Steueroase

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Begriff

Eine Steueroase (auch: ein Steuerparadies) ist ein Land oder ein Gebiet, welches Gelder von zumeist ausländischen natürlichen, oder juristischen Personen aufnimmt und dabei auf verschiedenste Kapitalanlage- bzw. Gesellschaftsformen keine oder nur geringe Steuern erhebt. Steueroasen bieten die Chance, der steuerlichen Belastung im eigenen Land zu entgehen oder diese vergleichsweise zu verringern.

Das Gesellschaftsrecht in Steueroasen

Das Gesellschaftsrecht von Steueroasen gewährleistet ausländischen Geldanlegern in der Regel gesetzlich verankerte Anonymität, restriktive Kontrollen, sowie besonders geringe Berichts- und Offenlegungspflichten. Auf die Eigentümer der aus Straftaten erlangten Gelder oder auf Steuerflüchtlinge wirken diese Vorzüge von Steueroasen besonders attraktiv. Erfahrungsgemäß werden weltweit erhebliche Summen Schwarzgeld in Steueroasen angelegt und gewaschen. Gemeinhin werden die Begriffe Offshore-Zentrum oder Offshore-Staat als Synonym für Steueroase gebraucht. Das so genannte Offshore-Geschäft definiert Brockhaus als internationales Geldgeschäft, das nicht den nationalen Reglementierungen oder Institutionen unterworfen ist. Wesentlich ist, dass Offshore-Staaten bei Geldgeschäften keine oder nur nominelle Steuern erheben und das jeweilige Gesellschaftsrecht ein hohes Maß an Diskretion garantiert. Durch die Nutzung verschiedener Gesellschaftsformen in Offshore-Zentren bzw. Steueroasen und des dort implementierten Treuhandwesens, kann die Herkunft der angelegten Gelder systematisch verschleiert und somit geschützt werden. Einerseits ist es möglich und gesellschaftsrechtlich vorgesehen, den wirtschaftlich Berechtigten einer juristischen Person nach außen hin nicht in Erscheinung treten zu lassen, andererseits locken Steueroasen bzw. Offshore-Zentren mit besonders geringen Bilanzierungs- und Offenlegungspflichten, mit besonders niedrigen Steuern, Gebühren und restriktiven Kontrollen. Die im Gesellschaftsrecht verschiedener Steueroasen garantierte Anonymität des wirtschaftlich Berechtigten, die restriktiven Kontrollen und die kaum vorhandenen Bilanzierungs- und Offenlegungspflichten senken das Entdeckungsrisiko für inkriminierte Gelder und erhöhen so das Missbrauchspotential zur Begehung wirtschaftskrimineller Handlungen, Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Steueroasen weltweit

Kurz nach dem OECD-Gipfel im April 2009 in London, veröffentlichte die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), der weltweit 34 Industrienationen angehören, ein als schwarze Liste der Steueroasen bekanntes Papier zu Rechtssystemen, die sich nicht zu den international vereinbarten Standards in Steuerfragen bekannt haben. Dabei wurden die vier folgenden Staaten aufgeführt:

  • Costa Rica
  • Uruguay
  • Malaysia und
  • Philippinen.

Die OECD wendet drei Kriterien an, die gleichzeitig vorliegen müssen, um einen Staat als Steueroase zu klassifizieren:

  • 1. Keine oder nur nominelle Steuern
  • 2. Keine oder nur mangelhafte Transparenz
  • 3. Kein wirksamer Informationsaustausch mit anderen Ländern.

Bereits fünf Tage nach Veröffentlichung der schwarzen Liste wurden die Länder wieder von dieser entfernt, da seitens der angeprangerten Staaten sofort die Bereitschaft gegenüber der OECD signalisiert wurde, entsprechende Gesetze so abzuändern, dass künftig wie gefordert der Informationsaustausch beim Verdacht des Steuerbetruges stattfinden kann.

Neben der schwarzen Liste veröffentlichte die OECD 2009 eine so genannte graue Liste mit Staaten, die eine Verbesserung der Transparenz angekündigt, entsprechende internationale Abkommen aber noch nicht unterzeichnet haben. Darunter:

  • Andorra
  • Bahamas
  • British Virgin Islands
  • Cayman Islands
  • Liechtenstein
  • Niederländische Antillen
  • Monaco
  • Panama und
  • San Marino.

Steueroasen und Geldwäschebekämpfung

Während sich die OECD um die in Steuerfragen nicht kooperativen Staaten bemüht, widmet sich ein weiteres, aus den Mitgliedstaaten der OECD bestehendes Gremium der Bekämpfung der Geldwäsche. Die FATF (Financial Action Task Force) veröffentlichte in der Vergangenheit mehrfach Schwarzlisten mit NCCTs (Non-Cooperative Countries and Territories). Im Juni 2000 fanden sich darunter u.a.:

  • Bahamas
  • Cayman Islands
  • Israel
  • Liechtenstein
  • Panama und
  • Philippinen.

Derzeit (Januar 2011) listet die FATF keine unkooperativen Staaten und Territorien.

Die thematische Nähe von Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu Steueroasen bzw. Offshore- Zentren ist unabweisbar. Ein Grund hierfür ist die im Gesellschaftsrecht vieler Steueroasen garantierte bzw. konstruierbare Anonymität des wirtschaftlich Berechtigten, welche nicht nur Steuerhinterziehung ermöglicht, sondern gleichsam eine notwendige Voraussetzung der Geldwäsche darstellt.

