Straßenkinder in Deutschland

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INHALTSVERZEICHNIS

1. Der Begriff „Straßenkind“

1.1. Zusammenfassende Begriffsdiskussion

1.1.1. Die Ausgegrenzten

1.1.2. Die Auffälligen

1.1.3 Die Gefährdeten

2. Anzahl der Straßenkinder

3. Ursachen für Straßenkarrieren

3.1. Begrenzte Belastungen in der Kindheit

3.2. Schwerwiegende Dauerbelastungen und Krisen in der Kindheit

3.3 Andere Faktoren für Straßenkarrieren

4. Kriminalität

4.1. Prostitution

4.2. Drogenkonsum

Literaturverzeichnis

1.Der Begriff „Straßenkind“

Der Begriff „Straßenkind“ ist in den Auseinandersetzungen mit der Situation von Kindern und Jugendlichen auf den Straßen der Metropolen der 3. Welt, insbesondere in Lateinamerika entstanden (vgl. Deutscher Kinderschutzbund, 1997, S. 6). Anfang der 90er Jahre wurde er aus diesen Entwicklungsländern nach Deutschland importiert (vgl. Pfenig/Zink, 1998, S. 14) und wird für Kinder und Jugendliche verwendet, die ihren Lebensmittelpunkt überwiegend oder ganz auf die Straße verlegt haben. Nach Angaben von Rohman entspricht der Begriff „Straßenkind“, der durch die Situation in der 3. Welt entstanden ist, nicht der deutschen Realität. Dort haben „Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu irgendeiner Form von Jugendhilfe wie hierzulande“ (Rohman, 2000, S. 9). Die inzwischen vorliegenden empirischen Untersuchungen zeigen, dass der Begriff „Straßenkind“ in Deutschland eine real existierende problematische Lebenslage von Jugendlichen beschreibt. Solch eine Lebenslage sollte es nach den rechtlichen Vorgaben in der BRD nicht geben.

1.1.Zusammenfassende Begriffsdiskussion

Aufgrund von empirischer Untersuchungen ist die Fachöffentlichkeit einig darüber, „dass es sich bei Straßenkindern weniger um Kinder unter 14 Jahren handelt, sondern mehrheitlich um Jugendliche“ (Permien/Zink, 1998, S. 12). Folgt man der Studie des Deutschen Jugendinstituts, so zeichnet sich diese Personengruppe aus durch:

  • „Eine weitgehende Abkehr von gesellschaftlich vorgesehenen Sozialisationsinstanzen wie Familie oder- ersatzweise Jugendhilfe-Einrichtungen sowie von Schule und Ausbildung,
  • Hinwendung zur Straße, die zur wesentlichen oder auch einzigen Sozialisationsinstanz und zum Lebensmittelpunkt wird,
  • Hinwendung zum Gelderwerb auf der Straße durch Vorwegnahme abweichenden, teilweise delinquenten Erwachsenenverhaltens, wie Betteln, Raub, Prostitution, Drogenhandel und
  • faktische Obdachlosigkeit“ (Hansbauer, 1996, S. 26)

Die oben aufgeführten Punkte können mehr oder weniger auf den einzelnen Fall zutreffen. Schließlich gibt es viele Jugendliche, die als Straßenkinder etikettiert werden, obwohl sie noch zu Hause wohnen, bzw. in Heimen leben oder eine eigene Wohnung haben“. Weiterhin kann man nicht davon ausgehen, dass sich jeder Jugendliche prostituieren oder auf kriminelle Weise Geld beschaffen muss, da teilweise die Eltern für den notwendigen Lebensunterhalt aufkommen oder sie Leistungen von Ämtern (Sozialamt, Arbeitsamt, Jugendamt) erhalten.

Daher kann man zusammenfassend sagen, dass es verschiedene Gruppen von Kindern und Jugendlichen gibt, die als Straßenkinder bezeichnet werden.

