Feindstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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== Jakobs Lehre und Kritik ==
== Jakobs Lehre und Kritik ==
Jakobs setzt sich rechtsdogmatisch mit dem Phänomen des Feindstrafrechts auseinander, indem er die Illegitimität der [[Kriminalisierung]] von Vorfeldverhalten im Deutschen Strafgesetzbuch (StGB) bestimmt (Jakobs 1985: 752) und feststellt, dass dort Bestimmungen feindstrafrechtlicher Natur zu finden sind, welche eine Rechtsmaterie eigener Art bezeichnen und den [[Rechtsgüterschutz]] optimieren - im Gegenzug zum Bürgerstrafrecht, welches die Freiheitsphären der Bürger des Staates zur Grundlage hat (Jakobs 1985: 756). Diese Tendenzen sind dort verortet, wo materielle Vorbereitungen für eine Straftat kriminalisiert werden, noch während "das Vorbereitungsverhalten im Privatbereich vollzogen" (Jakobs 1985: 756f.) wird.


<p align="justify">In seinem 1985 erschienen Aufsatz setzt sich Jakobs rechtsdogmatisch mit dem Phänomen des Feindstrafrechts auseinander, indem er die Illegitimität der [[Kriminalisierung]] von Vorfeldverhalten im Deutschen Strafgesetzbuch (StGB) bestimmt (Jakobs 1985: 752) und feststellt, dass dort Bestimmungen feindstrafrechtlicher Natur zu finden sind, welche eine Rechtsmaterie eigener Art bezeichnen und einen [[Rechtsgüterschutz]] optimieren - im Gegenzug zum Bürgerstrafrecht, welches die Freiheitsphären der Bürger des Staates zur Grundlage hat (Jakobs 1985: 756). Diese Tendenzen sind dort verortet, wo materielle Vorbereitungen für eine Straftat kriminalisiert werden, noch während "das Vorbereitungsverhalten im Privatbereich vollzogen" (Jakobs 1985: 756f.) wird.<br>
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Dies ist in einem freiheitlichen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit seinem Grundgesetz dem Sinn nach nicht zu legitimieren, existiert aber in der Praxis und ''verschleiert an nicht weniger Stellen den Übertritt über die Grenzen eines freiheitlichen Staates'' (Jakobs 1985: 784). Damit birgt es die Gefahr, dass wenn der Rechtsgüterschutz weitere Optimierung im StGB erfährt, der Täter zunehmend als Feind und mit abnehmenden Internbereich bzw. Privatheit definiert wird (Jakobs 1985: 751, 784). Er argumentiert weiter, dass ''auf diesem Weg [...] alles Strafrecht zum Feindstrafrecht'' wird, bis hin, dass vor einer Kriminalisierung von Gedanken kein Halt gemacht werden müsste (Jakobs 1985: 757, 778).
Dies ist in einem freiheitlichen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit seinem Grundgesetz dem Sinn nach nicht zu legitimieren, existiert aber in der Praxis und ''verschleiert an nicht weniger Stellen den Übertritt über die Grenzen eines freiheitlichen Staates'' (Jakobs 1985: 784). Damit birgt es die Gefahr, dass wenn der Rechtsgüterschutz weitere Optimierung im StGB erfährt, der Täter zunehmend als Feind und mit abnehmenden Internbereich bzw. Privatheit definiert wird (Jakobs 1985: 751, 784). Er argumentiert weiter, dass ''auf diesem Weg [...] alles Strafrecht zum Feindstrafrecht'' wird, bis hin, dass vor einer Kriminalisierung von Gedanken kein Halt gemacht werden müsste (Jakobs 1985: 757, 778).


Um diesem Dilemma zu entgehen, bedarf es seiner Meinung nach einer Trennung zwischen des ''Täters als Rechtsgutfeind'' und des ''Täters als Bürger'' und zwar in der Form eines extra kodierten Feindstrafrechts, abgetrennt vom Bürgerstrafrecht. Dieses dann ''nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht'' zu legitimierende Recht, würde dann dort seine Anwendung finden, wo Gefahr besteht, dass ''[[Normen]], die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der [[Repression]] wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt'' (Jakobs 1985: 753, 784).<br>
Um diesem Dilemma zu entgehen, bedarf es seiner Meinung nach einer Trennung zwischen des ''Täters als Rechtsgutfeind'' und des ''Täters als Bürger'' und zwar in der Form eines extra kodierten Feindstrafrechts, abgetrennt vom Bürgerstrafrecht. Dieses dann ''nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht'' zu legitimierende Recht, würde dann dort seine Anwendung finden, wo Gefahr besteht, dass ''[[Normen]], die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der [[Repression]] wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt'' (Jakobs 1985: 753, 784).