Schätzungen

Wie Hans- Lothar Merten (2010) berichtet, werden nach Berechnungen der FATF in Deutschland jährlich 40 bis 60 Milliarden Euro Steuern hinterzogen. Im Jahr 2007 hätten laut Bundeszentralamt für Steuern die dem deutschen Fiskus verheimlichten Kapitaleinlagen Deutscher im Ausland 485 Milliarden Euro betragen, wobei der größte Teil davon in der Schweiz angelegt sei.

Nach Schätzungen von Tax Justice Network (TJN) wird etwa ein Drittel der weltweiten Privatvermögen in Offshore-Zentren verwaltet. 2005 waren das etwa 11,5 Billionen US-Dollar.


Deutsche Banken in Steueroasen

Auch deutsche Banken unterhalten Geschäftsbeziehungen und Dependancen in Steueroasen bzw. Offshore-Zentren. Aus der Antwort der Bundesregierung vom 09.06.2009 auf eine Kleine Anfrage verschiedener Bundestagsabgeordneter zu den Geschäftsaktivitäten deutscher Banken in Steueroasen geht hervor, dass die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) per Erlass eine durch das Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebene Erhebung zu den Geschäftsaktivitäten deutscher Banken in Steueroasen durchführte. Demnach seien 31 Kreditinstitute befragt worden. Konkrete Zahlen zu den durch die betreffenden Banken betriebenen Stiftungen und Trusts werden jedoch nicht genannt. Am 02.09.2009 berichteten eine Reihe seriöser Medien gleichlautend von einer durch das Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenen Umfrage zur Aktivität deutscher Kreditinstitute in Steueroasen. Demnach führte die BaFin im Auftrag des Bundesfinanzministeriums 2008 und 2009 zwei Befragungen bezüglich der Geschäftsbeziehungen deutscher Banken zu 23 Finanzplätzen - darunter Schweiz und Liechtenstein - durch. Die meisten Geschäftsbeziehungen zu Offshore- Zentren unterhielten demnach die Deutsche Bank, gefolgt von der Commerzbank und dem Bankinstitut Sal. Oppenheim.

Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang das Engagement der Deutschen Bank in den Steueroasen Channel Islands, Cayman und Mauritius. Für ihr Offshore-Geschäft betreibt die Deutsche Bank eine eigene Internetseite (www.dboffshore.com).

Wie in den Offenlegungs- bzw. Geschäftsberichten der einzelnen Institute veröffentlicht, unterhalten ebenso wie Privatbanken die deutschen Landesbanken, bei denen es sich überwiegend um Körperschaften öffentlichen Rechts handelt, solche Geschäftsbeziehungen und Niederlassungen in Steueroasen bzw. Offshore-Finanzplätzen. Beispielhaft seien hier die WestLB, die BayernLB, die HSH Nordbank, und die Helaba genannt.

Steueroasen und deutsche Politik

Wie die jüngere deutsche Geschichte zeigte, standen liechtensteinische Gesellschaften mehrfach im Zentrum einer Reihe von großen Wirtschafts- und Parteispendenaffären. Genannt seien hier die so genannte Flick-Affäre in den 1980er Jahren, die CDU-Spendenaffäre und die Leuna-Affäre der 1990er Jahre. Bei den hier angeführten Skandalen bestand jeweils der Verdacht, dass hoch dotierte Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft die Anonymität des liechtensteinischen Gesellschaftsrechts bewusst zur Geldwäsche und Steuerhinterziehung nutzten.

Bezüglich der so genannten Trockenlegung von Steueroasen und der damit verbundenen Eindämmung des Missbrauchspotentials von Offshore-Gesellschaften gibt es konfligierende Interessen, die ein baldiges Verschwinden von Steueroasen unwahrscheinlich machen.

Literatur

  • Beauchamp, Andre (1983): Die Steuerparadiese der Welt, München, Zürich, R. Piper Verlag, S.33ff.
  • Messner, Walter (1987): Steueroasen. Existenz und Bekämpfung, Wien: Service-Fachverlag, S.13.
  • Diefenbacher, Erich: Off-shore-Banking. In: der Kriminalist, 1997, Heft 9, S.408.
  • See, Hans / Spoo, Eckart (1997): Wirtschaftskriminalität - Kriminelle Wirtschaft, Heilbronn: Distel Verlag, S. 166.
  • Merten, Hans-Lothar (2010): Steueroasen 2011, Regensburg: Wallhalla u. Praetoria, S. 11 ff.
  • Deutscher Bundestag, Drucksache 16/13528 vom 19.06.2009
  • Hypo Alpe-Adria Bank International AG (Hg.): Konzern-Geschäftsbericht 2008 Hypo Group Alpe Adria.
  • HSH Nordbank AG (Hg.): Offenlegungsbericht gemäß § 26a KWG per 31. Dezember 2009.
  • Schleswig-Holsteiner Landtag: Niederschrift Finanzausschuss, 16. WP - 112. Sitzung, 15.01.2009.
  • WestLB AG (Hg.): Offenlegungsbericht der WestLB AG Gruppe zum 31. Dezember 2009.
  • Helaba Landesbank Hessen-Thüringen (Hg.): Geschäftsbericht 2009.

Internet-Links

  • OECD: www.oecd.org
  • taxjustice network: www.taxjustice.net