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[[Bild: Cesare_Lombroso.jpg|thumb|Foto eines zeitgenössischen Ölbildes des Psychiaters Cesare Lombroso]] | [[Bild: Cesare_Lombroso.jpg|thumb|Foto eines zeitgenössischen Ölbildes des Psychiaters Cesare Lombroso]] | ||
'''Cesare Lombroso''' (* | Der Rechtsmediziner und Psychiater '''Cesare Lombroso''' (* 06.11.1835 in Verona; † 19.10.1909 in Turin) begründete die [[Kriminalanthropologie]] und war die zentrale Persönlichkeit der "positiven Schule" der Kriminologie - an deren Formierung als einer selbständigen akademischen Disziplin er ebenfalls wesentlichen Anteil hatte. | ||
== Leben == | == Leben == | ||
Lombroso wurde am 6.11.1835 Verona in eine jüdische Familie hineingeboren. Er studierte in Padua, Wien und Paris und wurde 1862 Professor in Pavia, ab 1876 war er Professor in Turin. Wie [[Auguste Comte]], in dessen Tradition er | Lombroso wurde am 6.11.1835 Verona in eine jüdische Familie hineingeboren. Er studierte in Padua, Wien und Paris und wurde 1862 Professor in Pavia, ab 1876 war er Professor in Turin. Wie [[Auguste Comte]], in dessen Tradition er stand, betonte er biologische Ursachen für Geisteskrankheiten. Die theoretischen Ergebnisse seiner Studien besagten zudem, dass diejenigen Bevölkerungsteile, die sich kriminell betätigten, auch besonders viele physische, nervöse und mentale Anomalien zeigten, die teilweise auf evolutionäre Rückfälle im Sinne des [[Atavismus]] und teilweise auch auf Degeneration zurückzuführen seien. | ||
Mit seinem 1876 erstmals | Mit seinem 1876 erstmals veröffentlichten Werk ''L´Uomo delinquente'' begründete er eine neue Theorie in der [[Kriminologie]], den Übergang vom Tat- zum [[Strafrecht|Täterstrafrecht]]. Seine Lehre vom ''delinquente nato'' - dem geborenen Verbrecher - war von Anfang an umstritten. Der Kriminelle wird hier als besonderer Typus der Menschheit beschrieben, der in der Mitte des Geisteskranken und des Primitiven stehe. In deutschsprachigen Ländern wurden seine [[Kriminalbiologie|kriminalbiologischen]] Theorien unter der Bezeichnung ''[[Tätertypenlehre]]'' verbreitet. Hier ein Beispiel aus der [http://www.htw-saarland.de/sowi/Studium/studienangebot/sozialpaedagogik/materialien-sp-16-28-abweichendes-verhalten-und-gesellschaftliche-reaktion/cesare-lombroso-1894-auszug-die-physiognomie-der-verbrecher deutschen Übersetzung von 1894 (S. 229-231)]): | ||
„Diebe haben im allgemeinen sehr bewegliche Gesichtszüge und Hände; ihr Auge ist klein, unruhig, oft schielend; die Brauen gefältet und stoßen zusammen; die Nase ist krumm oder stumpf. Der Bart spärlich, das Haar seltener dicht, die Stirn fast immer klein und fliehend, das Ohr oft henkelförmig abstehend (...). | „Diebe haben im allgemeinen sehr bewegliche Gesichtszüge und Hände; ihr Auge ist klein, unruhig, oft schielend; die Brauen gefältet und stoßen zusammen; die Nase ist krumm oder stumpf. Der Bart spärlich, das Haar seltener dicht, die Stirn fast immer klein und fliehend, das Ohr oft henkelförmig abstehend (...). | ||
Die Mörder haben einen glasigen, eisigen, starren Blick, ihr Auge ist bisweilen blutunterlaufen. Die Nase ist groß, oft eine Adler- oder vielmehr Habichtsnase; die Kiefer | Die Mörder haben einen glasigen, eisigen, starren Blick, ihr Auge ist bisweilen blutunterlaufen. Die Nase ist groß, oft eine Adler- oder vielmehr Habichtsnase; die Kiefer | ||
starkknochig, die Ohren lang, die Wangen breit, die Haare gekräuselt, voll und dunkel, der Bart oft spärlich, die Lippen dünn, die Eckzähne groß (...). | starkknochig, die Ohren lang, die Wangen breit, die Haare gekräuselt, voll und dunkel, der Bart oft spärlich, die Lippen dünn, die Eckzähne groß (...). | ||
Im allgemeinen sind bei Verbrechern von Geburt die Ohren henkelförmig, das Haupthaar voll, der Bart spärlich, die Stirnhöhlen gewölbt, die Kinnlade enorm, das Kinn viereckig oder hervorragend, die Backenknochen breit – kurz ein mongolischer oder bisweilen negerähnlicher Typus vorhanden“ | Im allgemeinen sind bei Verbrechern von Geburt die Ohren henkelförmig, das Haupthaar voll, der Bart spärlich, die Stirnhöhlen gewölbt, die Kinnlade enorm, das Kinn viereckig oder hervorragend, die Backenknochen breit – kurz ein mongolischer oder bisweilen negerähnlicher Typus vorhanden“ | ||
Die direkte Verwandtschaft zu den aggressiveren, nicht kulturell domestizierten Vorfahren des heutigen Menschen trete bei manchen Personen in ihren körperlichen Merkmalen offen zutage, so Lombrosos These. Eine bestimmte Schädelform oder zusammengewachsene Augenbrauen sind damit der Verweis auf eine atavistische - damit niedrigere und gewalttätigere - Entwicklungsstufe. Damit deuten äußere Merkmale auf die tief verwurzelten Anlagen zum Verbrecher hin, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können. | Die direkte Verwandtschaft zu den aggressiveren, nicht kulturell domestizierten Vorfahren des heutigen Menschen trete bei manchen Personen in ihren körperlichen Merkmalen offen zutage, so Lombrosos These. Eine bestimmte Schädelform oder zusammengewachsene Augenbrauen sind damit der Verweis auf eine atavistische - damit niedrigere und gewalttätigere - Entwicklungsstufe. Damit deuten äußere Merkmale auf die tief verwurzelten Anlagen zum Verbrecher hin, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können. |