Ist diese Sichtweise noch als rechtsdogmatische Kritik an der bestehenden Rechtsmaterie zu verstehen - wobei er eben kein Verfechter der Rechtsgutlehre (Greco 2010: 13; Aponte 2004: 133) ist, welche die Vorfeldkriminalisierung seiner Meinung nach ermöglicht - folgt er spätestens ab 1999/2000 einer eher affirmativen Sichtweise (Vormbaum 2009: VIII) auf die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten eines Feindstrafrechtes.
Ist diese Sichtweise noch als rechtsdogmatische Kritik an der bestehenden Rechtsmaterie zu verstehen - wobei er eben kein Verfechter der Rechtsgutlehre (Greco 2010: 13; Aponte 2004: 133) ist, welche die Vorfeldkriminalisierung seiner Meinung nach ermöglicht - folgt er spätestens ab 1999/2000 einer eher affirmativen Sichtweise (Vormbaum 2009: VIII) auf die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten eines Feindstrafrechtes.
Sein 2000 erschienener Kommentar zu einer Tagung in Berlin an der Akademie der Wissenschaft konkretisiert dann diesen Ansatz drastisch, bis dahin, dass ''es zu einem Feindstrafrecht keine heute ersichtliche Alternative'' mehr geben könnte (Jakobs 2000: 53).<br>
Sein 2000 erschienener Kommentar zu einer Tagung in Berlin an der Akademie der Wissenschaft konkretisiert dann diesen Ansatz drastisch, bis dahin, dass ''es zu einem Feindstrafrecht keine heute ersichtliche Alternative'' mehr geben könnte (Jakobs 2000: 53).
 
In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' leitet er rechtsphilosopisch unter Zurückgriff auf die Philosophen [[Menschenrechte|T. Hobbes]] und [[Menschenrechte|I. Kant]] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrechtes - abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler (Jakobs 2004: 97).
 
Das [[Verbrechen]] folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung, dem Staat, der Gesellschaft, ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein ''generell personales Verhalten'' unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status, wird als Feind behandelt (Jakobs 2004: 98f.) und zur Unperson (Jakobs 2000: 53) erklärt. Die Reaktion auf die Tat (Normbruch) transformiert oder verkürzt sich somit zu einer Reaktion gegen einen Feind, ohne ein kommunikatives Element der Strafe (Jakobs 2000: 50).


In seinem 2004 erschienen Aufsatz ''Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht'' leitet er rechtsphilosopisch unter Zurückgriff auf die Philosophen [[Menschenrechte|T. Hobbes]] und [[Menschenrechte|I. Kant]] die tradierte Notwendigkeit eines Bürgerstrafrechtes - abgetrennt vom Feindstrafrecht - her, gegen die nicht beharrlich und prinzipiell delinquierende Person bzw. eben gegen den prinzipiellen Abweichler (Jakobs 2004: 97).<br>
Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen (Bürgerstrafrecht) ist dann nicht notwendig um einen Feind zu stellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert (Feindstrafrecht). Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut (Jakobs 2004: 106), wobei Jakobs den argumentativen Kreis schließt: ''Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg'' (Jakobs 2004: 101).
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Das [[Verbrechen]] folgt bei Jakobs aus dem Bruch einer Norm, welche in eine praktizierte Ordnung, dem Staat, der Gesellschaft, ihre Gültigkeit besitzt. Solange dem Verbrecher dabei ein ''generell personales Verhalten'' unterstellt werden kann, verliert er nicht seinen Personenstatus, bleibt also Bürger. Derjenige aber, der die bestehende Rechtsordnung prinzipiell leugnet, verliert diesen Status, wird als Feind behandelt (Jakobs 2004: 98f.) und zur Unperson (Jakobs 2000: 53) erklärt. Die Reaktion auf die Tat (Normbruch) transformiert oder verkürzt sich somit zu einer Reaktion gegen einen Feind, ohne ein kommunikatives Element der Strafe (Jakobs 2000: 50).<br>
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Der Bruch einer Norm mit ihren externalen Folgen (Bürgerstrafrecht) ist dann nicht notwendig um einen Feind zu stellen, sondern wird mit dem Anspruch des Bürgers auf [[Innere Sicherheit|Sicherheit]] legitimiert (Feindstrafrecht). Sicherheit ist hierbei ein Rechtsgut (Jakobs 2004: 106), wobei Jakobs den argumentativen Kreis schließt: ''Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatliche Eigenschaften - Bändigung der Affekte; Reaktion nur auf externalisierte Taten, nicht auf bloße Vorbereitungen, Achtung der Personalität des Verbrechers im Strafverfahren u.a.m. -, wer ihm also diese Eigenschaften nicht nehmen will, sollte das was man gegen Terroristen tun ''muß'', wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg'' (Jakobs 2004: 101).<br>


