Marburger Programm: Unterschied zwischen den Versionen

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Die von ihm geforderte Umgestaltung der blinden, triebartigen Reaktion auf Devianz als Ausfluss des Arterhaltungstriebes in zielbewussten Rechtsgüterschutz richtet sich seines Erachtens gegen relative Theorien da der absolute Ursprung der Strafe betont würde. Die Strafe sei nicht hervorgebracht durch den Zweckgedanken, sondern unabhängig von diesem und würde diesem in der menschlichen Kulturgeschichte vorausgehen. Von Liszt begründete seine Ansicht der Strafe als Triebhandlung damit, dass diese in der Urgeschichte aller Völker und sogar in der Tierwelt vorkäme. Gleichzeitig werde allerdings die Weiterbildung der Strafe von der Triebhandlung in die Willenshandlung durch den Zweckgedanken als Ergebnis der bisherigen Entwicklung nachgewiesen und als Forderung aufgestellt, weshalb auch absolute Theorien bekämpft würden. Damit konkretisiert von Liszt den entwicklungstheoretischen Ansatz hin zu einer Selektionstheorie darwinistischer Prägung. Er sieht sein Werk als „Vereinigungstheorie“, obwohl er als führender Vertreter der soziologischen Strafrechtsschule gilt.
Die von ihm geforderte Umgestaltung der blinden, triebartigen Reaktion auf Devianz als Ausfluss des Arterhaltungstriebes in zielbewussten Rechtsgüterschutz richtet sich seines Erachtens gegen relative Theorien da der absolute Ursprung der Strafe betont würde. Die Strafe sei nicht hervorgebracht durch den Zweckgedanken, sondern unabhängig von diesem und würde diesem in der menschlichen Kulturgeschichte vorausgehen. Von Liszt begründete seine Ansicht der Strafe als Triebhandlung damit, dass diese in der Urgeschichte aller Völker und sogar in der Tierwelt vorkäme. Gleichzeitig werde allerdings die Weiterbildung der Strafe von der Triebhandlung in die Willenshandlung durch den Zweckgedanken als Ergebnis der bisherigen Entwicklung nachgewiesen und als Forderung aufgestellt, weshalb auch absolute Theorien bekämpft würden. Damit konkretisiert von Liszt den entwicklungstheoretischen Ansatz hin zu einer Selektionstheorie darwinistischer Prägung. Er sieht sein Werk als „Vereinigungstheorie“, obwohl er als führender Vertreter der soziologischen Strafrechtsschule gilt.
===Objektivierung der Strafe===
===Objektivierung der Strafe===
Unter der „Objektivierung der Strafe“  verstand von Liszt den vollständigen Übergang der Funktion des Strafens von den am sozialen Konflikt beteiligten Kreise auf  unbeteiligte, unbefangen prüfende Organe. Mit der ausschließlichen Aufnahme von Strafverfahren von Amts wegen sei die Verstaatlichung der Strafe eingetreten. Durch die Erklärung der  rechtlich geschützten Interessen zu Rechtsgütern und die Katalogisierung der Normen werde eine Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt erreicht. Damit werde ein „Bollwerk“ des Staatsbürgers gegenüber der Staatsgewalt geschaffen und der erste Schritt zur Prävention sei getan. Gleichzeitig würde die Strafe mit der beginnenden Objektivierung Maß und Ziel gewinnen, die Blutrache würde abgeschafft. Der Verbrecher, selbst Träger von Rechtsgütern, würde durch diese Art der Strafe in seinen Rechten zwar geschmälert, sie würden aber nicht gänzlich beschnitten. Nach von Liszts Ansicht war die Einsicht in die Wirkungen der Strafe durch eine unbefangene Betrachtung derselben die Grundvoraussetzung für die Anpassung der Strafe an den Zweckgedanken und damit die Umwandlung ihrer Funktion in den Rechtsgüterschutz.
