Strafzurückstellung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die kritische Diskussion um das Thema Betäubungsmittel bewegte sich stets zwischen den gegensätzlichen Polen „Legalisierung des Drogengebrauchs“ auf der einen Seite und „konsequente Sanktionierung jeglichen Drogengebrauchs“ auf der anderen Seite. Der minimale politische Konsens der Neuregelungen des BtMG von 1982 schien auf der Erkenntnis zu beruhen, dass es sich bei einer Betäubungsmittel- oder Drogenabhängigkeit um eine behandlungsbedürftige Krankheit handelt. Dass jedoch der geplante Ansatz des Konzeptes „Therapie statt Strafe“ aus den Augen verloren ging, zeigt sein Eingang in einer lediglich abgemilderten Form in § 37 BtMG, der das Absehen von der Anklageerhebung unter bestimmten Bedingungen ermöglichte, nicht aber die Strafverfolgung als solche ausschloss (Malek 2008, S. 310).
Die kritische Diskussion um das Thema Betäubungsmittel bewegte sich stets zwischen den gegensätzlichen Polen „Legalisierung des Drogengebrauchs“ auf der einen Seite und „konsequente Sanktionierung jeglichen Drogengebrauchs“ auf der anderen Seite. Der minimale politische Konsens der Neuregelungen des BtMG von 1982 schien auf der Erkenntnis zu beruhen, dass es sich bei einer Betäubungsmittel- oder Drogenabhängigkeit um eine behandlungsbedürftige Krankheit handelt. Dass jedoch der geplante Ansatz des Konzeptes „Therapie statt Strafe“ aus den Augen verloren ging, zeigt sein Eingang in einer lediglich abgemilderten Form in § 37 BtMG, der das Absehen von der Anklageerhebung unter bestimmten Bedingungen ermöglichte, nicht aber die Strafverfolgung als solche ausschloss (Malek 2008, S. 310).


Der weit gewichtigere Kern der Neuausrichtung des Umganges mit betäubungsmittelabhängigen Straftätern wurde an die „Vollstreckungslösung“ des § 35 BtMG gebunden und beruht auf zwei, ebenfalls der Kritik ausgesetzten Annahmen. Dies ist zum einen das Festhalten am Glauben um die zwingende Notwendigkeit einer Bestrafung und damit auch die fortgesetzte, zwangsläufige Kriminalisierung von Betäubungsmittelabhängigen bei der Drogenbeschaffung. Zum anderen die Annahme, dass die verhängte Strafe oder ihre Vollstreckung eine zusätzliche Motivation für den drogenabhängigen Täter sei, sich in eine Therapie zu begeben. Bei letzterem wird auch vom sogenannten „Initialzwang“ gesprochen, der die Strafe und ihre Funktion in einen besonderen Kontext zur Behandlung und dem dafür nötigen Leidensdruck setzt (Baumgart 1994, S. 105).
Der weit gewichtigere Kern der Neuausrichtung des Umgangs mit betäubungsmittelabhängigen Straftätern wurde an die „Vollstreckungslösung“ des § 35 BtMG gebunden und beruht auf zwei, ebenfalls der Kritik ausgesetzten Annahmen. Dies ist zum einen das Festhalten am Glauben um die zwingende Notwendigkeit einer Bestrafung und damit auch die fortgesetzte, zwangsläufige Kriminalisierung von Betäubungsmittelabhängigen bei der Drogenbeschaffung. Zum anderen die Annahme, dass die verhängte Strafe oder ihre Vollstreckung eine zusätzliche Motivation für den drogenabhängigen Täter sei, sich in eine Therapie zu begeben. Bei letzterem wird auch vom sogenannten „Initialzwang“ gesprochen, der die Strafe und ihre Funktion in einen besonderen Kontext zur Behandlung und dem dafür nötigen Leidensdruck setzt (Baumgart 1994, S. 105).
    
    
Bereits im Rahmen der ersten Berichte von Richtern, Staatsanwälten aber auch von Drogenberatungsstellen, Therapieeinrichtungen und Drogentherapeuten wurden zahlreiche Punkte der Regelung zur Strafzurückstellung kritisiert. Allen voran wurde die strafrechtliche Bevorzugung von drogenabhängigen gegenüber alkoholkranken oder anderweitig, nicht stoffgebunden-abhängigen (z. B. spielsüchtigen) Straftätern in Frage gestellt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kritisiert. Gleichzeitig wurden die Komplexität der Anwendung der Vorschrift zur Strafzurückstellung und die damit einhergehenden Schwierigkeiten bemängelt. Dabei ist insbesondere die erforderliche Einigkeit unter einer Vielzahl von Beteiligten (der Verurteilte, die Therapieeinrichtung, der Kostenträger, die Vollstreckungsbehörde und das zuständige Gericht) und die teils längere Zeitspanne zwischen Antragstellung und Zurückstellungsentscheidung kritisiert worden (Becker/Lück 1990, S. 76 ff.). So wie die Vollzugsanstalten vom „Behandlungsauftrag“ scheinbar entlastet wurden, zeigten sich die Veränderungen vor allem in den Therapieeinrichtungen. Neben dem Erleben sekundärer Motive bei den teils wiederholt aus Haftanstalten aufzunehmenden Klienten, wurde ihre stärkere Hospitaltisierung und ihre Einstellung zur "Therapie als geringeres Übel" gegenüber der Strafe kritisiert (a.a.O., S. 82 ff.).  
Bereits im Rahmen der ersten Berichte von Richtern, Staatsanwälten aber auch von Drogenberatungsstellen, Therapieeinrichtungen und Drogentherapeuten wurden zahlreiche Punkte der Regelung zur Strafzurückstellung kritisiert. Allen voran wurde die strafrechtliche Bevorzugung von drogenabhängigen gegenüber alkoholkranken oder anderweitig, nicht stoffgebunden-abhängigen (z. B. spielsüchtigen) Straftätern in Frage gestellt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kritisiert. Gleichzeitig wurden die Komplexität der Anwendung der Vorschrift zur Strafzurückstellung und die damit einhergehenden Schwierigkeiten bemängelt. Dabei ist insbesondere die erforderliche Einigkeit unter einer Vielzahl von Beteiligten (der Verurteilte, die Therapieeinrichtung, der Kostenträger, die Vollstreckungsbehörde und das zuständige Gericht) und die teils längere Zeitspanne zwischen Antragstellung und Zurückstellungsentscheidung kritisiert worden (Becker/Lück 1990, S. 76 ff.). So wie die Vollzugsanstalten vom „Behandlungsauftrag“ scheinbar entlastet wurden, zeigten sich die Veränderungen vor allem in den Therapieeinrichtungen. Neben dem Erleben sekundärer Motive bei den teils wiederholt aus Haftanstalten aufzunehmenden Klienten, wurde ihre stärkere Hospitaltisierung und ihre Einstellung zur "Therapie als geringeres Übel" gegenüber der Strafe kritisiert (a.a.O., S. 82 ff.).  
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