1.1.1 Die Ausgegrenzten

Es handelt sich dabei um Kinder und Jugendliche, die von zu Hause oder aus Einrichtungen geflohen sind oder aus der elterlichen Wohnung hinausgeworfen wurden. Zu dieser Gruppe gehören auch minderjährige Asylbewerber und unbegleitete Flüchtlinge, deren soziale Bindungen aufgrund ihrer besonderen Lebensumstände nicht mehr vorhanden sind. Ausschlaggebend für die Situation dieser Kinder und Jugendlichen sind die misslungenen Integrationsversuche. Sie bewegen sich über längere Zeit am Rande von bzw. in subkulturellen Umgebungen und versuchen dadurch, sich den problematisch verlaufenden Sozialisationserfahrungen in Schule und Elternhaus zu entziehen (Hansbauer, 1996, S. 31). Sie finden zwar sporadisch Unterkunft bei Bekannten oder in Heimen, aber sie landen zum Großteil irgendwann wieder auf der Straße.

1.1.2 Die Auffälligen

Kinder und Jugendliche, die zum Teil in ähnlichen Umständen leben wie die erst genannte Gruppe. Sie nutzen „die Straße“ als Ort der Selbstinszenierung bzw. der Identitätsfindung“ (z.B. Punks) (Hansbauer, 1996, S. 31). Bei dieser Gruppe ist es möglich, dass die Jugendlichen bei „Freunden“ aus dem Milieu schnell eine Unterkunft finden. Zur Familie brechen sie den Kontakt ab, aber sie leben nicht mehr ganz auf der Straße. Da zwischen Straßenkindern die Beziehungen selten zuverlässig sind, ist die Situation nur vorübergehend. Daher verlässt das Kind oder der Jugendliche irgendwann auch diese „Ersatzfamilie“ (Rohman, 2000, S.11).

1.1.3 Die Gefährdeten

Hierzu zählen Kinder und Jugendliche, für die die Straße ein Ort „der kleinen Fluchten“ ist. Sie möchten sich meistens für eine kurze Zeit der elterlichen Kontrolle entziehen. Es besteht aber die Gefahr, sich von der Schule und Familie zu distanzieren oder ausgegrenzt zu werden, obwohl sie noch „einen Fuß bei ihren Erziehungsberechtigten haben“. Solche Kinder und Jugendlichen kommen mehrheitlich aus sozial schwachen Familien und sind öfter in benachteiligten Stadtteilen anzutreffen. Auch junge Migranten der dritten Generation befinden sich in einer ähnlichen Lage. Die Charakteristika von „Straßenkindern“ treffen bei ihnen zwar nur bedingt zu, es besteht aber trotzdem ein gesteigertes Risiko, dass sie sich schrittweise in die City- oder Bahnhofsszene hineinbegeben (Hansbauer, 1996, S. 31). Sie sind meistens zu Hause und schlafen auch dort. Anstatt zur Schule zu gehen, besuchen sie tagsüber sogenannte Freunde oder „hängen rum“. Diese Situation ist häufig vorübergehend, da die Lage zu Hause wegen Streitigkeiten unerträglich wird. Das führt meistens dazu, dass die Kinder irgendwann die Familie endgültig verlassen (Rohman, 2000, S. 11).

Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Oberbegriff „Straßenkinder“ eher eine Art von Sammelbegriff ist, unter dem Jugendliche mit teilweise sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen und Motiven zusammengefasst werden. Sie entziehen sich schrittweise den gesellschaftlich vorgesehenen Sozialisationsinstanzen (Familie, Heim, Schule, Ausbildung) oder werden von ihnen ausgegrenzt, bis sie obdachlos sind. Oder sie leben noch mit „einem Bein zu Hause“, in Heimen oder haben eine eigene Wohnung, verbringen aber trotzdem ihre Zeit ganz oder teilweise auf der Straße. Diese Jugendlichen sind durch Drogen, Gewalt, Prostitution, Obdachlosigkeit oder unzureichende hygienische Bedingungen dauerhaften Gefährdungen ausgesetzt. Dies gilt vor allem für Jugendliche, die sich in der City- oder Bahnhofsszene aufhalten (Jordan/Schone, 1998, S. 464).

