammende Travis, auf die entwurzelten und chaotischen Verhältnisse mit Abscheu reagiert. Im selben Atemzug sagt er aber auch, dass ihn das Fahren in den Ghettos nichts ausmacht und er nicht zwischen den vermeintlich sauberen Vierteln und den Slums unterscheidet.

Zusätzlich entwickelt er einen Anschlagsplan gegen den Präsidentschaftskandidaten Palantine, für den Betsy Wahlkampf macht und der zuvor ebenfalls von ihm verehrt wurde. Hier verbindet sich augenscheinlich das Moment der Rache an Betsy mit seiner, von Beginn an vorhandenen Abneigung gegen Politiker, die er nur Betsy zuliebe zwischenzeitlich aufgab. Gleichzeitig will Travis aber auch die New Yorker Unterwelt und das von ihm verachtete und verwahrloste soziale Milieu der verslumten Stadteile New Yorks treffen. Hierbei ist ein weiteres, zufälliges Zusammentreffen auf einer Taxitour verantwortlich, das Vorhaben Travis' auf ein konkretes Ziel zu lenken. Aus der englischen Wikipedia:

On another night, 12-year-old child prostitute Iris (Jodie Foster) enters Travis's cab, attempting to escape her pimp Matthew "Sport" (Harvey Keitel). Sport drags Iris from the cab and throws Travis a crumpled twenty-dollar bill, which continually reminds him of her. Travis arranges to meet Iris and persuades her to quit prostitution. They meet again the next day for breakfast and Travis becomes obsessed with helping her return to her parents' home, sending her money to do so and a letter in which he states he will soon be dead.

Nachdem er sich einige Schusswaffen zulegte und mehrere Wochen mit Training und Vorbereitung verbrachte, plant er schließlich, zunächst den Präsidentschaftskandidaten Palantine zu erschießen. Dies scheitert, da er aufgrund seiner martialischen Irokesen-Frisur vorzeitig einem Geheimdienstmitarbeiter auffällt. Nach diesem Fehlschlag will er zumindest die minderjährige Prostituierte Iris befreien bzw. ihren Zuhälter eliminieren. Im anschließenden Showdown erschießt er ihren Zuhälter Sport sowie zwei weitere Männer.

Travis überlebt den Schusswechsel schwer verletzt, ist nach einiger Zeit wieder genesen. Er wird daraufhin von der Presse als Held gefeiert. Die Eltern von Iris bedanken sich bei ihm dafür, dass er ihre Tochter befreit hat und diese nun zurück bei ihnen ist. Der Film endet mit einer erneuten Begegnung von Travis und Betsy, als sie scheinbar zufällig in sein Taxi steigt. Auf die erneuten Annäherungsversuche von ihr geht Travis jedoch nicht ein. Insbesondere das Ende bietet Spielraum für Spekulationen. So wurde in Kritiken unter anderem gemutmaßt, dass Travis das gesamte Finale nur phantasiert hatte oder aber bei dem Schusswechsel selbst umkam.

Kontroverse

Insbesondere die realistische Gewaltdarstellung in der finalen Szene aber auch die Darstellung sozialer Verwahrlosung der amerikanischen Innenstädte samt den damit einhergehenden sozialen Problemen standen nach Erscheinen des Films in der Kritik. Für Teile des US-amerikanischen Publikums waren derartige, realitätsnahe Darstellungen der Gesellschaft ausgesprochen neu und wirkten schockierend. Erneut in die Schlagzeilen kam der Film durch das Attentat auf Ronald Reagan. Der Attentäter John Hinckley Jr. hatte den Film gesehen und wollte Jodie Foster beeindrucken.

Social Disorganization Theory

Die Social Disorganization Theory wurde von den Soziologen der Chicagoer Schule entwickelt. Maßgeblich waren Isaac Thomas und Florian Znaniecki an der Einführung der Theorie beteiligt. Ihre Forschung basierte auf den Denkprozessen und der Gesinnung eines Menschen, die durch die Gegenseitigkeit, einerseits der persönlichen Situation und andererseits seinem Verhalten beeinflusst wird. Robert E. Park und Ernest W. Burgess entwickelten die Theorie der Urban Ecology (urbanen Ökologie), die besagt, dass Städte ähnlich wie die ökologischen Naturlandschaften funktionieren. In den 1920er Jahren wurden, im Zuge der Urbanisierung, die Großstädte Amerikas der zentrale Punkt des sozialen Lebens. Ihre Einwohnerzahl stieg rapide an und dadurch auch die sozialen Probleme wie Kriminalität, Gettoisierung der Innenstädte und der Zusammenbruch bestehender sozialer Konstrukte. Um diese zu verstehen müsse man die sozialen Wurzeln untersuchen, die einen erläuternden Rahmen und eine zentrale Rolle einnehmen.

Entgegen biologistischer und psychologischer Theorien gehen die Forscher der Social Disorganization Theory davon aus, dass Verbrecher und Straftäter normale Individuen sind, deren kriminelle Handlungen durch ihr Umfeld verursacht und gefördert würden. Dieses Kriminalität fördernde Umfeld lokalisierten sie in den Slums und Gettos am Rande des Stadtkerns. Dort erodiert, durch die Häufung von Straftaten und die ständige Fluktuation der Bevölkerung, die bestehende soziale Ordnung und es entsteht ein anomischer Raum. Da in diesen Vierteln keine gewachsene soziale Ordnung besteht, sind antisoziale Verhaltensweisen zur Norm geworden. Solches Handeln ist für die Einwohner nicht mehr außergewöhnlich und gehört zum normalen interagieren innerhalb des Sozialgefüges.

