Adolphe Quetelet: Unterschied zwischen den Versionen

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== Wirken ==
== Wirken ==
Folgende Aussage Quetelet’s über die Gesetze des [[Verbrechen]]s erschütterten seine Zeitgenossen zutiefst: „Es gibt einen Tribut, den der Mensch regelmäßiger bezahlt als denjenigen, welchen er der Natur oder dem Staatsschatze entrichtet; es ist derjenige, den er dem Verbrechen zollt! – trauriger Zustand des Menschengeschlechtes! Wir können im Voraus aufzählen, wie viele Fälscher, wie viele Giftmischer es geben wird, fast so, wie man im Voraus die Geburten und Todesfälle angeben kann, die einander folgen müssen.“
 




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Durch die statistische Analyse gewann Quetelet Einblick in die Beziehungen zwischen Verbrechen und anderen sozialen Faktoren. Unter seinen Ergebnissen fand er starke Beziehungen zwischen Alter und Verbrechen, sowie Geschlecht und Verbrechen. Andere einflussreiche Faktoren fand er im Klima, Armut, Ausbildung und Alkoholgenuss. Aus einer Aufschlüsselung der Verbrechenszahlen nach dem Alter der Täter gewann Quetelet eine Alterskurve der kriminellen Aktivität, die ihren Gipfel nach raschem Anstieg zwischen dem 20. und dem 25. Lebensjahr erreichte und dann wieder allmählich abfiel. Quetelet fand heraus, dass Männer viermal häufiger Verbrechen begehen als Frauen. Er stellte ausserdem heraus, dass sich der Einfluss der Jahreszeiten besonders deutlich in den Gewaltverbrechen niederschlage. So sind Not und Bedürftigkeit in den kalten Monaten besonders spürbar, was die vielfachen Delikte gegen das Eigentum erklärt. Im Sommer wiederum herscht die Gewalt der Leidenschaft. Laut Quetelet wurde die Rolle der Armut als Verbrechensursache oft überschätzt. Der Mensch wird demnach nicht dadurch zum Verbrecher, weil er wenig besitzt, sondern viel häufiger dadurch, dass er sich unvermittelt vom Wohlstand ins Elend versetzt sieht und nun nicht mehr alle Bedürfnisse befriedigen kann, die er sich zugelegt hatte. Ähnlich wie sich die anthropometrischen Messungen des belgischen Forschers um den "homme moyen" als statistischen Durchschnitt und Vergleichswert gruppieren, ist in den kriminologischen Studien Quetelet's der "penchant au crime", der als statistisch gewonnener Mittelwert die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit eines Individuums, einer Altergruppe oder auch eines Berufstandes ein Verbrechen zu begehen, anzeigt (Verbrechensneigung). Bei dem "penchant au crime handelt es sich um eine bloße Wahrscheinlichkeitsziffer, um einen auf den "homme moyen" bezogenene Durschnittswert.  
Durch die statistische Analyse gewann Quetelet Einblick in die Beziehungen zwischen Verbrechen und anderen sozialen Faktoren. Unter seinen Ergebnissen fand er starke Beziehungen zwischen Alter und Verbrechen, sowie Geschlecht und Verbrechen. Andere einflussreiche Faktoren fand er im Klima, Armut, Ausbildung und Alkoholgenuss. Aus einer Aufschlüsselung der Verbrechenszahlen nach dem Alter der Täter gewann Quetelet eine Alterskurve der kriminellen Aktivität, die ihren Gipfel nach raschem Anstieg zwischen dem 20. und dem 25. Lebensjahr erreichte und dann wieder allmählich abfiel. Quetelet fand heraus, dass Männer viermal häufiger Verbrechen begehen als Frauen. Er stellte ausserdem heraus, dass sich der Einfluss der Jahreszeiten besonders deutlich in den Gewaltverbrechen niederschlage. So sind Not und Bedürftigkeit in den kalten Monaten besonders spürbar, was die vielfachen Delikte gegen das Eigentum erklärt. Im Sommer wiederum herscht die Gewalt der Leidenschaft. Laut Quetelet wurde die Rolle der Armut als Verbrechensursache oft überschätzt. Der Mensch wird demnach nicht dadurch zum Verbrecher, weil er wenig besitzt, sondern viel häufiger dadurch, dass er sich unvermittelt vom Wohlstand ins Elend versetzt sieht und nun nicht mehr alle Bedürfnisse befriedigen kann, die er sich zugelegt hatte. Ähnlich wie sich die anthropometrischen Messungen des belgischen Forschers um den "homme moyen" als statistischen Durchschnitt und Vergleichswert gruppieren, ist in den kriminologischen Studien Quetelet's der "penchant au crime", der als statistisch gewonnener Mittelwert die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit eines Individuums, einer Altergruppe oder auch eines Berufstandes ein Verbrechen zu begehen, anzeigt (Verbrechensneigung). Bei dem "penchant au crime handelt es sich um eine bloße Wahrscheinlichkeitsziffer, um einen auf den "homme moyen" bezogenene Durschnittswert.  


