Stalking: Unterschied zwischen den Versionen

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Es sind zwar noch keine gesicherten ‚Theorien des Stalkings’ vorhanden, dennoch gehen Experten davon aus, dass viele unterschiedliche Einflussfaktoren dieses Verhalten begünstigen. Besonders wichtig sind dabei folgende Faktoren:
Es sind zwar noch keine gesicherten ‚Theorien des Stalkings’ vorhanden, dennoch gehen Experten davon aus, dass viele unterschiedliche Einflussfaktoren dieses Verhalten begünstigen. Besonders wichtig sind dabei folgende Faktoren:


'''===Technische Entwicklung==='''
===Technische Entwicklung===
Durch technologische Modernisierung und Entwicklung von neuen Kommunikationsmitteln wird das Stalkingverhalten begünstigt. Handy, Fax und E-Mails geben dem Täter effektive Möglichkeiten, schnellen Kontakt zu seinem Opfer herzustellen, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Das Internet hilft dem Täter, an wichtige Informationen zu gelangen und gleichzeitig anonym zu operieren. Eine verbesserte Infrastruktur und die größere Mobilität der Gesellschaft erleichtern es einem Stalker, sein Opfer uneingeschränkt verfolgen zu können.  
Durch technologische Modernisierung und Entwicklung von neuen Kommunikationsmitteln wird das Stalkingverhalten begünstigt. Handy, Fax und E-Mails geben dem Täter effektive Möglichkeiten, schnellen Kontakt zu seinem Opfer herzustellen, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Das Internet hilft dem Täter, an wichtige Informationen zu gelangen und gleichzeitig anonym zu operieren. Eine verbesserte Infrastruktur und die größere Mobilität der Gesellschaft erleichtern es einem Stalker, sein Opfer uneingeschränkt verfolgen zu können.  


'''===Enttraditionalisierung==='''
===Enttraditionalisierung===
Enttraditionalisierung meint den Verlust von unstrittig akzeptierten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Koordinaten in der westlichen Gesellschaft. Damit der Mensch in einem Umfeld der Orientierungslosigkeit sein Leben zur eigenen Zufriedenheit gestalten kann, muss er über gut funktionierende soziale Netzwerke verfügen. Damit diese erreicht werden können, benötigt er zentrale Fähigkeiten („soziale Beziehungsfähigkeit“, „kommunikative Kompetenzen“). Ob diese Fähigkeiten ausreichend bei einer Person vorhanden sind, bemisst sich an dem Kriterium der Anerkennung durch das Umfeld. Es ist davon auszugehen, dass Stalker zu denjenigen Menschen gehören, die nicht über diese Qualifikationen und Ressourcen verfügen, deren Identitätsarbeit fehlerhaft verlaufen ist und die deswegen ihren Wunsch nach sozialen Beziehungen und Kontakten durch anderes, auffälliges Verhalten zu erreichen versuchen. Wissenschaftlich erwiesen ist bislang nicht, ob ein chronisches Versagen in sozialen und sexuellen Beziehungen im frühen Erwachsenenalter eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Stalking ist.  
Enttraditionalisierung meint den Verlust von unstrittig akzeptierten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Koordinaten in der westlichen Gesellschaft. Damit der Mensch in einem Umfeld der Orientierungslosigkeit sein Leben zur eigenen Zufriedenheit gestalten kann, muss er über gut funktionierende soziale Netzwerke verfügen. Damit diese erreicht werden können, benötigt er zentrale Fähigkeiten („soziale Beziehungsfähigkeit“, „kommunikative Kompetenzen“). Ob diese Fähigkeiten ausreichend bei einer Person vorhanden sind, bemisst sich an dem Kriterium der Anerkennung durch das Umfeld. Es ist davon auszugehen, dass Stalker zu denjenigen Menschen gehören, die nicht über diese Qualifikationen und Ressourcen verfügen, deren Identitätsarbeit fehlerhaft verlaufen ist und die deswegen ihren Wunsch nach sozialen Beziehungen und Kontakten durch anderes, auffälliges Verhalten zu erreichen versuchen. Wissenschaftlich erwiesen ist bislang nicht, ob ein chronisches Versagen in sozialen und sexuellen Beziehungen im frühen Erwachsenenalter eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Stalking ist.  
(weiterführende Literatur zu Enttraditionalisierung / Individualisierung u.a. Ulrich Beck,  
(weiterführende Literatur zu Enttraditionalisierung / Individualisierung u.a. Ulrich Beck,  
Georg Simmel)
Georg Simmel)