In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus Exkludierten, wäre der Staat in soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt und in seinem Zwang so zurückhaltend agiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (Jakobs 2004: 97). Dies bedeutet bei ihm, dass die Einführung eines Feindstrafrechtes nicht heißen kann, ''nunmehr sei '"alles'" erlaubt'' und dass man ''über das Erforderliche'' hinausgehen dürfe (Jakobs 2000: 137).</p>
In seinen Mitteln des gebändigten Krieges, also zur Behandlung des aus dem Personenstatus Exkludierten, wäre der Staat in soweit frei, dass er lediglich Rechte des Eigentums einräumt und in seinem Zwang so zurückhaltend agiert, dass ein späterer Friedensschluss noch möglich sein könnte (Jakobs 2004: 97). Dies bedeutet bei ihm, dass die Einführung eines Feindstrafrechtes nicht heißen kann, ''nunmehr sei '"alles'" erlaubt'' und dass man ''über das Erforderliche'' hinausgehen dürfe (Jakobs 2000: 137).


===Kennzeichen des Feindstrafrechtes im Sinne Jakobs===
===Kennzeichen des Feindstrafrechtes im Sinne Jakobs===
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<p align="justify">Grundsätzlich verortet Jakobs zahlreiche problematische Vorschriften im StGB (Jakobs 1985: 773). Die Bedeutensten sind die pönalisierten Vorbereitungshandlungen im Privatbereich, wie § 30 StGB und die §§ 129, 129a, 267 Fall 1 StGB (Vormbaum 2009: VIX) und Teile der Betäubungsmittelgesetzgebung (BtMG), wie die §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs.1 Nr.1 BtMG (Jakobs 1985: 753) sowie die Untersuchungshaft (Jakobs 2004: 102) nach der Strafprozessordnung (StPO).
<p align="justify">Grundsätzlich verortet Jakobs zahlreiche problematische Vorschriften im StGB (Jakobs 1985: 773). Die Bedeutensten sind die pönalisierten Vorbereitungshandlungen im Privatbereich, wie § 30 StGB und die §§ 129, 129a, 267 Fall 1 StGB (Vormbaum 2009: VIX) und Teile der Betäubungsmittelgesetzgebung (BtMG), wie die §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs.1 Nr.1 BtMG (Jakobs 1985: 753) sowie die Untersuchungshaft (Jakobs 2004: 102) nach der Strafprozessordnung (StPO).
Weiter, die Tendenz dazu ab dem [http://pdok.bundestag.de/extrakt/ba/WP13/673/67368.html Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts], in welchem die Anhebung der Straftatbestände bei sexuellem Missbrauch festgehalten sind sowie die Ausdehnung der [[Sicherungsverwahrung]], auch auf Heranwachsende und Jugendliche (Hörnle 2009: 92, 94f.) sowie des von ihm gesehenen Übergangs von der Strafrechtsgesetzgebung zu einer [[Bekämpfungsgesetzgebung]], wobei etwa [[Wirtschaftskriminalität]], [[Terrorismus|Terrorismus]] oder die [[Organisierte Kriminalität|Organisierte Kriminalität]] eingeschlossen sind (Aponte 2004: 131).</p>
Weiter, die Tendenz dazu ab dem [http://pdok.bundestag.de/extrakt/ba/WP13/673/67368.html Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts], in welchem die Anhebung der Straftatbestände bei sexuellem Missbrauch festgehalten sind sowie die Ausdehnung der [[Sicherungsverwahrung]], auch auf Heranwachsende und Jugendliche (Hörnle 2009: 92, 94f.) sowie des von ihm gesehenen Übergangs von der Strafrechtsgesetzgebung zu einer [[Bekämpfungsgesetzgebung]], wobei etwa [[Wirtschaftskriminalität]], [[Terrorismus|Terrorismus]] oder die [[Organisierte Kriminalität|Organisierte Kriminalität]] eingeschlossen sind (Aponte 2004: 131).


===Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht nach Jakobs===
===Kritik und Positionen zum Feindstrafrecht nach Jakobs===
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