Unter der „Objektivierung der Strafe“  verstand von Liszt den vollständigen Übergang der Funktion des Strafens von den am sozialen Konflikt beteiligten Kreise auf  unbeteiligte, unbefangen prüfende Organe. Mit der ausschließlichen Aufnahme von Strafverfahren von Amts wegen sei die Verstaatlichung der Strafe eingetreten. Durch die Erklärung der  rechtlich geschützten Interessen zu Rechtsgütern und die Katalogisierung der Normen werde eine Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt erreicht. Damit werde ein „Bollwerk“ des Staatsbürgers gegenüber der Staatsgewalt geschaffen und der erste Schritt zur Prävention sei getan. Gleichzeitig würde die Strafe mit der beginnenden Objektivierung Maß und Ziel gewinnen, die Blutrache würde abgeschafft. Der Verbrecher, selbst Träger von Rechtsgütern, würde durch diese Art der Strafe in seinen Rechten zwar geschmälert, sie würden aber nicht gänzlich beschnitten. Nach von Liszts Ansicht war die Einsicht in die Wirkungen der Strafe durch eine unbefangene Betrachtung derselben die Grundvoraussetzung für die Anpassung der Strafe an den Zweckgedanken und damit die Umwandlung ihrer Funktion in den Rechtsgüterschutz.  
 
===Das Maß der Strafe===
===Das Maß der Strafe===
Das im Verbrechen innewohnende Recht des Bürgervertrages habe laut von Liszt die Ausstoßung aus der Rechtsgemeinschaft zur Folge. Um in der Rechtsgemeinschaft bleiben zu können, müsse der Verbrecher eine Strafleistung erbringen. Von Liszt spricht in diesem Zusammenhang von einem „Abbüßungsvertrag“, der die Objektivierung der Strafe durch den Zweckgedanken, aus dem sich das Maß der Strafe ergäbe, darstelle. Es werden zwei Gesichtspunkte zur Ermittlung der gerechten Strafe unterschieden. Zum einen handelt es sich dabei um den objektiven, der sich aus der Schwere der Rechtsgüterverletzung ergäbe und der bei der Aufstellung des Strafrahmens  Berücksichtigung zu finden habe und zum anderen um den subjektiven, der sich aus der Willensrichtung des Täters ergäbe und bei der Unterteilung der Strafrahmen und bei der Strafausmessung innerhalb des Strafrahmens verwendet werden solle. Bei der Gerechtigkeit im Strafrecht handele es sich um die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderlichen Strafmaßes, d.h. nur die notwendige Strafe sei gerecht.
Das im Verbrechen innewohnende Recht des Bürgervertrages habe laut von Liszt die Ausstoßung aus der Rechtsgemeinschaft zur Folge. Um in der Rechtsgemeinschaft bleiben zu können, müsse der Verbrecher eine Strafleistung erbringen. Von Liszt spricht in diesem Zusammenhang von einem „Abbüßungsvertrag“, der die Objektivierung der Strafe durch den Zweckgedanken, aus dem sich das Maß der Strafe ergäbe, darstelle. Es werden zwei Gesichtspunkte zur Ermittlung der gerechten Strafe unterschieden. Zum einen handelt es sich dabei um den objektiven, der sich aus der Schwere der Rechtsgüterverletzung ergäbe und der bei der Aufstellung des Strafrahmens  Berücksichtigung zu finden habe und zum anderen um den subjektiven, der sich aus der Willensrichtung des Täters ergäbe und bei der Unterteilung der Strafrahmen und bei der Strafausmessung innerhalb des Strafrahmens verwendet werden solle. Bei der Gerechtigkeit im Strafrecht handele es sich um die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderlichen Strafmaßes, d.h. nur die notwendige Strafe sei gerecht.