'''===Entritualisierung==='''
===Entritualisierung===
Unter Ritualen versteht man standardisierte, immer in ähnlicher Form ablaufende, soziale Verhaltensweisen. Sie sind kollektiv formulierte Bewältigungsmechanismen für Bedrohliches oder Unbekanntes. Fallen sie weg oder verändern sie sich zu sehr, entsteht beim Mensch Unsicherheit und Desorientierung (Ritualunsicherheit). Stalking scheint mit diesem Entritualisierungsprozess verbunden zu sein. Insbesondere die Rituale zum Knüpfen von zwischenmenschlichen Kontakten, Partnerwahl und zum Werben für das andere Geschlecht haben sich stark verändert. Auf Grund dieser starken Verunsicherung kann es dazu kommen, dass geschlechtsspezifische Hemmschwellen wegfallen und sich so eine Stalkerpersönlichkeit herauskristallisiert. Stalker sind Personen, die das Wechselspiel der taktvollen, erotischen Beziehungsaufnahme nur beschränkt beherrschen.
Unter Ritualen versteht man standardisierte, immer in ähnlicher Form ablaufende, soziale Verhaltensweisen. Sie sind kollektiv formulierte Bewältigungsmechanismen für Bedrohliches oder Unbekanntes. Fallen sie weg oder verändern sie sich zu sehr, entsteht beim Mensch Unsicherheit und Desorientierung (Ritualunsicherheit). Stalking scheint mit diesem Entritualisierungsprozess verbunden zu sein. Insbesondere die Rituale zum Knüpfen von zwischenmenschlichen Kontakten, Partnerwahl und zum Werben für das andere Geschlecht haben sich stark verändert. Auf Grund dieser starken Verunsicherung kann es dazu kommen, dass geschlechtsspezifische Hemmschwellen wegfallen und sich so eine Stalkerpersönlichkeit herauskristallisiert. Stalker sind Personen, die das Wechselspiel der taktvollen, erotischen Beziehungsaufnahme nur beschränkt beherrschen.


'''===Bindungstheorie==='''
===Bindungstheorie===
Die Bindungstheorie beschreibt die außerordentliche Wichtigkeit des emotionalen Verhältnisses, das zwischen einem Säugling/Kind und dessen primärer Bezugsperson herrscht. Eine stabile und liebevolle Bindung zu einer Person ist für das Kind wesens- und handlungsbestimmend im Hinblick auf eine ‚gesunde’ emotionale, soziale Entwicklung und für die spätere eigene Bindungsfähigkeit und – qualität. Bekommt ein Kind nicht die nötige Sicherheit und Stabilität, kann dies zu emotionalen Fehlbildungen führen.  
Die Bindungstheorie beschreibt die außerordentliche Wichtigkeit des emotionalen Verhältnisses, das zwischen einem Säugling/Kind und dessen primärer Bezugsperson herrscht. Eine stabile und liebevolle Bindung zu einer Person ist für das Kind wesens- und handlungsbestimmend im Hinblick auf eine ‚gesunde’ emotionale, soziale Entwicklung und für die spätere eigene Bindungsfähigkeit und – qualität. Bekommt ein Kind nicht die nötige Sicherheit und Stabilität, kann dies zu emotionalen Fehlbildungen führen.  
Man geht davon aus, dass Stalker in diesem Lebensabschnitt, in dem die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit erlernt wird, negative Erfahrungen gemacht haben.  
Man geht davon aus, dass Stalker in diesem Lebensabschnitt, in dem die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit erlernt wird, negative Erfahrungen gemacht haben.  
Über die Hälfte der Stalker weisen starke Bindungsproblematiken auf. Der Stalker ist auf der Suche nach einer festen Bindung, bei der er immer wieder versucht, einer Elternfigur ähnlichen Person nahe zu kommen und gleichzeitig Abstand hält aus Angst vor Zurückweisung und Enttäuschung. Diese Theorie erklärt, warum Stalking in vielen Fällen zu einer gewalttätigen Eskalation führt. Die negativen Gefühle der Trauer, Wut und Angst, die ein Stalker durch die gestörte Bindung seit seiner Kindheit verinnerlicht hat, brechen bei dem geringsten Gefühl der Zurückweisung massiv aus.  
Über die Hälfte der Stalker weisen starke Bindungsproblematiken auf. Der Stalker ist auf der Suche nach einer festen Bindung, bei der er immer wieder versucht, einer Elternfigur ähnlichen Person nahe zu kommen und gleichzeitig Abstand hält aus Angst vor Zurückweisung und Enttäuschung. Diese Theorie erklärt, warum Stalking in vielen Fällen zu einer gewalttätigen Eskalation führt. Die negativen Gefühle der Trauer, Wut und Angst, die ein Stalker durch die gestörte Bindung seit seiner Kindheit verinnerlicht hat, brechen bei dem geringsten Gefühl der Zurückweisung massiv aus.  