2.Anzahl der Straßenkinder

Bei den folgenden Angaben ist zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um Schätzungen handelt, da es über die Anzahl von Straßenkindern keine genauen Zahlen gibt. Das Internationale Flüchtlingswerk UNICEF schätzt die Zahl der Straßenkinder weltweit auf 100 Millionen. In Deutschland liegt die zahlenmäßige Ausbreitung von Straßenkindern in Presseberichten und in der Fachliteratur zwischen 2.000 bis 50.000 (Rohman, 2000 S.22). Warum eine quantitative Einschätzung des Phänomens nicht möglich ist, erläutert Rohman wie folgt:

  • Weil der Begriff sehr unterschiedlich definiert wird. „Ein Kind, das für die Sozialpädagogen als Straßenkind gilt, ist für die Justiz nur vermisst“ (Rohman, 2000, S.23).
  • Weil viele Kinder oder Jugendliche, die auf der Straße leben, einen angemeldeten Wohnsitz bei ihren Eltern oder in Jugendhilfeeinrichtungen haben und dadurch als Straßenkinder nicht erfasst werden (Rohman, 2000, S. 23).
  • Weil viele Eltern ihre Kinder oft nicht vermisst melden. Grund dafür sind Angst, falsche Scharm oder weil sie froh sind, ihre Kinder losgeworden zu sein (Britten, 1995, S. 7/8).
  • Weil viele auf „Trebe“ sind, ständige Ortwechsel vornehmen, daher in unterschiedlichen Statistiken mehrfach erfasst werden.
  • Weil es sogenannte „Wegläufer“ gibt, die nur kurzfristig ihr Elternhaus verlassen und auf die Straße flüchten. Dies erschwert natürlich eine zuverlässige Statistik.

3.Ursachen für Straßenkarrieren

Aufgrund der Untersuchung vom Deutschen Jugendinstitut teilen die Autoren (Premien/Zink) die Ursachen für Straßenkarrieren von Jugendlichen in zwei Gruppen auf:

3.1. Begrenzte Belastungen in der Kindheit

Jugendliche dieser Gruppe berichteten nicht über unerträgliche Krisen und Belastungen zu Hause oder in ihrem sozialen Umfeld. Ihr Weglaufen von zu Hause kann als ein Protestverhalten verstanden werden. Die Jugendlichen wollten sich von der Lebensweise der Eltern abgrenzen. Somit schlossen sie sich jugendkulturellen Gruppen an (Punks, rechtorientierte Gruppen etc.) (Permien/Zink, 1998, S. 102). Konflikte zwischen Eltern und Kindern sind oft in der Pubertät ausgelöst worden, in der von Seiten der Eltern oder einem Elternteil Druck ausgeübt wurde hinsichtlich „regelmäßigen Schulbesuchs und der Einhaltung von bürgerlichen (Leistungs)-Normen“ (vgl. Permien/Zink, 1998, S. 100). Die Konflikte bezogen sich z.B. auf den Freundeskreis der Jugendlichen oder betreffen Ausgangszeiten und Diskobesuche. Das Beziehungsklima in diesen Familien wird oft als unterkühlt und konfliktreich geschildert. Oftmals fühlten sich diese Jugendlichen gegenüber ihren Geschwistern benachteiligt oder von ihren Eltern vernachlässigt (edd., S.100). Somit führte ein schon von der Kindheit vorhandenes leicht gestörtes Familienklima in der Pubertät und den damit verbundenen Auseinandersetzungen zur Verhärtung der Konflikte, die dazu beigetragen haben, dass das Elternhaus erstmalig verlassen wurde. Bei dieser Gruppe sind die Eltern oftmals bemüht um die Rückkehr, obwohl sie die Lebensweise von ihren Kindern nicht verstehen oder akzeptieren konnten (ebd. S.100).

3.2. Schwerwiegende Dauerbelastungen und Krisen in der Kindheit

In der Vorgeschichte der 40 Befragten konnte festgestellt werden, dass sie unter gravierenden Dauerbelastungen aufwuchsen. Sie waren bedroht von einem „Rausschmiss“ aus dem Elternhaus oder aus Jugendhilfeeinrichtungen. Diese Gruppe sah als einzigen Ausweg die Flucht auf die Straße (Permien/Zink, 1998, S. 103). Nach Angaben der Autoren konnten die Betroffenen dieser Gruppe kein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Familie entwickeln, so dass die selbstgewählte Obdachlosigkeit der Jugendlichen „nur ein äußerer Spiegel der inneren Heimatlosigkeit“ darstellt (ebd. S. 103). Die Jugendlichen haben also lange vor der ersten Flucht unter gestörten oder distanzierten Eltern-Kind-Beziehungen gelitten, so dass sie ihr Zuhause nicht mehr als Heim akzeptieren konnten.