===Funktionen der Strafe===
===Funktionen der Strafe===
Von Liszt unterscheidet in seinem Werk drei verschiedene Wirkungen von Strafen. Dabei handelt es sich um die Besserung, unter der die Festigung altruistischer sozialer Motive zu verstehen sei, um die Abschreckung, mit der die Festigung zwar egoistischer, aber ebenfalls altruistisch wirkender Motive gemeint sei und um Unschädlichmachung, d.h. Ausgrenzung aus der Gemeinschaft. Diesen drei Strafformen entsprächen auch drei Kategorien von Verbrechern, nämlich die Besserungsfähigen/Besserungsbedürftigen, die gebessert werden sollen, die nicht Besserungsbedürftigen, die abgeschreckt werden sollen und die nicht Besserungsfähigen, die unschädlich gemacht werden müssten. Die „nicht Besserungsfähigen“ bezeichnet von Liszt als Gewohnheitsverbrecher, versteht hierunter allerdings den grundsätzlichen Gegner der Rechts-/Gesellschaftsordnung. Der Rückfallstatistik entnahm von Liszt, dass es sich bei mindestens der Hälfte aller Gefängnisinsassen um unverbesserliche Gewohnheitsverbrecher, die überwiegend Eigentums- und Sittlichkeitsdelikte begehen, handelte. Für diese Spezies fordert er Einsperrung auf Lebenszeit ab der dritten Verurteilung in besonderen Anstalten wie Zuchthäusern bei gleichzeitigem Arbeitszwang und Prügelstrafe. Für die Besserungsbedürftigen, noch bekehrbaren „Anfänger auf der Verbrecherlaufbahn“ legt er sich ab der ersten Begehung einer strafbaren Handlung in den Bereichen Eigentums- und Sittlichkeitsdelikten auf die Abgabe in eine Besserungsanstalt nicht unter einem Jahr fest, um durch umfangreiche Resozialisierungsmaßnahmen auf  den Verbrecher bessernd einwirken zu können. Die Gelegenheitsverbrecher wurden als „episodisch auftretende Täter“ beschrieben, die zu ihrer Tat meist durch äußere Einflüsse gebracht worden seien und eine geringe Rückfallwahrscheinlichkeit aufweisen würden. Für diese Gruppe schlägt von Liszt das Verpassen eines Denkzettels in Form einer geringen Freiheitsstrafe nicht unter 6 Wochen oder ersatzweise Geldstrafe vor.
Von Liszt unterscheidet in seinem Werk drei verschiedene Wirkungen von Strafen. Dabei handelt es sich erstens um die Besserung, unter der die Festigung altruistischer sozialer Motive zu verstehen sei. Als zweiten Punkt führt er die Abschreckung an, mit der zwar die egoistischen Motive gefestigt würden, die in ihrer Folge aber eine gemeinnützige Wirkung habe. Letztlich wird noch die Unschädlichmachung, d.h. die Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, aufgeführt. Diesen drei Strafformen entsprächen auch drei Kategorien von Verbrechern, nämlich die Besserungsfähigen/Besserungsbedürftigen, die gebessert werden sollen, die nicht Besserungsbedürftigen, die abgeschreckt werden sollen und die nicht Besserungsfähigen, die unschädlich gemacht werden müssten. Die „nicht Besserungsfähigen“ bezeichnet von Liszt als Gewohnheitsverbrecher, versteht hierunter allerdings den grundsätzlichen Gegner der Rechts-/Gesellschaftsordnung. Der Rückfallstatistik entnahm von Liszt, dass es sich bei mindestens der Hälfte aller Gefängnisinsassen um unverbesserliche Gewohnheitsverbrecher, die überwiegend Eigentums- und Sittlichkeitsdelikte begehen, handelte. Für diese Spezies fordert er Einsperrung auf Lebenszeit ab der dritten Verurteilung in besonderen Anstalten wie Zuchthäusern bei gleichzeitigem Arbeitszwang und Prügelstrafe. Für die Besserungsbedürftigen, noch bekehrbaren „Anfänger auf der Verbrecherlaufbahn“ legt er sich ab der ersten Begehung einer strafbaren Handlung in den Bereichen Eigentums- und Sittlichkeitsdelikten auf die Abgabe in eine Besserungsanstalt nicht unter einem Jahr fest, um durch umfangreiche Resozialisierungsmaßnahmen auf  den Verbrecher bessernd einwirken zu können. Die Gelegenheitsverbrecher wurden als „episodisch auftretende Täter“ beschrieben, die zu ihrer Tat meist durch äußere Einflüsse gebracht worden seien und eine geringe Rückfallwahrscheinlichkeit aufweisen würden. Für diese Gruppe schlägt von Liszt das Verpassen eines Denkzettels in Form einer geringen Freiheitsstrafe nicht unter 6 Wochen oder ersatzweise Geldstrafe vor.
