Die Steinigung (lat. lapidatio) ist eine jahrtausendealte Art der Hinrichtung, die für viele Gesellschaften des Altertums bezeugt ist und in einigen islamischen Staaten, beispielsweise im Iran oder auch in Teilen Afghanistans, noch heute praktiziert wird. Dazu finden sich Leute zusammen, die meist nach einem Urteil eines Rechtsorgans (Monarch oder Gericht) den bis zur Hüfte oder unter die Brust eingegrabenen Verurteilten durch Steinwürfe töten. Frauen sind heute von dieser Hinrichtungsart weit häufiger betroffen als Männer. In Afrika ist Steinigung ein verbreitetes Mittel der Lynchjustiz. Hier sind Diebe und als Hexen Beschuldigte betroffen. Die Vollstrecker trifft keine Blutschuld.

Geschichte

Vereinzelte Steinigungen lassen sich bis in die semitische Vorzeit zurückverfolgen und wurden im Judentum bei solchen Verbrechen als Strafe angedroht, bei denen eine abschreckende Wirkung auf das Volk ausgeübt werden sollte. Dazu gehörten Gotteslästerung (3. Mose 24,16), Götzendienst (z. B. 5. Mose 17,5), Sabbatschändung (4. Mose 15, 35f.), Wahrsagerei (3. Mose 20,27), Ehebruch (Leviticus/Wajqra 20,10 und Deuteronomium/Debarijm 22,22) und Ungehorsam gegenüber den Eltern (5 Mose 21,21). Instruktiv ist hierfür 3. Buch Mose 24,14 ff, an welcher Stelle JHWH selbst zu Mose spricht:

"Lass den Flucher, der den Namen des Herrn missbrauchte, vor das Lager hinausführen, und alle, die es gehört haben, sollen die Hände auf sein Haupt stützen, und dann soll ihn die ganze Gemeinde steinigen."

In späterer Zeit wurde die ursprüngliche Methode gemildert. Der Talmud erzählt, dass im Falle solcher todeswürdiger Verbrechen den Delinquenten vor der Hinrichtung ein Mittel eingegeben wurde, das sie betäubte.

Im talmudischen Judentum wird die Steinigung in der Mischna (Traktat Sanhedrin 7,2 ff.) erörtert: VII 4 (a) Diese werden gesteinigt: Wer [seiner] Mutter beiwohnt, der Frau des Vaters, der Schwiegertochter, einem Mann oder einem Vieh beiwohnt, oder eine Frau, die einem Vieh beiwohnt, und ein Lästerer, wer Götzendienst treibt, wer von seinem Samen dem Moloch gibt, ein Totenbeschwörer, ein Wahrsager, wer den Sabbat entweiht, wer seinen Vater oder seine Mutter verflucht, wer einem verlobten Mädchen beiwohnt, ein Verlocker, ein Verführer [zum Götzendienst], ein Zauberer und ein unbändiger oder widerspenstiger Sohn.

Todesurteile wurden im Judentum allerdings äußerst selten vollstreckt, und so gut wie immer wurden Mittel und Wege gesucht, sie nicht ausführen zu müssen.

Rabbi Eleasar ben Asarja kritisierte jede Form von Todesstrafe, indem er einen Gerichtshof "mörderisch" nannte, der nur einmal im Laufe von siebzig Jahren ein Todesurteil ausgesprochen hatte. Noch weiter gehen Rabbi Akiba und Rabbi Tarfon, von denen folgende Aussage überliefert ist: "Hätten wir im Synhedrion gesessen, wäre niemals ein Mensch hingerichtet worden."

Wenn es dann doch zur Vollstreckung kam, war vorgeschrieben, dass die Hinrichtungsstätte außerhalb des Lagers bzw. der Stadt liegen musste, und zwar in einer solchen Entfernung, dass bis zur Hinausführung des Verurteilten Gelegenheit gegeben war, dass Dritte oder der Verurteilte selbst eine Wiederaufnahme des Verfahrens begehren und zudem verlangen konnten, nochmals vor das Richterkollegium geführt zu werden, um neue Anträge zur Abänderung des Todesurteils vorbringen zu können (Sanh. 6,1). Die Richter selbst mussten am Tage der Hinrichtung fasten (bSanh. 63 a).


Zu Jesu Zeiten

Zur Zeit der Abfassung des Neuen Testaments scheint die Steinigung – auch außerhalb der Vorschriften des mosaischen Gesetzes – eine übliche Art der Hinrichtung gewesen zu sein, die öfter erwähnt wird (Mt 21,35; 23,37; Lk 20,6): Jesus selbst riskiert, einer Steinigung zum Opfer zu fallen (Joh 10,31). Stephanus wird, vom Sanhedrin zum Tode verurteilt, vor der Stadt gesteinigt (Apg 7,59). Paulus wurde in Lystra vom Mob gesteinigt, überlebte jedoch (Apg 14,19).