  • Die Jugendlichen standen von Kindheit an bis zu Beginn ihrer Straßenkarriere konstant unter einer Dauerbelastung, die durch die Bezugspersonen wegen beispielsweise Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Ausübung von psychischer physischer Gewalt gegenüber den Kindern oder Partnern verursacht wurde (ebd., S. 104). Da die geschilderten Verhaltensweisen konstant blieben und sich nicht verbesserten, zogen die Jugendlichen das Leben auf der Straße dem des Elternhauses vor (Permien/Zink, S.- 104).
  • Als weiterer Belastungsfaktor kam hinzu, dass durch immer neue Krisen, die Bezugspersonen, Wohnorte und Lebensumstände häufig wechselten. Diese Diskontinuität führte zur Dauerbelastung (ebd., S. 106).

Permien und Zink stellen die eben erwähnten Krisen oder Familienkonstellationen unter denen die Jugendlichen aufwuchsen, folgendermaßen dar:

  1. Fast alle Befragten wuchsen nur bei einem leiblichen Elternteil auf. Sie wurden oftmals mit wechselnden Partnern des Elternteils konfrontiert. Hinzu kommt auch, dass die Jugendlichen zeitweise Heim, Pflege- und Adaptivfamilien oder Großeltern hin- und hergeschoben worden sind (ebd., S. 103).
  2. Vernachlässigung und Gewalt wird als weitere Ursache für die Flucht auf die Straße genannt. Viele der Jugendlichen litten in ihrer Vorgeschichte phasenweise „unter Gleichgültigkeit, Ablehnung und Gewalt seitens ihrer Eltern oder Stiefeltern“. Einige der befragten Jugendlichen berichten, dass ihre Mütter tatenlos zusahen, als die Kinder teilweise mit Gegenständen von (Stief-) Vätern verprügelt oder sexuell missbraucht wurden. Als die Schläge oder das Einsperren als Strafe nicht ausgereichte, wurden sie aus dem Haus getrieben. Alle befragten Jugendlichen, die in den o.g. Familienkonstellationen aufwuchsen, sahen sich diesen oder anderen Formen körperlicher und seelischer Gewaltanwendung ausgesetzt. (ebd. S. 107).Diese Erfahrung stellt auf Dauer einen starken Triebfaktor für die Straßenflucht dar. Die Kinder ertrugen jahrelang die gegen sie gerichtete Gewalt, bis irgendwann in der Pubertät das „Maß voll“ ist.
  3. Ein Großteil der Jugendlichen erwähnten ein wichtiges und weiteres Problem, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit der Eltern. Sie beschrieben das Verhalten der Eltern als unberechenbar und gewalttätig. Sie fühlten sich nirgendwo zu Hause sicher und wussten nicht, wie sie sich gegenüber ihren Eltern verhalten sollten. Manche diesen Jugendlichen wohnten in Heimen oder Wohngruppen der Jugendhilfe, bevor sie Straßenkarrieren begangen (ebd., S. 110). Der Einstieg in die Straßenkarrieren konnten aber dadurch nicht verhindert werden. Als Grund nennen die Jugendlichen die Auseinandersetzungen mit anderen Bewohnern dort, die strengen Anweisungen oder die Gleichgültigkeit des Erziehungspersonals (ebd., S. 132).
  4. Als nächster Faktor werden wie schon kurz erwähnt sexuelle Übergriffe durch Vertrauenspersonen genannt. Oft ist es hier so, dass die Täter durch ihre Partner gedeckt wurden, weil sie den Kindern nicht glaubten, zu schwach waren oder Angst hatten, ihre Partner dann zu verlieren. Auf diese Weise enttäuschte, doppelt des Vertrauens beraubte Kinder sahen dann spätestens in der Pubertät den einzigen Ausweg darin, dass sie und nicht die Täter, ihr Zuhause verließen (ebd. S. 113).
  5. Als letzter Faktor wird das Zusammenleben mit Stiefeltern von den Jugendlichen erwähnt. Nur wenige Jugendliche gaben an, dass sie positive Beziehungen zu ihren Stiefeltern hatten. Sehr viel öfter berichten sie von negativen Erfahrungen meistens mit Stiefvätern. Häufig lebten die Jugendlichen in Familienkonstellationen mit leiblicher Mutter und Stiefvätern bzw. wechselnden Partnern der Mütter oder sie wurden aus Heimen oder von Großeltern „nach Hause“ geholt, da die Mutter inzwischen einen neuen Partner gefunden hatte. In solchen Familienkonstellationen hatte die Mutter eine schwache Rolle. Oft übernahmen die neuen Partner die Machtstellung, die die Jugendlichen dann gegen sich gerichtet fühlten. Die Kinder verloren also auch den zweiten leiblichen Elternteil, in dem Fall an die neuen Partner (ebd., 114).

