Opportunitätsprinzip: Unterschied zwischen den Versionen

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1. Im strafrechtlichen Bereich stellt das Opportunitätsprinzip als Ausnahme vom ''Legalitätsprinzip'' die Entscheidung, ob wegen einer Straftat eingeschritten werden soll, in das ''Ermessen'' der Staatsanwaltschaft. Das Opportunitätsprinzip räumt der Staatsanwaltschaft keinen Freiraum willkürlichen Verfolgens oder Nichtverfolgens ein, sondern befreit die Strafverfolgungsorgane nur in gesetzlich eigens genannten Fällen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen von der strikten Durchführung des Legalitätsprinzips.Bei Vergehen ( § 12 Abs. 2 <nowiki>StGB</nowiki> ) kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (§ 153 Abs. 1 Satz 1 <nowiki>StPO</nowiki>). Der Zustimmung des Gerichts bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind ( § 153 Abs. 1 S. 2 <nowiki>StPO</nowiki> ). Ist Anklage erhoben, entscheidet über die Einstellung das Gericht, das aber der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten bedarf ( § 153 Abs. 2 <nowiki>StPO</nowiki> ). Der Beschluss, der auch in der Berufungs- oder Revisionsinstanz ergehen kann, ist grundsätzlich nicht anfechtbar ( außer bei Verfahrensmängeln ). Er verbraucht die Strafklage, so dass das Verfahren nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel aufgenommen werden kann. Eine vorläufige Einstellung ist vor oder nach Anklageerhebung in Verbindung mit Auflagen oder Weisungen zulässig, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153 a <nowiki>StPO</nowiki>). Bei Straftaten, bei denen das Gericht nach dem Strafgesetz von Strafe absehen kann, besteht die Möglichkeit bei Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Gericht ebenfalls von der Anklageerhebung abzusehen bzw. mit Zustimmung des Angeschuldigten das Verfahren einzustellen (§ 153 b <nowiki>StPO</nowiki>). Bei Jugendlichen kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Strafe absehen (teilweise ist die Zustimmung des Jugendrichters erforderlich), wenn an Stelle einer Bestrafung bestimmte Auflagen treten sollen. Nach Anklageerhebung kann der Jugendrichter das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen (§§ 45, 47 JGG). Im Privatklageverfahren entscheidet über die Einstellung wegen Geringfügigkeit das Gericht (§ 383 Abs. 2 <nowiki>StPO</nowiki>). In Bußgeldverfahren entscheidet die Verwaltungsbehörde, solange das Verfahren bei ihr anhängig ist ( §§ 47, 56 Abs. 4 OWIG). Bei unwesentlichen Nebendelikten, die neben anderen zur Aburteilung gestellten oder bereits abgeurteilten Straftaten nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, kann die Staatsanwaltschaft im Hauptverfahren beantragen, das Verfahren vorbehaltlich der Wiederaufnahme (etwa nach Freispruch wegen der anderen Tat) vorläufig einzustellen. In ähnlicher Weise kann das Strafverfahren auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen beschränkt werden ( §§ 154, 154 a <nowiki>StPO</nowiki> ). Ist eine Nötigung oder Erpressung ( §§ 240, 253 des Strafgesetzbuches ) durch die Drohung begangen worden, eine Straftat zu offenbaren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Tat, deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist ( § 154 c <nowiki>StPO</nowiki> ). Das Opportunitätsprinzip gilt ferner bei Auslandstaten, insbesondere wenn aufgrund der Tat im Ausland bereits eine Strafe vollstreckt worden ist ( § 153 c <nowiki>StPO</nowiki> ). Es kommt auch dann zum tragen, wenn der Beschuldigte wegen derselben oder einer anderen Tat zur Strafverfolgung an das Ausland ausgeliefert oder wenn er ausgewiesen wird ( § 154 b <nowiki>StPO</nowiki> ). Bei leichteren Staatsschutzdelikten kann der Generalbundesanwalt von der Strafverfolgung absehen, wenn die Durchführung des Verfahrens geeignet ist der Bundesrepublik schwere Nachteile zuzufügen oder sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen ( § 153 d <nowiki>StPO</nowiki> ). Zudem ist es dem Generalbundesanwalt bei einer Vielzahl von Fällen möglich, mit Zustimmung des betreffenden Oberlandesgerichts das Verfahren nach § 153 e <nowiki>StPO</nowiki> einzustellen, wenn der Täter nach der Tat, aber vor deren Entdeckung in tätiger Reue dazu beigetragen hat, eine Gefahr für Bestand oder Sicherheit der Bundesrepublik oder ihre verfassungsmäßige Ordnung abzuwenden ( z.B. durch Aufdecken staatsgefährdender Bestrebungen ).