Quetelet ging des weiteren von der Idee aus, dass bestimmte Gesetzmäßigkeiten die Entwicklung des Menschen strukturieren.
Quetelet ging des weiteren von der Idee aus, dass bestimmte Gesetzmäßigkeiten die Entwicklung des Menschen strukturieren. Nach seiner Auffassung fehlte es allerdings an einer genauen Kenntnis der Grundformen der körperlichen, moralischen und intellektuellen Entwicklung. Zur Klärung dieser Frage stellte er Untersuchungen über das Verbrechen, insbesondere der Morde an. Der Erfahrung nach müsste die Erscheinung des Verbrechens allenfalls aus der individuellen Psyche heraus erklärbar Handlung sein. Quetelet stellte konträr hierzu allerdings fest, dass Gleichläufigkeiten in der Entwicklung der Morde sowohl hinsichtlich iher Anzahl wie auch ihrer technischen Ausführung zu finden sind. Daraus folgerte er schließlich folgendes: „Es gibt ein Budget, das mit erschreckender Regelmäßigkeit bezahlt wird, nämlich das der Gefängnisse, Galeeren und Schafotte. Es gibt einen Tribut den der Mensch regelmäßiger bezahlt als denjenigen, welchen er der Natur oder dem Staatsschatze entrichtet; es ist derjenige, den er dem Verbrechen zollt! – trauriger Zustand des Menschengeschlechtes! Wir können im Voraus aufzählen, wie viele Fälscher, wie viele Giftmischer es geben wird, fast so, wie man im Voraus die Geburten und Todesfälle angeben kann, die einander folgen müssen.“ Klar wird hier, was Quetelet meinte: dass die gesellschaftliche Entwicklung durchaus beeinflusst werden kann, aber nciht durch individuelle Aktion, sondern nur auf dem Wege kollektiver Veränderungen, durch die in die gesellschaftliche Grundstruktur eingegriffen wird.


Den praktischen Nutzen seiner Arbeit sah Quetelet darin, dass der Gesetzgeber aufgrund des nunmehr möglichen Einblicks in gesellschaftliche Zusammenhänge dem Übel mit adäquaten Gesetzen vorbeugen könne, anstatt es erst Platz greifen zu lassen und nur nachträglich und weniger wirksam durch Gesetze einzudämmen.
Den praktischen Nutzen seiner Arbeit sah Quetelet darin, dass der Gesetzgeber aufgrund des nunmehr möglichen Einblicks in gesellschaftliche Zusammenhänge dem Übel mit adäquaten Gesetzen vorbeugen könne, anstatt es erst Platz greifen zu lassen und nur nachträglich und weniger wirksam durch Gesetze einzudämmen.
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=== Gesundheitswesen ===
=== Gesundheitswesen ===
Eine weitere Errungenschaft Quetelet’s war die einfache Berechnung der sogenannten Körpermassezahl, besser bekannt als Body-Mass-Index. Quetelet wollte damit das Idealgewicht der Menschen in Abhängigkeit ihrer Körpergröße bestimmten. Die Berechnung der Körpermassezahl, welche auch Quételet Index genannt wird, findet in der Medizin bis heute Anwendung.
Eine weitere Errungenschaft Quetelet’s war die einfache Berechnung der sogenannten Körpermassezahl, besser bekannt als Body-Mass-Index. Quetelet wollte damit das Idealgewicht der Menschen in Abhängigkeit ihrer Körpergröße bestimmten. Die Berechnung der Körpermassezahl, welche auch Quetelet Index genannt wird, findet in der Medizin bis heute Anwendung.


Quetelet’s Untersuchungen zum menschlichen Körper hatten großen Einfluss auf Alphonse Bertillon, der basierend auf seinen Untersuchungen die Grundlagen seines später Bertillonage genannten Systems zur Personenidentifikation schuf.
Quetelet’s Untersuchungen zum menschlichen Körper hatten großen Einfluss auf Alphonse Bertillon, der basierend auf seinen Untersuchungen die Grundlagen seines später Bertillonage genannten Systems zur Personenidentifikation schuf.
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== Literatur ==
== Literatur ==
*Karl Adler, ''Zur Naturgeschichte der Gesellschaft von Ad. Quételet, Hoffmann und Campe 1956.
*Horst Kern, ''Empirische Sozialforschung, C.H.Beck 1982.
*Monika Böhme, ''Die Moralstatistik'', Böhlau 1971
*Achim Mechler, ''Studien zur Geschichte der Kriminalsoziologie'',Schwartz 1970.
*Karl Adler, ''Zur Naturgeschichte der Gesellschaft von Ad. Quetelet'', Hoffmann und Campe 1956.
*Valentine Dorn, ''Soziale Physik oder Abhandlung über die Entwicklung der Fähigkeiten des Menschen von Ad. Quételet'', Verlag von Gustav Fischer 1914.
*Valentine Dorn, ''Soziale Physik oder Abhandlung über die Entwicklung der Fähigkeiten des Menschen von Ad. Quételet'', Verlag von Gustav Fischer 1914.
*Monika Böhme, ''Die Moralstatistik'', Böhlau 1971.
*Colloque Adolphe Quételet: ''Actualité et universalité de la pensée scientifique d’Adolphe Quételet'', Acad. Royale de Belgique 1997.
*Colloque Adolphe Quételet: ''Actualité et universalité de la pensée scientifique d’Adolphe Quételet'', Acad. Royale de Belgique 1997.
*Brian P. Cooper, ''Family fictions and family facts'', Routledge 2007.
*Brian P. Cooper, ''Family fictions and family facts'', Routledge 2007.
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