==Kritik==
==Kritik==
Der deutsche Rechtswissenschaftler [[Karl von Birkmeyer]] merkte 1907 in seiner Schrift „Was lässt von Liszt vom Strafrecht übrig? kritisch an, dass sein Festhalten am Strafrecht inkonsequent sei. Da von Liszt die Gesinnung des Täters zum ausschlaggebenden Punkt erklärt, müsse eingeschritten werden, bevor die Tat begangen worden sei. Weiterhin kritisiert er, dass der Strafe bei der Bekämpfung des Verbrechens durch die Ablehnung der Vergeltungsstrafe und Forderung der zweckorientierten Schutzstrafe eine untergeordnete Rolle zukäme.
Der deutsche Rechtswissenschaftler [[Karl von Birkmeyer]] merkte 1907 in seiner Schrift „Was lässt von Liszt vom Strafrecht übrig? kritisch an, dass sein Festhalten am Strafrecht inkonsequent sei. Da von Liszt die Gesinnung des Täters zum ausschlaggebenden Punkt erklärt, müsse eingeschritten werden, bevor die Tat begangen worden sei. Weiterhin kritisiert er, dass der Strafe bei der Bekämpfung des Verbrechens durch die Ablehnung der Vergeltungsstrafe und Forderung der zweckorientierten Schutzstrafe eine untergeordnete Rolle zukäme.
[[Wolfgang Naucke]] kritisierte 1982 in seinem Aufsatz über die „Kriminalpolitik des Marburger Programms“ den unbestimmten Umgang mit den Autoritäten, die lückenhafte und vereinfachte Wiedergabe von Kants und Hegels Gedanken sowie der Geschichte des Strafrechts, die seines Erachtens zu einseitige und absolute Darstellung der Evolutionslehre, die den Boden für das Marburger Programm bereit habe und zu emotionale Untertöne in einer eher bürokratisch gehaltenen Abhandlung. Im Hinblick auf das Marburger Programm in der NS-Zeit legte Naucke dar, dass das selbige keine Regeln enthalte, für wen es gelten solle, d.h. selbst die Nationalsozialisten, die nur den Gedanken des Wegsperrens bzw. Vernichtens der Unverbesserlichen aufgriffen, können somit mit dem zum Zeitpunkt des Erscheinens des Marburger Programms als liberal und sozial geltenden von List in Zusammenhang gebracht werden. Weiterhin machte Naucke auf die Abhängigkeit der sozialen und liberalen Form der Verbrechensbekämpfung von günstigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umständen aufmerksam.  
[[Wolfgang Naucke]] kritisierte 1982 in seinem Aufsatz über die „Kriminalpolitik des Marburger Programms“ den unbestimmten Umgang mit den Autoritäten, die lückenhafte und vereinfachte Wiedergabe von Kants und Hegels Gedanken sowie der Geschichte des Strafrechts, die seines Erachtens zu einseitige und absolute Darstellung der Evolutionslehre, die den Boden für das Marburger Programm bereit habe und zu emotionale Untertöne in einer eher bürokratisch gehaltenen Abhandlung. Im Hinblick auf das Marburger Programm in der NS-Zeit legte Naucke dar, dass dieses keine Regeln enthalte, für wen es gelten solle, d.h. selbst die Nationalsozialisten, die nur den Gedanken des Wegsperrens bzw. Vernichtens der Unverbesserlichen aufgriffen, können somit mit dem zum Zeitpunkt des Erscheinens des Marburger Programms als liberal und sozial geltenden von List in Zusammenhang gebracht werden. Weiterhin machte Naucke auf die Abhängigkeit der sozialen und liberalen Form der Verbrechensbekämpfung von günstigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umständen aufmerksam.  