#Im strafrechtlichen Bereich stellt das Opportunitätsprinzip als Ausnahme vom ''Legalitätsprinzip'' die Entscheidung, ob wegen einer Straftat eingeschritten werden soll, in das ''Ermessen'' der Staatsanwaltschaft. Das Opportunitätsprinzip räumt der Staatsanwaltschaft keinen Freiraum willkürlichen Verfolgens oder Nichtverfolgens ein, sondern befreit die Strafverfolgungsorgane nur in gesetzlich eigens genannten Fällen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen von der strikten Durchführung des Legalitätsprinzips.Bei Vergehen ( § 12 Abs. 2 <nowiki>StGB</nowiki> ) kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (§ 153 Abs. 1 Satz 1 <nowiki>StPO</nowiki>). Der Zustimmung des Gerichts bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind ( § 153 Abs. 1 S. 2 <nowiki>StPO</nowiki> ). Ist Anklage erhoben, entscheidet über die Einstellung das Gericht, das aber der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten bedarf ( § 153 Abs. 2 <nowiki>StPO</nowiki> ). Der Beschluss, der auch in der Berufungs- oder Revisionsinstanz ergehen kann, ist grundsätzlich nicht anfechtbar ( außer bei Verfahrensmängeln ). Er verbraucht die Strafklage, so dass das Verfahren nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel aufgenommen werden kann. Eine vorläufige Einstellung ist vor oder nach Anklageerhebung in Verbindung mit Auflagen oder Weisungen zulässig, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153 a <nowiki>StPO</nowiki>). Bei Straftaten, bei denen das Gericht nach dem Strafgesetz von Strafe absehen kann, besteht die Möglichkeit bei Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Gericht ebenfalls von der Anklageerhebung abzusehen bzw. mit Zustimmung des Angeschuldigten das Verfahren einzustellen (§ 153 b <nowiki>StPO</nowiki>). Bei Jugendlichen kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Strafe absehen (teilweise ist die Zustimmung des Jugendrichters erforderlich), wenn an Stelle einer Bestrafung bestimmte Auflagen treten sollen. Nach Anklageerhebung kann der Jugendrichter das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen (§§ 45, 47 JGG). Im Privatklageverfahren entscheidet über die Einstellung wegen Geringfügigkeit das Gericht (§ 383 Abs. 2 <nowiki>StPO</nowiki>). In Bußgeldverfahren entscheidet die Verwaltungsbehörde, solange das Verfahren bei ihr anhängig ist ( §§ 47, 56 Abs. 4 OWIG). Bei unwesentlichen Nebendelikten, die neben anderen zur Aburteilung gestellten oder bereits abgeurteilten Straftaten nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, kann die Staatsanwaltschaft im Hauptverfahren beantragen, das Verfahren vorbehaltlich der Wiederaufnahme (etwa nach Freispruch wegen der anderen Tat) vorläufig einzustellen. In ähnlicher Weise kann das Strafverfahren auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen beschränkt werden ( §§ 154, 154 a <nowiki>StPO</nowiki> ). Ist eine Nötigung oder Erpressung ( §§ 240, 253 des Strafgesetzbuches ) durch die Drohung begangen worden, eine Straftat zu offenbaren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Tat, deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist ( § 154 c <nowiki>StPO</nowiki> ). Das Opportunitätsprinzip gilt ferner bei Auslandstaten, insbesondere wenn aufgrund der Tat im Ausland bereits eine Strafe vollstreckt worden ist ( § 153 c <nowiki>StPO</nowiki> ). Es kommt auch dann zum tragen, wenn der Beschuldigte