Kriminalprävention im Städtebau: Unterschied zwischen den Versionen

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„'''Kriminal[[prävention]] im Städtebau'''“ (KiS) zielt auf eine Verminderung der Kriminalität und der Furcht vor Kriminalität durch veränderte sozialräumliche Bau-, Gestaltungs- und Nutzungsstrukturen. Dabei wird die Aufgabe, städtebauliche Sicherheit beim Planen, Gestalten oder Sanieren von Wohnquartieren, öffentlichen Räumen, Flächen und Gebäuden zu berücksichtigen, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Bewohnern bzw. Nutzern zu fördern und sozialen Benachteiligungen sowie [[Devianz]], [[Delinquenz]] und [[Kriminalitätsfurcht]] entgegenzuwirken, heute allgemein als multidisziplinäre Herausforderung verstanden. Wirkungsräume städtebaulicher Kriminalprävention sind Stadtplanung, Architektur, Bautechnik, Stadtteil-/Quartiersmanagement, Wohnungsverwaltung, Bewohnerzusammensetzung, Bewohnerintegration, Bewohnerselbstorganisation, lokale Netzwerke sowie Sicherheitsbehörden und –einrichtungen. Der Begriff städtebaulicher Sicherheit umfasst in diesem Zusammenhang nicht nur bauliche und räumlich-gestalterische, sondern auch soziale Aspekte und die Orientierung an allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, an der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, an den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung, an der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen sowie an den sozialen und kulturellen Befürfnissen der Bevölkerung. Dies umfasst Maßnahmen, die die materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie Sozialisationseffekte eines Quartiers oder anderer öffentlicher Räume betreffen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 -3 BauGB). Dazu gehören insbesondere Faktoren wie sozialräumliche und kulturell nachteilige Polarisierung (räumliche Konzentration sozialer Benachteiligung auf Indvidual- und sozialstruktureller Ebene durch Armut bzw. Arbeitslosigkeit), Baustruktur, symbolische Barrieren, Quartiersimage, Mobilität, historische Gesellschaftsentwicklungen, Bautechnik und [[soziale Kontrolle]]. Handlungsebenen in diesem Zusammenhang sind Länder, Kommunen, Stadtteile, Quartiere, Baugebiete, Gebäudekomplexe, Einzelgebäude und schließlich die individuellen Bewohner oder Nutzer.
„'''Kriminal[[prävention]] im Städtebau'''“ (KiS) zielt auf eine Verminderung der Kriminalität und der Furcht vor Kriminalität durch veränderte sozialräumliche Bau-, Gestaltungs- und Nutzungsstrukturen. Dabei wird die Aufgabe, städtebauliche Sicherheit beim Planen, Gestalten oder Sanieren von Wohnquartieren, öffentlichen Räumen, Flächen und Gebäuden zu berücksichtigen, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Bewohnern bzw. Nutzern zu fördern und sozialen Benachteiligungen sowie [[Devianz]], [[Delinquenz]] und [[Kriminalitätsfurcht]] entgegenzuwirken, heute allgemein als multidisziplinäre Herausforderung verstanden. Wirkungsräume städtebaulicher Kriminalprävention sind Stadtplanung, Architektur, Bautechnik, Stadtteil-/Quartiersmanagement, Wohnungsverwaltung, Bewohnerzusammensetzung, Bewohnerintegration, Bewohnerselbstorganisation, lokale Netzwerke sowie Sicherheitsbehörden und –einrichtungen. Der Begriff städtebaulicher Sicherheit umfasst in diesem Zusammenhang nicht nur bauliche und räumlich-gestalterische, sondern auch soziale Aspekte und die Orientierung an allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, an der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, an den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung, an der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen sowie an den sozialen und kulturellen Befürfnissen der Bevölkerung. Dies umfasst Maßnahmen, die die materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie Sozialisationseffekte eines Quartiers oder anderer öffentlicher Räume betreffen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 -3 BauGB). Dazu gehören insbesondere Faktoren wie sozialräumliche und kulturell nachteilige Polarisierung (räumliche Konzentration sozialer Benachteiligung auf Indvidual- und sozialstruktureller Ebene durch Armut bzw. Arbeitslosigkeit), Baustruktur, symbolische Barrieren, Quartiersimage, Mobilität, historische Gesellschaftsentwicklungen, Bautechnik und [[soziale Kontrolle]]. Handlungsebenen in diesem Zusammenhang sind Länder, Kommunen, Stadtteile, Quartiere, Baugebiete, Gebäudekomplexe, Einzelgebäude und schließlich die individuellen Bewohner oder Nutzer.