Anders als von Liszt ging der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, [[Winfried Hassemer]], von der Indeterminiertheit und damit von einem freien Willen des Täters und dessen Verantwortlichkeit aus und begründete seine Auffassung mit dem in unserer Kultur vorherrschenden Grundsatz von Personalität und Menschenwürde. Bezogen auf das materielle Strafrecht würde der Grundsatz der Menschenwürde im Prinzip der subjektiven Zurechnung wirksam und diese begründe die Schuld. Im Gegensatz zu Hassemer ging von Liszt, der zwar auch von „subjektiven Gesichtspunkten“ sprach und letztendlich ein subjektivistisches Täter- und Gesinnungsstrafrecht forderte, von physiologisch begründeten psychologischen Momenten der Eigenart des Täters aus. Hierzu zählte er Triebe, Süchte aber auch „Überzeugungstreue“, worunter er die aus grundsätzlicher Ablehnung gegenüber der herrschenden Rechtsordnung handelnden Gewohnheitstäter fasste.
Anders als von Liszt ging der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, [[Winfried Hassemer]], von der Indeterminiertheit und damit von einem freien Willen des Täters und dessen Verantwortlichkeit aus und begründete seine Auffassung mit dem in unserer Kultur vorherrschenden Grundsatz von Personalität und Menschenwürde. Bezogen auf das materielle Strafrecht würde der Grundsatz der Menschenwürde im Prinzip der subjektiven Zurechnung wirksam und diese begründe die Schuld. Im Gegensatz zu Hassemer ging von Liszt, der zwar auch von „subjektiven Gesichtspunkten“ sprach und letztendlich ein subjektivistisches Täter- und Gesinnungsstrafrecht forderte, von physiologisch begründeten psychologischen Momenten der Eigenart des Täters aus. Hierzu zählte er Triebe, Süchte aber auch „Überzeugungstreue“, worunter er die aus grundsätzlicher Ablehnung gegenüber der herrschenden Rechtsordnung handelnden Gewohnheitstäter fasste.
==Auswirkungen und kriminologische Relevanz ==
==Auswirkungen und kriminologische Relevanz ==
Nach anfänglicher spärlicher Beachtung ist der Einfluss des Marburger Programms auf die Gesetzgebung in den zwanziger Jahren an der Einführung des ersten Jugendgerichtsgesetzes mit Schwerpunkt auf erzieherischen Maßnahmen, Beginn der Herausnahme von Bagatell- und Kleinkriminalität aus dem Strafrecht, stärkerer Differenzierung der Strafarten, vor allem Ausbau der Geldstrafen und einer Fixierung von spezialpräventiv gerichteten Vollzugsgrundsätzen erkennbar. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden von Liszts innovative Postulate weitestgehend zerstört. Nur in dem Gesetz gegen gemeingefährliche Gewohnheitsverbrecher von 1933 sind einzelne, aus dem Zusammenhang genommene Gedanken von ihm bzgl. des Umgangs mit unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern erkennbar. Die in der Nachkriegszeit zunächst eher in den Hintergrund gerückten Gedanken von Liszts fanden sich dann 1966 in dem von 14 Strafrechtslehrern vorgelegten „Alternativentwurf“ des Allgemeinen Teils des StGB wieder, indem die spezialpräventive Auffassung mit besonderer Betonung des Resozialisierungsgedankens und des Rechtsgüterschutzes besonderen Ausdruck fand. Der Alternativentwurf  übte nachhaltigen Einfluss auf die kriminalpolitische Entwicklung in Deutschland aus und trug maßgeblich zu den beiden Strafrechtsreformgesetzen von 1969 bei. Liszts Einteilung der Gefährlichkeit eines Verbrechens in objektive und subjektive Gesichtspunkte erhielt bei der Untersuchung einer Straftat in der heutigen Praxis üblichen Unterteilung