In Joh 8,1-11 wird berichtet, dass Jesus eine Ehebrecherin vor der Steinigung rettet, indem er die in Lev 20,10 und Dtn 17,6-7 festgesetzten Hürden (die beiden Ankläger sollen anfangen, Steine zu werfen) erschwert: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den Stein auf sie“ (Joh 8,7).

Steinigung im Islam

Heute findet die Steinigung radschm / رجم ‎ / raǧm noch in bestimmten islamisch geprägten Regionen und Ländern Anwendung. Nach der Schari'a kann die Steinigung zur Bestrafung nur eines der so genannten Hadd-Vergehen verhängt werden, nämlich einvernehmlichem Geschlechtsverkehr von zwei Personen, die mit anderen verheiratet sind oder waren (siehe Zina). Die Verurteilung kann auf Grund eines Geständnisses oder der Aussage von mindestens vier männlichen Zeugen erfolgen, wenn diese behaupten, dass sie beim Geschlechtsakt unmittelbar dabei waren. Da nach islamischem Recht Zeugenaussagen von Frauen weit weniger schwer wiegen als die von Männern und zudem von zwei Männern bestätigt werden müssen, werden Frauen weitaus häufiger wegen Ehebruchs angeklagt und zum Tod durch Steinigung verurteilt als Männer.

Durchführung

Der Azhar-Theologe al-Dschaziri (1882 - 1942) beschrieb die Scharia-konforme Ausführung der Steinigung folgendermaßen:

"Die Steinigung erfolgt mit mittelgroßen Steinen, weder mit leichten Kieseln - die Qual würde zu lange dauern - noch mit Felsbrocken - die durch die "Grenz"-Strafe beabsichtigte Peinigung würde verfehlt -, sondern mit Steinen, die die hohle Hand ausfüllen; man nehme sich davor in acht, das Gesicht (des Schuldigen) zu treffen, weil der Prophet dies (einem Hadith zufolge) verboten hat... Der Ehebrecher ist während des Vollzugs der "Grenz"-Strafe nicht anzubinden oder zu fesseln; auch ist für ihn keine Grube auszuheben. Für die Ehebrecherin kann eine ihr bis zur Brust reichende Grube ausgehoben werden. Während des Vollzugs darf ihre Schamgegend nicht entblößt werden. Deshalb sind die Kleider an ihr festzuschnüren, so daß ihr Leib nicht sichtbar wird."[2]

Die Steinigung in islamischen Staaten

Während manche Länder die Steinigung einführen wollen oder erst kürzlich eingeführt haben (z. B. der islamisch geprägte Norden Nigerias), sind in anderen Ländern, z.B. Iran, Bestrebungen im Gange, die Steinigung ganz abzuschaffen. Gemäß § 83 des iranischen Strafgesetzbuches ist die Todesstrafe durch Steinigung bei Ehebruch vorgeschrieben, wenn ein verheirateter Mann oder eine verheiratete Frau daran beteiligt waren. Laut Amnesty International wurde im Iran im Berichtsjahr 2003 an mindestens zwei Personen die Steinigung vollzogen. Dabei wurden die Opfer der Hinrichtung bis zu den Knien im Erdboden eingegraben und komplett mit einem undurchsichtigen Tuch verhüllt. Die Steine durften nicht größer als die werfende Hand sein, um den Tod des oder der Verurteilten hinauszuzögern. Der Richter sorgt für den Mindestabstand zum Verurteilten und darf den ersten Stein werfen. Die bisher letzte im Iran dokumentierte Steinigung fand laut Amnesty International am 5. Juli 2007 statt. Eine Initiative zur Abschaffung der Todesstrafe erklärte, ein Mann sei in Aghche-kand, einem Dorf außerhalb von Takestan, zu Tode gesteinigt worden.

2002 wurde Amina Lawal in Nigeria von einem Scharia-Gericht zur Steinigung verurteilt. 2004 wurde der tunesischstämmige Ghofrane Haddaoui durch zwei Landsleute in Frankreich gesteinigt.

Am 27. Oktober 2008 wurde in der somalischen Stadt Kismaayo das 13-jährige Mädchen Aisha durch Dutzende von Männern unter Anwesenheit von angeblich rund 1000 Zuschauern gesteinigt. Das Mädchen hatte angegeben, von drei Männern vergewaltigt worden zu sein. Die islamische Miliz verurteilte sie laut Amnesty International wegen Sex außerhalb der Ehe.

Quellen