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===Defensible Space===
===Defensible Space===
Zeitgleich mit Jeffery entwickelte der amerikanische Architekt Oscar Newman '''vier Planungsansätze''' (Territorialität, Natürliche Überwachung, Milieu, Image), die er 1972 in seinem unter dem gleichnamigen Titel seines Buches  `Defensible Space`, veröffentlichte, mit denen die Überschaubarkeit und „Verteidigungsfähigkeit“ des Wohnumfeldes verbessert werden sollte. Defensible Space zielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften, innerhalb der die Bewohner ermutigt werden sollen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Ansatz enthält '''zwei Komponenten''': Erstens sollen Sichtbeziehungen im Raum geschaffen werden, die ein Sehen und Gesehen werden ermöglichen. Zweitens müssen die Menschen bereit sein, zu intervenieren bzw. Taten (der Polizei) mitzuteilen. Rolinski widerlegte die These von Newman. Er kam innerhalb seiner Studien zu Hochhäusern in München (1980: 47) zu dem Ergebnis, dass trotz Fehlens von `Defensible-space-Merkmalen in Hochhäusern (zehn Geschosse und mehr), sich nicht  wesentlich mehr Delikte als in Mehrfamilienhäusern (fünf Geschosse und weniger) mit vorhandenen Defensible-space-Merkmalen ereignen. Er führte dies auf soziologisch bedingte Umstände zurück, die sich in den USA anders als in Deutschland darstellten (1980: 200 ff.).
Zeitgleich mit Jeffery entwickelte der amerikanische Architekt Oscar Newman '''vier Planungsansätze''' (Territorialität, Natürliche Überwachung, Milieu, Image), die er 1972 in seinem unter dem gleichnamigen Titel seines Buches  `Defensible Space`, veröffentlichte, mit denen die Überschaubarkeit und „Verteidigungsfähigkeit“ des Wohnumfeldes verbessert werden sollte. Defensible Space zielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften, innerhalb der die Bewohner ermutigt werden sollen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Ansatz enthält '''zwei Komponenten''': Erstens sollen Sichtbeziehungen im Raum geschaffen werden, die ein Sehen und Gesehen werden ermöglichen. Zweitens müssen die Menschen bereit sein, zu intervenieren bzw. Taten (der Polizei) mitzuteilen. Rolinski widerlegte die These von Newman. Er kam innerhalb seiner Studien zu Hochhäusern in München (1980: 47) zu dem Ergebnis, dass trotz Fehlens von `Defensible-space-Merkmalen in Hochhäusern (zehn Geschosse und mehr), sich nicht  wesentlich mehr Delikte als in Mehrfamilienhäusern (fünf Geschosse und weniger) mit vorhandenen Defensible-space-Merkmalen ereignen. Er führte dies auf soziologisch bedingte Umstände zurück, die sich in den USA anders als in Deutschland darstellten (1980: 200 ff.).
Es gilt als durch die kriminologische Forschung nachgewiesen, dass sowohl spezial- als auch generalpräventive Maßnahmen ihre Grenzen haben, dass weder mit Behandlung und Therapie, noch mit Abschreckung und Repression Kriminalitätsprobleme zu lösen sind und auch die Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit nur bedingt realisierbar ist bzw. oft zu einer räumlichen oder deliktischen Verlagerung von Problemen führt. Die Reduktion von Tatgelegenheiten und individuelles Schutzverhalten führen nicht oder zumindest nicht immer bzw. nicht auf Dauer zu einer echten Reduzierung von Kriminalität. So hat das Konzept "Defensible Space" sich nicht durchsetzen können (vgl. Feltes 2001: 127, 128)




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Die Analyse wird als wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Entwicklung einer Präventionsstrategie für eine Stadt/Gemeinde betrachtet (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16). Wenn die Polizei einmal erkannt habe, dass sie Sicherheit nur in Kooperation mit sozialen und städtebaulichen Einrichtungen erfolgreich bearbeiten kann, dann müsse sie sich auch für eine ebenso breite Kriminalstrukturanalyse öffnen (Stummvoll, 2007).  
Die Analyse wird als wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Entwicklung einer Präventionsstrategie für eine Stadt/Gemeinde betrachtet (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16). Wenn die Polizei einmal erkannt habe, dass sie Sicherheit nur in Kooperation mit sozialen und städtebaulichen Einrichtungen erfolgreich bearbeiten kann, dann müsse sie sich auch für eine ebenso breite Kriminalstrukturanalyse öffnen (Stummvoll, 2007).  


Es gilt als durch die kriminologische Forschung nachgewiesen, dass sowohl spezial- als auch generalpräventive Maßnahmen ihre Grenzen haben, dass weder mit Behandlung und Therapie, noch mit Abschreckung und Repression Kriminalitätsprobleme zu lösen sind und auch die Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit nur bedingt realisierbar ist bzw. oft zu einer räumlichen oder deliktischen Verlagerung von Problemen führt. Die Reduktion von Tatgelegenheiten und individuelles Schutzverhalten führen nicht oder zumindest nicht immer bzw. nicht auf Dauer zu einer echten Reduzierung von Kriminalität. So hat das Konzept "Defensible Space" oder das des "Social Engineering" über Kontrollnetzwerke sich nicht durchsetzen können. Ein kommunales Sicherheitskonzept muss demzufolge ein maßgeschneidertes Sicherheitskonzept sein, ein genaues "Maß-Nehmen", eine Bestandsaufnahme von Problemen, Schwierigkeiten, aber auch Chancen einer bestimmten Kommune (vgl. Feltes 2001: 127, 128).
Ein kommunales Sicherheitskonzept muss ein maßgeschneidertes Sicherheitskonzept sein, ein genaues "Maß-Nehmen", eine Bestandsaufnahme von Problemen, Schwierigkeiten, aber auch Chancen einer bestimmten Kommune (Feltes 2001: 128).


Ob und in welchem Umfang Indikatoren auf [[Kriminalität]] begünstigende Umstände bzw. Benachteiligungen deuten, wird in bestimmten Planungsfällen nach kleinräumigen Analysen  bzw. geografische Kriminalstrukturanalysen in einem  '''kriminalpräventiven Lagebild zur städtebaulichen Kriminalprävention''' - einer erweiterten Form einer  [[Kriminalgeographie]] - dargestellt.
Ob und in welchem Umfang Indikatoren auf [[Kriminalität]] begünstigende Umstände bzw. Benachteiligungen deuten, wird in bestimmten Planungsfällen nach kleinräumigen Analysen  bzw. geografische Kriminalstrukturanalysen in einem  '''kriminalpräventiven Lagebild zur städtebaulichen Kriminalprävention''' - einer erweiterten Form einer  [[Kriminalgeographie]] - dargestellt.
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