Kriminalgeographie: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Verwandte Begriffe'''
'''Verwandte Begriffe'''


Die Bezeichnungen Kriminalitätsgeographie oder Kriminalökologie werden häufig mit dem Terminus Kriminalgeographie gleichgesetzt. Die Ursache hierfür liegt darin, dass im deutschen Sprachraum häufig von Kriminalitätsgeographie gesprochen wird, während in angelsächsischen Ländern der Begriff der ecology üblich ist. ??? ist der Auffassung, dass man die Bezeichnungen Kriminalitätsgeographie und Kriminalökologie als engere Unterbegriffe der Kriminalgeographie verstehen kann. Während sich die Kriminalitätsgeographie weitestgehend auf die Darstellung der räumlichen Verteilung der Kriminalität beschränkt, handelt es sich bei der Kriminalökologie um einen Teilbereich der Sozialökologie, deren Aufgabe es ist, die kriminologisch relevanten Sozialstrukturen in Beziehung zur örtlichen Umgebung zu setzen.
Die Bezeichnungen Kriminalitätsgeographie oder Kriminalökologie werden häufig mit dem Terminus Kriminalgeographie gleichgesetzt. Die Ursache hierfür liegt darin, dass im deutschen Sprachraum häufig von Kriminalitätsgeographie gesprochen wird, während in angelsächsischen Ländern der Begriff der ecology üblich ist. KAISER (1993) ist der Auffassung, dass man die Bezeichnungen Kriminalitätsgeographie und Kriminalökologie als engere Unterbegriffe der Kriminalgeographie verstehen kann. Während sich die Kriminalitätsgeographie weitestgehend auf die Darstellung der räumlichen Verteilung der Kriminalität beschränkt, handelt es sich bei der Kriminalökologie um einen Teilbereich der Sozialökologie, deren Aufgabe es ist, die kriminologisch relevanten Sozialstrukturen in Beziehung zur örtlichen Umgebung zu setzen.


'''Praxisrelevanz'''
'''Praxisrelevanz'''


Nach Schwind besitzt die Kriminalitätsgeographie nach der hier dargestellten Definition besondere Praxisrelevanz, „jedenfalls dürfte es heute kaum noch einen Polizeipräsidenten geben, der die Kriminalitätsverteilung nicht (zumindest) auf (Gitter-) Karten einzeichnen lässt, um sie besser beobachten zu können“. (SCHWIND ???). Moderne computergeographische Programme machen es möglich, auf der Basis polizeilicher Daten und Karten Auskünfte nicht nur über räumliche Konzentrationen von Kriminalitätsaufkommen, sondern auch über die Wirkung örtlicher Kriminalitätsbekämpfung (z.B. Verdrängungs- und Verlagerungseffekte) zu erlangen. Wie oben bereits angeführt machte sich HEROLD als Polizeipräsident in Nürnberg die Ergebnisse derartiger Darstellungsweisen zunutze, um die Organisation des Nürnberger Streifendienstes umzustrukturieren. Da seine Ergebnisse aus Nürnberg denen des Zonenmodells entsprachen, ordnete er die Rückkehr zum ausschließlichen Streifendienst in der City, die Beibehaltung des kombinierten Fahr- und Fußstreifendienstes in der Mittelzone und die Einführung von reinen Fahrstreifen in den Randzonen an. Inzwischen ist die Verteilung der Kriminalität in vielen Kommunen Grundlage für die Organisation der Polizei.<br>
Nach Schwind besitzt die Kriminalitätsgeographie nach der hier dargestellten Definition besondere Praxisrelevanz, „jedenfalls dürfte es heute kaum noch einen Polizeipräsidenten geben, der die Kriminalitätsverteilung nicht (zumindest) auf (Gitter-) Karten einzeichnen lässt, um sie besser beobachten zu können“. (SCHWIND 2003, S. 300). Moderne computergeographische Programme machen es möglich, auf der Basis polizeilicher Daten und Karten Auskünfte nicht nur über räumliche Konzentrationen von Kriminalitätsaufkommen, sondern auch über die Wirkung örtlicher Kriminalitätsbekämpfung (z.B. Verdrängungs- und Verlagerungseffekte) zu erlangen. Wie oben bereits angeführt machte sich HEROLD als Polizeipräsident in Nürnberg die Ergebnisse derartiger Darstellungsweisen zunutze, um die Organisation des Nürnberger Streifendienstes umzustrukturieren. Da seine Ergebnisse aus Nürnberg denen des Zonenmodells entsprachen, ordnete er die Rückkehr zum ausschließlichen Streifendienst in der City, die Beibehaltung des kombinierten Fahr- und Fußstreifendienstes in der Mittelzone und die Einführung von reinen Fahrstreifen in den Randzonen an. Inzwischen ist die Verteilung der Kriminalität in vielen Kommunen Grundlage für die Organisation der Polizei.<br>