in objektiven und subjektiven Tatbestand sowie Rechtswidrigkeit und Schuld Einzug. In § 46 (1) StGB (Grundsätze der Strafzumessung) wird eine Vereinigung des Vergeltungs- und des Zweckgedankens deutlich, wobei unter dem Vergeltungsgedanken im heutigen Sinn eher eine das Verhalten missbilligende, normbestätigende anstatt einer die Person des Täters verdammende Botschaft zu verstehen ist. In Satz 1 heißt es, dass die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe bilde, während in Satz 2 Liszts Forderung nach positiven spezialpräventiven Wirkungen der Strafe Berücksichtigung findet. Der Streit über die Annahme des freien Täterwillens auf der einen oder seiner Determiniertheit durch fremde Einflüsse auf der anderen Seite wurde weder zugunsten von Liszts noch seiner Widersacher entschieden, sondern ist heute noch nicht beigelegt. § 20 StGB fordert lediglich ein „frei sein von Mängeln“ und keinen Nachweis über den zum Zeitpunkt der Tat freien Willen des Beschuldigten.
Nach anfänglich spärlicher Beachtung ist der Einfluss des Marburger Programms auf die Gesetzgebung in den zwanziger Jahren an der Einführung des ersten Jugendgerichtsgesetzes mit Schwerpunkt auf erzieherischen Maßnahmen, Beginn der Herausnahme von Bagatell- und Kleinkriminalität aus dem Strafrecht, stärkerer Differenzierung der Strafarten, vor allem Ausbau der Geldstrafen und einer Fixierung von spezialpräventiv gerichteten Vollzugsgrundsätzen erkennbar. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden von Liszts innovative Postulate weitestgehend zerstört. Nur in dem Gesetz gegen gemeingefährliche Gewohnheitsverbrecher von 1933 sind einzelne, aus dem Zusammenhang genommene Gedanken von ihm bzgl. des Umgangs mit unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern erkennbar. Die in der Nachkriegszeit zunächst eher in den Hintergrund gerückten Gedanken von Liszts fanden sich dann 1966 in dem von 14 Strafrechtslehrern vorgelegten „Alternativentwurf“ des Allgemeinen Teils des StGB wieder, indem die spezialpräventive Auffassung mit besonderer Betonung des Resozialisierungsgedankens und des Rechtsgüterschutzes besonderen Ausdruck fand. Der Alternativentwurf  übte nachhaltigen Einfluss auf die kriminalpolitische Entwicklung in Deutschland aus und trug maßgeblich zu den beiden Strafrechtsreformgesetzen von 1969 bei. In der bei der Untersuchung einer Straftat heute üblichen Unterteilung in objektiven und subjektiven Tatbestand sowie Rechtswidrigkeit und Schuld fand von Liszts Einteilung eines Verbrechens in objektive und subjektive Gesichtspunkte Berücksichtigung. In § 46 (1) StGB (Grundsätze der Strafzumessung) wird eine Vereinigung des Vergeltungs- und des Zweckgedankens deutlich, wobei unter dem Vergeltungsgedanken im heutigen Sinn eher eine das Verhalten missbilligende, normbestätigende anstatt einer die Person des Täters verdammende Botschaft zu verstehen ist. In Satz 1 heißt es, dass die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe bilde, während in Satz 2 Liszts Forderung nach positiven spezialpräventiven Wirkungen der Strafe Berücksichtigung findet. Der Streit über die Annahme des freien Täterwillens auf der einen oder seiner Determiniertheit durch fremde Einflüsse auf der anderen Seite wurde weder zugunsten von Liszts noch seiner Widersacher entschieden, sondern ist heute noch nicht beigelegt. § 20 StGB fordert lediglich ein „frei sein von Mängeln“ und keinen Nachweis über den zum Zeitpunkt der Tat freien Willen des Beschuldigten.