Nach der Theorie der Chicagoer Soziologen bestehen die soziologischen Strukturen und Begebenheiten der urbanen Umwelt aus dynamischen Prozessen, die der Ökosysteme der natürlichen Umwelt gleichen. Aus dieser, den Naturwissenschaften ähnlichen Perspektive, wurde die Metapher „human ecology“, Menschenökologie, entwickelt und geprägt. Die „human ecology“ ist die zeitliche und räumliche Beziehung von menschlichem Verhalten im urbanen Lebensraum, die ständigem Wechsel ausgesetzt sind. Durch die dauerhafte Fluktuation von Individuen in den immer gleichen Vierteln, unterliegt die dortige Population einem ständigen Wandel, wodurch die Herausbildung eines stabilen sozialen Gefüges verhindert wird. Die Chicago School beschreibt diese Verschiebungen der lokalen Populationen als „invasion“ und „succession“, als Eindringen und Nachfolge.

Concentric Zone Model

Die zentrale Frage, der die Forscher nachgingen war, warum bestimmte Verhaltensweisen und soziale Probleme in bestimmten geographischen Bereichen der Stadt bestehen blieben, obwohl die Population zum Teil eine völlig andere war. Dieses Phänomen beschreibt das „Concentric Zone Model“, welches die urbanen sozialen Strukturen beschreibt. Das Modell wurde von Ernest Burgess entwickelt und teilt eine Stadt in 5 Zonen auf:

  • Zone I: „Central Business District“, gewerbliche Zone
  • Zone II: „Transitional Zone“, besteht aus Wohnbezirk und gewerblichem Bezirk, in der soziale Desorganisation herrscht, social disorganization
  • Zone III: Working Class Zone, Arbeiterwohnbezirk
  • Zone IV: Residential Zone, Wohnbezirk der bürgerlichen Mittelklasse
  • Zone V: „Commuter Zone“ (suburbs), Pendlerzone mit höherer Wohnqualität


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Social Disorganization Theory und Taxi Driver

Taxi Driver ist ein für das Verständnis der Social Disorganization Theory exemplarischer Film. Eine Betrachtung des Films unter Gesichtspunkten der Social Disorganization Theory beginnt mit der Beschreibung des urbanen Umfelds der Handlung. Der Film spielt in der von Burgess so bezeichneten „Transitional Zone“ New York's. Dort herrschen Korruption, Wertkonflikte, Isolation und Verfall sozialer Normen.

Die Frage, mit der sich Travis Bickle konfrontiert sieht ist, wie er seinen Platz in der Gesellschaft und seine Identität unter diesen erschwerten Umständen finden soll. Burgess nannte dies „a place and role in the total organization of city life“. Sein Taxi ist ein Identität stiftender Ort, da er hinter dem Steuerrad lebt, immer mobil vorüber gleitend an den Schauplätzen von Laster und Anonymität. Die Anzeichen von sozialer Desorganisation erscheinen in Taxi Driver durchweg als flüchtige Bilder: jugendliche Kriminelle, Vagabunden, Gangs, Verbrechen, Armut, Untreue, Vernachlässigung, Geisteskrankheit und Prostitution sind Routine-Elemente in Travis' Welt. Der Social Disorganization Theory zufolge ist die Transitional Zone ein gefährlicher und Kriminalität fördernder Lebensraum. Der Charakter des Travis Bickle durchlebt exemplarisch, durch seinen Zuzug aus einer ländlichen Kleinstadt des mittleren Westens in die Metropole New York, die in der Social Disorganization Theory thematisierte Urbanisierung der USA Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Kulturschock, den er erleidet wirkt potenzierend auf seine, durch den Vietnamkrieg entstandenen psychischen Probleme. Der Film unterstreicht die Verzerrungen in seiner Wahrnehmung durch optische Motive. Die Bilder im Rückspiegel oder seine selbstzerstörerischen Ausraster vor seinem Spiegel sind die Fenster durch die Travis die Welt sieht.

Durch seine Arbeit als Taxifahrer beobachtet er mit ethnographischer Genauigkeit (buchstäblich Notizen in sein Tagebuch schreibend). Er wertet das Nachtleben aus, als würde er in einem Labor wissenschaftliche Experimente durchführen. Diese analytische Beobachtung weist Elemente der Social Disorganisation Theory, der Chicago school of sociology auf. Durch seine unreflektierte Betrachtungsweise bemerkt er nicht, dass seine Erfahrungen seine Leiden stetig verschlimmern. Travis' Bestrebungen ein „Mensch zu werden“ enden darin, das Gefüge der Stadt durch seine Taten noch weiter aufzuwühlen. Sein Attentatsversuch wird verhindert und zu einem Akt der Kindesrettung aber Tatsächlich stellt er einen mehrfachen Mord dar.

Weblinks

Literatur

  • Robert E. Park, Ernest W. Burgess, Roderick D. McKenzie: The City. University of Chicago Press, 1925. ISBN 0226646114.
  • Robert J. Sampson, John H. Laub: Crime in the Making. Pathways and Turning Points Through Life. Harvard University Press, Cambridge MA 1993, ISBN 0674176049.
  • Nicole Rafter and Michelle Brown: Criminology Goes to the Movies: Crime Theory and Popular Culture. New York University Press, 2011, ISBN 0814776523.