'''===Psychodynamische Theorie==='''
===Psychodynamische Theorie===
Bei der psychodynamischen Theorie (entwickelt von Meloy) handelt es sich um ein Modell, das in sechs Stufen die psychischen Beweggründe und das innere Erleben des Stalkers beschreibt und dadurch die Folgeaspekte der Verfolgung und Belästigung zu erklären versucht. Die sechs Stufen sind: narzisstische Vereinigung, Umsetzung der Fantasie in die Tat, narzisstische Wut, Ausleben der Wut, wiederholtes Idealisieren des Opfers.  
Bei der psychodynamischen Theorie (entwickelt von Meloy) handelt es sich um ein Modell, das in sechs Stufen die psychischen Beweggründe und das innere Erleben des Stalkers beschreibt und dadurch die Folgeaspekte der Verfolgung und Belästigung zu erklären versucht. Die sechs Stufen sind: narzisstische Vereinigung, Umsetzung der Fantasie in die Tat, narzisstische Wut, Ausleben der Wut, wiederholtes Idealisieren des Opfers.  
Besonders gefährlich, sieht Meloy, bei einer Stalkinghandlung den extremen Realitätsverlust beim Täter.
Besonders gefährlich, sieht Meloy, bei einer Stalkinghandlung den extremen Realitätsverlust beim Täter.


'''===Psychopathologie==='''
===Psychopathologie===
Eine weitere Ursache, für die Erklärung von Stalking, sind psychiatrische Grunderkrankungen beim Täter. Neben den beim Stalker vermehrt vorkommenden Krankheitsbildern, narzisstische Persönlichkeits- und Borderlinestörung, sind andere Störungen wie Psychosen, Neurosen oder Depressionen nicht auszuschließen.
Eine weitere Ursache, für die Erklärung von Stalking, sind psychiatrische Grunderkrankungen beim Täter. Neben den beim Stalker vermehrt vorkommenden Krankheitsbildern, narzisstische Persönlichkeits- und Borderlinestörung, sind andere Störungen wie Psychosen, Neurosen oder Depressionen nicht auszuschließen.


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*Ritter-Witsch, S.: „Liebesterror im Vorfeld von Kapitaldelikten“ in Hamburger Polizeijournal 12/2002, S. 4-6
*Ritter-Witsch, S.: „Liebesterror im Vorfeld von Kapitaldelikten“ in Hamburger Polizeijournal 12/2002, S. 4-6
*Voß,W. und Hoffmann, J.: „ Zur Phänomenologie und Psychologie des Stalkings“ in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 4-14
*Voß,W. und Hoffmann, J.: „ Zur Phänomenologie und Psychologie des Stalkings“ in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 4-14
*Voß, H-G., Stalking in einer Normalpopulation. Polizei & Wissenschaft 04. Frankfurt.  
*Voß, H-G., Stalking in einer Normalpopulation. Polizei & Wissenschaft 04. Frankfurt. S. 60 -72 (2002)
S. 60 - 72 (2002)
*Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520
*Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520


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