Weitere, noch heute spürbare Wirkungen des Marburger Programms sind u.a. in Deutschland im Täter-Opfer-Ausgleich (§46 a StGB) zu finden. Dessen Ziel ist es, den Täter durch die Wiedergutmachung zur Auseinandersetzung mit den Folgen seiner Tat und mit der Person des Opfers zu zwingen, somit spezialpräventiv auf ihn einzuwirken und ihm die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern. Die Regelungen über die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff StGB und § 66 StGB Unterbringung in der Sicherungsverwahrung) greifen von Liszts Gedanken im Zusammenhang mit der Besserung der Verbesserungsfähigen und  Sicherung der Unverbesserlichen auf. Auch das Jugendgerichtsgesetz (JGG) trägt von Liszts Forderung nach umfangreichen Resozialisierungsmaßnahmen für die Besserungsfähigen Rechnung, indem es erlaubt, Erziehungsmaßregeln anzuordnen, aber auch Jugendstrafe, Zuchtmittel oder entsprechend die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt. Im 1977 erlassenen Strafvollzugsgesetz wird in § 2 StVollzG (Aufgaben des Vollzuges) betont, dass der Gefangene während des Verbüßens der Freiheitsstrafe fähig werden solle, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Die von Liszts geforderte Spezialprävention findet ihren Ausdruck in der Formulierung, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dienen solle. Sowohl die aktuellen Diskussionen über die Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung (vgl.: BVerfG, 2 BvR 2029/01 vom 5.2.2004/ BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom 4.5.2011/ EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, 19359/04) in Deutschland, als auch das in über 25 US Bundesstaaten geltende „Three Strikes“ Gesetz  erinnern an von Liszts Vorschläge zum Umgang mit „unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern“.
Weitere, noch heute spürbare Wirkungen des Marburger Programms sind u.a. in Deutschland im Täter-Opfer-Ausgleich (§46 a StGB) zu finden. Dessen Ziel ist es, den Täter durch die Wiedergutmachung zur Auseinandersetzung mit den Folgen seiner Tat und mit der Person des Opfers zu zwingen, somit spezialpräventiv auf ihn einzuwirken und ihm die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern. Die Regelungen über die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff StGB und § 66 StGB Unterbringung in der Sicherungsverwahrung) greifen von Liszts Gedanken im Zusammenhang mit der Besserung der Verbesserungsfähigen und  Sicherung der Unverbesserlichen auf. Auch das Jugendgerichtsgesetz (JGG) trägt von Liszts Forderung nach umfangreichen Resozialisierungsmaßnahmen für die Besserungsfähigen Rechnung, indem es erlaubt, Erziehungsmaßregeln anzuordnen, aber auch Jugendstrafe, Zuchtmittel oder entsprechend die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt. Im 1977 erlassenen Strafvollzugsgesetz wird in § 2 StVollzG (Aufgaben des Vollzuges) betont, dass der Gefangene während des Verbüßens der Freiheitsstrafe fähig werden solle, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Die von Liszts geforderte Spezialprävention findet ihren Ausdruck in der Formulierung, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dienen solle. Sowohl die aktuellen Diskussionen über die Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung (vgl.: BVerfG, 2 BvR 2029/01 vom 5.2.2004/ BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom 4.5.2011/ EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, 19359/04) in Deutschland, als auch das in über 25 US Bundesstaaten geltende „Three Strikes“ Gesetz  erinnern an von Liszts Vorschläge zum Umgang mit „unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern“.
== Literatur ==
== Literatur ==
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