Neben dem örtlichen Kriminalitätsaufkommen spielt die Ermittlung der Tatverdächtigenmobilität eine Rolle für die Polizeiarbeit. Einschlägige Untersuchungen hatten zum Ergebnis, dass ein Großteil der Tatverdächtigen in einer Stadt aus einem Umkreis von bis zu 30km stammen, je nach Bedeutung dieser als regionales, wirtschaftliches Zentrum. Nach HEROLD darf sich demnach der Einsatz von Polizeikräften nicht nur auf die Stadt selbst beschränken. Die Dunkelfeldforschung schließlich gibt nach Ansicht Schwinds Aufschluss darüber, ob die Polizeireviere einer Kommune geographisch sinnvoll verteilt sind. Der sozialökologische Ansatz in der Kriminalgeographie bietet Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Raumstrukturen und Kriminalität. Bedeutsam kann dies für die Stadtplanung und -entwicklung sein. Zwar gibt es keine direkte Verbindung zwischen Baustruktur und kriminellem Verhalten, jedoch kann die Sozialstruktur durch Bebauung und Bausubstanz beeinflusst werden. Grund hierfür ist die räumliche Segregation, die ihre Ursache in den freien Wohnungsmärkten findet. Sozial schwächere Gruppen unterliegen z.B. größeren Restriktionen bei der Wahl ihres Wohnstandortes. Aufgrund geringerer ökonomischer Mittel spielen in erster Linie die Mieten eine Rolle bei der Wohnortentscheidung. Dabei handelt es sich letztendlich um Wohnungen mit schlechtem Altbaubestand und niedrigem Wohnkomfort. Untersuchungen zu Großwohnsiedlungen beispielsweise zeigen, dass sich insbesondere diesen Bereichen Mieter konzentrieren, die in vielfältiger Weise gesellschaftlich benachteiligt sind. Während diese Siedlungsform in den 60ern unter den mittelständischen Mietern sehr beliebt war, führte der filtering-down-Prozess (die im Zeitverlauf sinkende Qualität des Wohnungsbestandes eines Gebietes) und die Sanierung der Altbaubestände in zentrumsnahen Wohngebieten ab den 80er Jahren dazu, dass Mieter gehobenerer Einkommensklassen in andere Ortsteile zogen, während die unteren Einkommensschichten zurück blieben. Besser Gestellte ziehen demnach bei ihrer Wohnortwahl in erster Linie Kriterien heran, die dem Wunsch nach Lebensstilentfaltung entsprechen (Familien ziehen ins Grüne, die kinderlose junge Mittelschicht in sanierte Altbauten etc.). Wichtige Erkenntnis der Kriminalökologie im Zusammenhang mit diesen Prozessen ist es, dass überproportional viele Tatverdächtige in solchen Gebieten wohnen, in denen die Sozialstruktur ungünstig ist. Die Ermöglichung der besseren Durchmischung der sozialen Schichten und die Schaffung von defensible spaces (s.o.) ist dementsprechend zu einem Ziel der Stadtplanung avanciert.<br>
Neben dem örtlichen Kriminalitätsaufkommen spielt die Ermittlung der Tatverdächtigenmobilität eine Rolle für die Polizeiarbeit. Einschlägige Untersuchungen hatten zum Ergebnis, dass ein Großteil der Tatverdächtigen in einer Stadt aus einem Umkreis von bis zu 30km stammen, je nach Bedeutung dieser als regionales, wirtschaftliches Zentrum. Nach HEROLD darf sich demnach der Einsatz von Polizeikräften nicht nur auf die Stadt selbst beschränken. Die Dunkelfeldforschung schließlich gibt nach Ansicht Schwinds Aufschluss darüber, ob die Polizeireviere einer Kommune geographisch sinnvoll verteilt sind. Der sozialökologische Ansatz in der Kriminalgeographie bietet Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Raumstrukturen und Kriminalität. Bedeutsam kann dies für die Stadtplanung und -entwicklung sein. Zwar gibt es keine direkte Verbindung zwischen Baustruktur und kriminellem Verhalten, jedoch kann die Sozialstruktur durch Bebauung und Bausubstanz beeinflusst werden. Grund hierfür ist die räumliche Segregation, die ihre Ursache in den freien Wohnungsmärkten findet. Sozial schwächere Gruppen unterliegen z.B. größeren Restriktionen bei der Wahl ihres Wohnstandortes. Aufgrund geringerer ökonomischer Mittel spielen in erster Linie die Mieten eine Rolle bei der Wohnortentscheidung. Dabei handelt es sich letztendlich um Wohnungen mit schlechtem Altbaubestand und niedrigem Wohnkomfort. Untersuchungen zu Großwohnsiedlungen beispielsweise zeigen, dass sich insbesondere