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Nach Ansicht von Franz von Liszt sollte nicht länger gestraft werden, weil gesündigt worden ist, sondern damit zukünftig nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird („Punitur ne peccetur“). Damit griff er die bereits von dem antiken griechischen Philosophen [[Platon]] 400 v. Chr. und von dem römischen Philosophen [[Seneca]] im 1. Jh. n. Chr. formulierten Gedanken erneut auf. Während die metaphysisch geprägten Vertreter der absoluten Straftheorie von einem freien Willen und somit personaler Verantwortung des Täters ausgingen und das Strafmaß von seiner Schuld abhängig machten, ging der vom Positivismus geprägte von Liszt von der Determiniertheit des Täters durch Motive in Form eines festen Ablaufs psychischer Kausalität aus. Er war der Ansicht, die Tat folge einem festen Mechanismus. Sie sei als Folge der vorherrschenden Bedingungen des Täterumfeldes unvermeidbar. Daher machte von Liszt die Dauer der Strafe von der Gefährlichkeit des Täters abhängig. Seine naturwissenschaftlich fundierte Theorie schloss somit die Individualschuld i.S. von [[Hegel]] aus, wenngleich er den Schuldbegriff nicht gänzlich eliminierte.
Nach Ansicht von Franz von Liszt sollte nicht länger gestraft werden, weil gesündigt worden ist, sondern damit zukünftig nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird („Punitur ne peccetur“). Damit griff er die bereits von dem antiken griechischen Philosophen [[Platon]] 400 v. Chr. und von dem römischen Philosophen [[Seneca]] im 1. Jh. n. Chr. formulierten Gedanken erneut auf. Während die metaphysisch geprägten Vertreter der absoluten Straftheorie von einem freien Willen und somit personaler Verantwortung des Täters ausgingen und das Strafmaß von seiner Schuld abhängig machten, ging der vom Positivismus geprägte von Liszt von der Determiniertheit des Täters durch Motive in Form eines festen Ablaufs psychischer Kausalität aus. Er war der Ansicht, die Tat folge einem festen Mechanismus. Sie sei als Folge der vorherrschenden Bedingungen des Täterumfeldes unvermeidbar. Daher machte von Liszt die Dauer der Strafe von der Gefährlichkeit des Täters abhängig. Seine naturwissenschaftlich fundierte Theorie schloss somit die Individualschuld i.S. von [[Hegel]] aus, wenngleich er den Schuldbegriff nicht gänzlich eliminierte.
===Strafe als Triebhandlung===
===Strafe als Triebhandlung===
Die von ihm geforderte Umgestaltung der blinden, triebartigen Reaktion auf Devianz als Ausfluss des Arterhaltungstriebes in zielbewussten Rechtsgüterschutz richtete sich seines Erachtens gegen relative Theorien da der absolute Ursprung der Strafe betont würde. Die Strafe sei nicht hervorgebracht durch den Zweckgedanken, sondern unabhängig von diesem und würde diesem in der menschlichen Kulturgeschichte vorausgehen. Von Liszt begründete seine Ansicht der Strafe als Triebhandlung damit, dass diese in der Urgeschichte aller Völker und sogar in der Tierwelt vorkäme. Gleichzeitig werde allerdings die Weiterbildung der Strafe von der Triebhandlung in die Willenshandlung durch den Zweckgedanken als Ergebnis der bisherigen Entwicklung nachgewiesen und als Forderung aufgestellt, weshalb auch absolute Theorien bekämpft würden. Damit konkretisierte von Liszt den entwicklungstheoretischen Ansatz hin zu einer Selektionstheorie darwinistischer Prägung. Er saht sein Werk als „Vereinigungstheorie“, obwohl er als führender Vertreter der soziologischen Strafrechtsschule galt.
Die von ihm geforderte Umgestaltung der blinden, triebartigen Reaktion auf Devianz als Ausfluss des Arterhaltungstriebes in zielbewussten Rechtsgüterschutz richtete sich seines Erachtens gegen relative Theorien da der absolute Ursprung der Strafe betont würde. Die Strafe sei nicht hervorgebracht durch den Zweckgedanken, sondern unabhängig von diesem und würde diesem in der menschlichen Kulturgeschichte vorausgehen. Von Liszt begründete seine Ansicht der Strafe als Triebhandlung damit, dass diese in der Urgeschichte aller Völker und sogar in der Tierwelt vorkäme. Gleichzeitig werde allerdings die Weiterbildung der Strafe von der Triebhandlung in die Willenshandlung durch den Zweckgedanken als Ergebnis der bisherigen Entwicklung nachgewiesen und als Forderung aufgestellt, weshalb auch absolute Theorien bekämpft würden. Damit konkretisierte von Liszt den entwicklungstheoretischen Ansatz hin zu einer Selektionstheorie darwinistischer Prägung. Er sah sein Werk als „Vereinigungstheorie“, obwohl er als führender Vertreter der soziologischen Strafrechtsschule galt.
 
===Objektivierung der Strafe===
===Objektivierung der Strafe===
Unter der „Objektivierung der Strafe“  verstand von Liszt den vollständigen Übergang der Funktion des Strafens von den am sozialen Konflikt beteiligten Kreise auf  unbeteiligte, unbefangen prüfende Organe. Mit der ausschließlichen Aufnahme von Strafverfahren von Amts wegen sei die Verstaatlichung der Strafe eingetreten. Durch die Erklärung der  rechtlich geschützten Interessen zu Rechtsgütern und die Katalogisierung der Normen werde eine Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt erreicht. Damit werde ein „Bollwerk“ des Staatsbürgers gegenüber der Staatsgewalt geschaffen und der erste Schritt zur Prävention sei getan. Gleichzeitig würde die Strafe mit der beginnenden Objektivierung Maß und Ziel gewinnen, die Blutrache würde abgeschafft. Der Verbrecher, selbst Träger von Rechtsgütern, würde durch diese Art der Strafe in seinen Rechten zwar geschmälert, sie würden aber nicht gänzlich beschnitten. Nach von Liszts Ansicht war die Einsicht in die Wirkungen der Strafe durch eine unbefangene Betrachtung derselben die Grundvoraussetzung für die Anpassung der Strafe an den Zweckgedanken und damit die Umwandlung ihrer Funktion in den Rechtsgüterschutz.  
Unter der „Objektivierung der Strafe“  verstand von Liszt den vollständigen Übergang der Funktion des Strafens von den am sozialen Konflikt beteiligten Kreise auf  unbeteiligte, unbefangen prüfende Organe. Mit der ausschließlichen Aufnahme von Strafverfahren von Amts wegen sei die Verstaatlichung der Strafe eingetreten. Durch die Erklärung der  rechtlich geschützten Interessen zu Rechtsgütern und die Katalogisierung der Normen werde eine Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt erreicht. Damit werde ein „Bollwerk“ des Staatsbürgers gegenüber der Staatsgewalt geschaffen und der erste Schritt zur Prävention sei getan. Gleichzeitig würde die Strafe mit der beginnenden Objektivierung Maß und Ziel gewinnen, die Blutrache würde abgeschafft. Der Verbrecher, selbst Träger von Rechtsgütern, würde durch diese Art der Strafe in seinen Rechten zwar geschmälert, sie würden aber nicht gänzlich beschnitten. Nach von Liszts Ansicht war die Einsicht in die Wirkungen der Strafe durch eine unbefangene Betrachtung derselben die Grundvoraussetzung für die Anpassung der Strafe an den Zweckgedanken und damit die Umwandlung ihrer Funktion in den Rechtsgüterschutz.  
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