wegen derselben oder einer anderen Tat zur Strafverfolgung an das Ausland ausgeliefert oder wenn er ausgewiesen wird ( § 154 b <nowiki>StPO</nowiki> ). Bei leichteren Staatsschutzdelikten kann der Generalbundesanwalt von der Strafverfolgung absehen, wenn die Durchführung des Verfahrens geeignet ist der Bundesrepublik schwere Nachteile zuzufügen oder sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen ( § 153 d <nowiki>StPO</nowiki> ). Zudem ist es dem Generalbundesanwalt bei einer Vielzahl von Fällen möglich, mit Zustimmung des betreffenden Oberlandesgerichts das Verfahren nach § 153 e <nowiki>StPO</nowiki> einzustellen, wenn der Täter nach der Tat, aber vor deren Entdeckung in tätiger Reue dazu beigetragen hat, eine Gefahr für Bestand oder Sicherheit der Bundesrepublik oder ihre verfassungsmäßige Ordnung abzuwenden ( z.B. durch Aufdecken staatsgefährdender Bestrebungen ).


2. Im Bereich der Verwaltung besagt das Opportunitätsprinzip, dass eine Behörde nach ihrem ''Ermessen'' handeln darf. Das Opportunitätsprinzip steht dem Grundsatz der __Gesetzmäßigkeit__ der Verwaltung gegenüber. Es war früher das beherrschende Prinzip der öffentlichen Verwaltung, ist aber durch die ausgedehnte Verwaltungsgesetzgebung des modernen Rechtsstaates, der sich um möglichst genaue Festlegung der öffentlichen Aufgaben und Befugnisse bemüht, zurückgedrängt worden. Das Opportunitätsprinzip gilt, soweit für ein Gebiet gesetzliche Regelungen überhaupt nicht bestehen oder das Gesetz das Handeln der Behörde ihrem Ermessen überlässt. So sind beispielsweise die Polizei- und die Ordnungsbehörden zu einem Eingreifen gegen den Störer berechtigt, aber grundsätzlich nicht verpflichtet. Sie entscheiden hierüber nach pflichtgemäßen Ermessen. Soweit das Opportunitätsprinzip gilt, hat ein Dritter grundsätzlich keinen Anspruch auf ein Handeln der Behörde. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht jedoch ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, das sich in Ausnahmefällen zu einem Anspruch auf ein bestimmtes Tätigwerden der Behörden verdichten kann.
#Im Bereich der Verwaltung besagt das Opportunitätsprinzip, dass eine Behörde nach ihrem ''Ermessen'' handeln darf. Das Opportunitätsprinzip steht dem Grundsatz der __Gesetzmäßigkeit__ der Verwaltung gegenüber. Es war früher das beherrschende Prinzip der öffentlichen Verwaltung, ist aber durch die ausgedehnte Verwaltungsgesetzgebung des modernen Rechtsstaates, der sich um möglichst genaue Festlegung der öffentlichen Aufgaben und Befugnisse bemüht, zurückgedrängt worden. Das Opportunitätsprinzip gilt, soweit für ein Gebiet gesetzliche Regelungen überhaupt nicht bestehen oder das Gesetz das Handeln der Behörde ihrem Ermessen überlässt. So sind beispielsweise die Polizei- und die Ordnungsbehörden zu einem Eingreifen gegen den Störer berechtigt, aber grundsätzlich nicht verpflichtet. Sie entscheiden hierüber nach pflichtgemäßen Ermessen. Soweit das Opportunitätsprinzip gilt, hat ein Dritter grundsätzlich keinen Anspruch auf ein Handeln der Behörde. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht jedoch ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, das sich in Ausnahmefällen zu einem Anspruch auf ein bestimmtes Tätigwerden der Behörden verdichten kann.


====Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit verwendet ?====
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