diesen Bereichen Mieter konzentrieren, die in vielfältiger Weise gesellschaftlich benachteiligt sind. Während diese Siedlungsform in den 60ern unter den mittelständischen Mietern sehr beliebt war, führte der filtering-down-Prozess (die im Zeitverlauf sinkende Qualität des Wohnungsbestandes eines Gebietes) und die Sanierung der Altbaubestände in zentrumsnahen Wohngebieten ab den 80er Jahren dazu, dass Mieter gehobenerer Einkommensklassen in andere Ortsteile zogen, während die unteren Einkommensschichten zurück blieben. Besser Gestellte ziehen demnach bei ihrer Wohnortwahl in erster Linie Kriterien heran, die dem Wunsch nach Lebensstilentfaltung entsprechen (Familien ziehen ins Grüne, die kinderlose junge Mittelschicht in sanierte Altbauten etc.). Wichtige Erkenntnis der Kriminalökologie im Zusammenhang mit diesen Prozessen ist es, dass überproportional viele Tatverdächtige in solchen Gebieten wohnen, in denen die Sozialstruktur ungünstig ist. Die Ermöglichung der besseren Durchmischung der sozialen Schichten und die Schaffung von defensible spaces (s.o.) ist dementsprechend zu einem Ziel der Stadtplanung avanciert.<br>
Ein kriminalökologisch-kriminalitätsgeographischer Ansatz in der Praxis, der sowohl das Hellfeld als auch das Dunkelfeld berücksichtigt ist die kriminologische Regionalanalyse, die inzwischen in vielen deutschen Kommunen fortschreibend durchgeführt wird. Die KRA gilt als ein Instrument zur Messung und Analyse von Kriminalität im regionalen Bereich. Diese soll nicht nur eine reine Beschreibung der räumlichen Kriminalitätsverteilung liefern, sondern auch eine Analyse von Ursachen von Kriminalität auf der Stadtteil- und Quartiersebene. Ziel ist es delinquency areas zu ermitteln, um dann ressortübergreifende Maßnahmen kommunaler Kriminalprävention auf lokaler Basis zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei die Ermittlung des objektiven Kriminalitätslagebildes mit der regionalen Verteilung unterschiedlicher Deliktarten, Täterwohnsitzen, Viktimisierungsquoten usw. und die Erfassung des subjektiven Sicherheitsgefühls, welche Teil der Dunkelfeldforschung ist. Diese deskriptiven Ergebnisse werden dann in Beziehung zur wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Raumes gesetzt. Oft bleibt es jedoch bei einer reiner Beschreibung dieser Aspekte. Die KRA ist heute in zahlreichen Städten die Basis für die Erarbeitung und Weiterführung von kommunalen Kriminalpräventionskonzepten. Die örtliche Polizei nutzt die Ergebnisse vorwiegend als Handlungsgrundlage zur Optimierung der Einsatzkräfte und zum Aufbau von ressortübergreifenden Präventionszusammenschlüssen.<br>
Ein kriminalökologisch-kriminalitätsgeographischer Ansatz in der Praxis, der sowohl das Hellfeld als auch das Dunkelfeld berücksichtigt ist die kriminologische Regionalanalyse, die inzwischen in vielen deutschen Kommunen fortschreibend durchgeführt wird. Die KRA gilt als ein Instrument zur Messung und Analyse von Kriminalität im regionalen Bereich. Diese soll nicht nur eine reine Beschreibung der räumlichen Kriminalitätsverteilung liefern, sondern auch eine Analyse von Ursachen von Kriminalität auf der Stadtteil- und Quartiersebene. Ziel ist es delinquency areas zu ermitteln, um dann ressortübergreifende Maßnahmen kommunaler Kriminalprävention auf lokaler Basis zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei die Ermittlung des objektiven Kriminalitätslagebildes mit der regionalen Verteilung unterschiedlicher Deliktarten, Täterwohnsitzen, Viktimisierungsquoten usw. und die Erfassung des subjektiven Sicherheitsgefühls, welche Teil der Dunkelfeldforschung ist. Diese deskriptiven Ergebnisse werden dann in Beziehung zur wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Raumes gesetzt. Oft bleibt es jedoch bei einer reiner Beschreibung dieser Aspekte. Die KRA ist heute in zahlreichen Städten die Basis für die Erarbeitung und Weiterführung von kommunalen Kriminalpräventionskonzepten. Die örtliche Polizei nutzt die Ergebnisse vorwiegend als Handlungsgrundlage zur Optimierung der Einsatzkräfte und zum Aufbau von ressortübergreifenden Präventionszusammenschlüssen.<br>
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