3.3. Andere Faktoren für Straßenkarrieren

Romahn weist neben beschriebenen Vorgeschichten auf die Integrationsprobleme von ausländischen Jugendlichen und jungen Migranten hin, die die Straßenkarrieren von diesem Personenkreis begünstigten (Romahn, 2000, S. 64). Im Unterschied zu den Klienten des Hauptbahnhofes wohnen diese zum größten Teil in der elterlichen Wohnung. Dies führt aber zu erheblichen Problemen, da die familiären Normen nur wenig mit der Lebenswelt und dem Lebensgefühl der Jugendlichen gemein haben. Diese Probleme werden noch mehr verstärkt, wenn es sich um Mädchen und junge Frauen handelt. Im Alltag erleben sie oftmals Ausgrenzung, Probleme in der Schule, mangelnde Unterstützung aus dem Elternhaus. Hinzu kommt, dass sie oftmals keinen Ausbildungsplatz bekommen oder arbeitslos sind. Dadurch haben sie geringe finanzielle Möglichkeiten. „Dies führt sie zu einer „Freizeitgestaltung“ in den Randbereichen der Legalität“. „Das Verhalten dieser Jugendlichen ist geprägt durch den Konflikt zwischen althergebrachten Traditionen und durch Konkurrenzverhalten untereinander“. Die dadurch entstandenen Ängste, Aggressionen, und Rollenkonflikte spiegeln sich in einer zunehmenden Gewaltbereitschaft und Suchtverhalten wieder. Neben diesen beschriebenen Problemen machen die Autoren auch die Schulen für die Straßenkarrieren verantwortlich. Permien/Zink werfen Schulen vor, dass die Möglichkeit für Früherkennung für soziale Probleme der Kinder nicht (ausreichend) wahrnehmen. Nach Meinung der Autoren führt dies dazu, dass Straßenkarrieren durch Jugendhilfemaßnahmen nicht rechtzeitig vorgebeugt werden (ebd., S. 138). Wie wir durch die Ursachenbündel feststellen können, sind die Gründe sehr vielschichtig, warum Jugendliche ihre Zeit ganz oder teilweise auf der Straße verbringen. Die ExpertInnen sehen die Ursachen für die Verlagerung des Lebensmittelpunktes auf die Straße in sozialen und materiellen Vernachlässigungssituationen in der Familie (Hansbauer, 1996, S. 197).

4.Kriminalität

Im Bereich der Jugendkriminalität werden Straftaten vorwiegend im sozialen Nahraum begangen (Kunz/Singelnstein, 2016, S. 240). Wie bereits erwähnt, stellt das Leben auf der Straße mit wenig oder gar keinem Geld eine große Härte für Straßenkinder dar. Die befragten Jugendlichen in der DJI-Studie berichten von starker Konkurrenz untereinander und von harten Überlebenstechniken. Sie führen dazu, dass Jugendliche sich „gegenseitig ausrauben, erpressen, verprügeln, missbrauchen und bedrohen“, so dass viele von ihnen gleichzeitig Täter und Opfer werden (Permien/Zink, 1998, S. 277). Romahn gibt zwei Entstehungsgründe an, warum Straßenkinder auf der Straße Straftaten begehen:

  • 1. Sie üben Straftaten aus, „um ihre Grundbedürfnisse (Essen, Trinken,…) zu befriedigen. Hierbei handelt es sich meistens um kleine Delikte und Gelegenheitsstraftaten, „wie häufiges Schwarzfahren, Diebstahl und Hehlerei“ obwohl auch Gewalt und mit Drogen dealen zu den Geldbeschaffungsmöglichkeiten gehören können (Romahn, 2000, S. 33). Permien/Zink in (Romahn, 2000, S. 33) machen darauf aufmerksam, „dass die Möglichkeiten, ausschließlich legale Bewältigungsstrategien im Straßenalltag einzusetzen, jedoch extrem eingeschränkt sind“.
  • 2. Manche Jugendliche begehen auch Straftaten, um ihre Langeweile zu stillen, gleichzeitig aber auch um ein Bedürfnis nach Status und Anerkennung zu befriedigen. Somit betreiben manche von ihnen mit Action verbundene Kriminalität wie Auseinandersetzungen mit der Polizei, S-Bahn-Surfen etc.. So nutzen sie die Möglichkeit zur Selbstdarstellung in der Gruppe und gleichzeitig wird der Erlebnisdurst gestillt. Solche Straftaten werden spontan begangen. Durch den Erfolg werden sie ermutigt und begehen immer wieder solche kriminellen Handlungen. Nach Angaben von Romahn hat diese Arten von Kriminalität mit Überlebensstrategien auf der Straße wenig zu tun (Romahn, 2000, S. 33/34).

4.1.Prostitution

„Prostitution ist die Ausübung einer sexuellen Dienstleistung gegen Geld oder Naturalien“ (Klose/Steffan, 1997, S. 204). Wie bereits kurz erwähnt, ist Prostitution von Mädchen und Jungen, die auf der Straße leben, eine Alternative zum Gelderwerb. Viele der Straßenkinder leben illegal auf der Straße, werden teilweise polizeilich gesucht, haben wenig oder gar kein Geld zur Verfügung und konsumieren ´Drogen. Ihnen bleibt nur der Weg in illegale Beschäftigungen (Pfennig, 1996, S. 16). Aufgrund dieser Tatsachen versuchen Mädchen und Jungen meistens durch Prostitution schnell an Geld zu kommen.

4.2.Drogenkonsum

Im Alltag der meisten Straßenkinder spielen Drogen eine große Rolle. Dies bedeutet aber nicht, dass Straßenkarriere zwangläufig „mit einer eindeutig negativ verlaufenden Drogenkarriere“ enden muss. (Permien/Zink 1998, S. 264). Aber oftmals sind die Jugendlichen nicht in der Lage von Drogen los zu kommen. Deshalb scheitern sie auch meistens bei Wohn-, Schul-, und Ausbildungsangeboten der Jugendhilfe, weil in allen Einrichtungen Drogenfreiheit verlangt wird (ebd., S. 264). Jugendliche, die an der Forschung des Deutschen Jugendinstitutes teilnahmen, gaben folgende Gründe für Drogenkonsum an: • Verdrängung von Sorgen, • Schaffung einer heilen Fantasiewelt, • Verdrängung von Gefühlen wie Angst, Ekel, Frust, Wut usw. • Konsumierung von Drogen um Spaß zu haben und Party zu machen


Literaturverzeichnis

•Kunz, Karl-Ludwig/Singelnstein, Tobias: Kriminologie 7. Auflage, 2016

•Rohman, Angela: Straßenkinder in der Bundesrepublik Deutschland: Junge Menschen auf der Straße? Beweggründe-Straßenkarrieren-Jugendhilfe. IKO-Verlag für interkulturelle Kommunikation, 2000.

•Hansbauer, Peter: Kinder und Jugendliche auf der Straße: Analysen, Strategien und Lösungsansätze. Votum Verlag, Münster 1998.

•Permien, Hanna/Zink, Gabriela: Endstation Straße- Straßenkarrieren aus der Sicht von Jugendlichen. DJI, Münchener Verlag 1998.

•Pfennig, Gabriele: Lebenswelt Bahnhof. Sozialpädagogische Hilfen für obdachlose Kinder und Jugendliche, Neuwied 1996.

•Anzahl der Straßen Kinder weltweit und in Deutschland : https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenkind#Zahlen

http://www.strassenkinderreport.de/index.php?user_name=&goto=209